Alexander Weinlein
...aufgekehrt
"Die Sonne, die Sonne und Du, gehören dazu", sang Udo
Jürgens. Mit "Du" war aber nicht eine Blondine aus Udos
Fanclub gemeint, sondern der Deutschen liebster Freund
beziehungsweise Feind zur Sommerszeit: der Grill!
Spätestens wenn die Duftschwaden in ihrer archaischen
Mischung aus Thüringern und Frankfurtern, Nürnbergern und
Hamburgern wieder allabendlich aus Nachbars Garten in die Nase
steigen - akustisch begleitet durch lautstarkes "Hol mir mal 'ne
Flasche Bier" -, drohen zwischen Flensburg und Oberammergau
bürgerkriegsähnliche Zustände. Doch bevor
republikweit deutsche Gerichte in die Kleinkriege um Geruchs- und
Lärmbelästigung eingreifen müssen, soll diesen
Sommer alles anders werden.
So prüft eine Arbeitsgruppe "Innere Sicherheit" der CDU und
CSU einen möglichen Einsatz der Bundeswehr in den
Krisenregionen rund um den heimischen Grill. Schnelle
Eingreiftruppen könnten einer unter NATO-Kommando stehenden
"Barbecue Force" (BFOR) wieder für Ruhe und Ordnung an
Deutschlands Gartenzäunen sorgen.
Gegen diese Pläne regt sich allerdings Widerstand aus den
Reihen der Koalition. "Ein solcher Einsatz wäre nur im Rahmen
einer Blauhelm-Mission der Vereinten Nationen denkbar", war von
Seiten der Grünen zu hören. Die SPD monierte, ein
flächendeckender Einsatz der BFOR sei nicht vereinbar mit der
geplanten Schließung weiterer Bundeswehrstandorte. Die FDP
forderte: Schon jetzt könnten umgerüstete
ABC-Spürpanzer übermäßig stinkende
Holzkohle-Grills orten und schwelende Konflikte im Ansatz
ersticken.
Die PDS wiederum lehnt eine militärische Intervention im
Grill-Krieg kategorisch ab. Wenn überhaupt, wäre dies
Aufgabe der OSZE. Diese könne dann mit Zustimmung aller
Konfliktparteien zivile Beobachter-Teams entsenden.
Über einen völlig anderen Vorschlag beraten derzeit
der Umwelt- und der Wirtschaftsminister. Nach deren
Überlegungen könnte das Problem über den anstehenden
Emissionshandel geregelt werden. Nicht-Griller könnten dann
den Viel-Grillern ihre nicht genutzten Emissionsrechte verkaufen.
Es kam jedoch zu einem handfesten Krach über die
Schadstoff-Obergrenzen. Während Trittin eine deutliche
Absenkung der jährlichen Emissionen erreichen will,
befürchtet Clement "negative Impulse" für die Grill- und
Holzkohle-Industrie. Nun will der Kanzler vermitteln und notfalls
ein deftiges Machtwort zur Rettung des Koalitionsfriedens sprechen:
"Holt mir mal 'ne Flasche Bier." Und dann 'ne Curry-Wurst.
Alexander Weinlein
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