|
|
Hartmut Hausmann
Weiter Defizite in Demokratie
Türkei nicht reif für
EU-Beitritt
Auch wenn die Türkei bei der Erfüllung der für
alle Kandidatenländer gleichen politischen Kriterien
erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleiben aus der Sicht des
Europäischen Parlaments noch erhebliche Defizite beim Schutz
der Menschenrechte, der Vereinigungs- und Religions- sowie der
Meinungsfreiheit bestehen. Damit erfülle das Land noch nicht
die Voraussetzungen für den Ende des Jahres in Aussicht
genommenen Beschluss zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Die
strikte Erfüllung der politischen Kriterien bleibe weiter
Vorbedingung für Aufnahmegespräche. Doch auch die
Fähigkeit der EU, weitere neue Mitgliedsländer
aufzunehmen, müsse berücksichtigt werden, heißt es
in dem jüngsten Fortschrittsbericht zur Türkei auf ihrem
Weg in die EU.
Auf der Grundlage des Berichts des niederländischen
EVP-Abgeordneten Arie Oostlander würdigen die
Europaabgeordneten den politischen Willen und die Anstrengungen der
von der AKP-Regierung und der großen Mehrheit des
türkischen Parlaments zur umfassenden Reformpolitik. Die
Umsetzung der beschlossenen Reformen auf allen Ebenen des Staates
aber komme offenbar nicht nach. Als besondere Kritikpunkte werden
dabei der fortwährende Einfluss der Armee, die weiterhin nicht
ausgerottete Folterpraxis bei Polizei und Armee, die
Einschüchterung von Menschenrechtsaktivisten, die
Diskriminierung von religiösen Minderheiten sowie die
Einschränkung der Gewerkschaftsfreiheit genannt.
Der Fall Leyla Zana
Als Beispiel wird auf den Fall der Sacharowpreisträgein
Leyla Zana hingewiesen, gegen die nun, trotz der auf jahrelangen
Druck von außen hin erfolgten Annullierung einer
langjährigen Gefängnisstrafe, erneut der Prozess
eröffnet werden soll. Das Gleiche gilt für zwei weitere,
noch immer inhaftierte frühere kurdische Abgeordnete. Kritisch
stellt das Parlament an die Adresse der Staats- und Regierungschefs
die Frage, warum diese Fälle kein Hindernis für die
Anerkennung der Türkei als Beitrittskandidat zur EU beim
Gipfeltreffen der EU 1999 in Helsinki gewesen sei.
Als konkrete Forderungen wird die Abschaffung der
Staatssicherheitsgerichte genannt. Ebenso müsse die
Zehn-Prozent-Sperrklausel gestrichen werden, die verhindere, dass
auch kurdische Parteien ins Parlament einziehen können.
Weitere Forderungen beziehen sich auf die Zulassung von Medien
in anderen Sprachen als Türkisch, die volle Umsetzung der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte, auch hinsichtlich der Eigentumsrechte auf Zypern.
In diesem Zusammenhang sieht das Parlament in der Lösung des
Zypern-Konflikts auch eine Vorbedingung für den Weg der
Türkei in die EU. Außerdem müsse sie den Vertrag zum
Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag unterzeichnen. H.
H.
Zurück zur
Übersicht
|