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Götz Hausding
Streit um Verantwortlichkeit für die
Langzeitarbeitslosen
Die Union will kommunales Optionsgesetz generell
überarbeiten
Von "Wortbruch" war die Rede, von "doppeltem
Wortbruch" gar und auch von "Verzögerungstaktik". Die
Diskussion über einen Antrag des Landes Hessen, der Bezug
nimmt auf das Scheitern der Verhandlungen zu Hartz IV, und
über das kommunale Optionsgesetz in der Sitzung des
Bundesrates am 14. Mai war von scharfen Wortgefechten und
persönlichen Angriffen geprägt.
Während die Ministerpräsidenten
Roland Koch (Hessen, CDU) und Christian Wulff (Niedersachsen, CDU)
dem Bundesfinanzminister Wolfgang Clement (SPD) vorwarfen, sein
Wort gebrochen zu haben, konterte dieser mit dem Vorwurf der
Verzögerungstaktik zu Ungunsten der sozial
Schwachen.
Das kommunale Optionsgesetz sieht vor, dass
ab dem 1. Januar 2005 kommunale Stellen als Organe der
Bundesagentur für Arbeit Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch II
auf Antrag der kreisfreien Städte und Kreise wahrnehmen
können. Die kommunalen Stellen sind dann im Rahmen der
Organschaft an die Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit
gebunden, Entscheidungen und Handlungen der kommunalen Stellen
sollen der Bundesagentur zugerechnet werden. Bei der Zuweisung der
Mittel an die Kommunen für aktive Eingliederungsleistungen,
Personal und Verwaltungsleistungen sollen Anreize für einen
möglichst sparsamen Mitteleinsatz gegeben werden. Die
Zuweisung der Mittel soll in Form eines Budgets
erfolgen.
Der Entschließungsantrag Hessens
kritisiert vor allem, dass die im Vermittlungsverfahren zu Hartz IV
getroffenen Vereinbarungen im Gesetzentwurf der Bundesregierung
nicht umgesetzt seien.
Im Vermittlungsausschuss, so Roland Koch, sei
man nach "kurvenreichen Beratungen" Ende letzten Jahres in der
Frage, wer die Betreuung von Langzeitarbeitslosen übernehmen
solle, zu einem Kompromiss gekommen. Demnach sollten sich die
Kommunen und die Bundesagentur für Arbeit die Aufgabe teilen.
Von diesem Konsens sei jedoch im Gesetzentwurf der Bundesregierung
nichts mehr zu spüren. Das Gesetz sehe eine Unterordnung der
Kommunen unter die Organe der Bundesagentur vor - für Koch ein
klarer Wortbruch. Vereinbart sei eine "Trägerschaft" der
Kommunen, nicht eine "Organhilfe", sagte er.
Die Regierung sei offenbar inhaltlich nicht
bereit, den gefundenen Kompromiss zu übernehmen. Der
vorliegende Entwurf sehe keine Gestaltungsfreiheit für die
Kommunen vor und sei deshalb nicht akzeptabel. Dennoch sei man
seitens der Länder weiterhin gesprächsbereit, wenn die
Bundesregierung zu den Verabredungen zurückkehre. Koch sprach
sich für die Anrufung des Vermittlungsausschusses aus. Er
regte an, die Einführung des so genannten Arbeitslosengeldes
II zum 1. Januar 2005 zu verschieben, da man sich Zeit nehmen
müsse, um zu einem vernünftigen Ergebnis zu
kommen.
Auch Christian Wulff erinnerte an die
Verhandlungen im letzten Jahr. Am 19. Dezember, morgens um 3.30
Uhr, habe man nach zähem Ringen einen Kompromiss gefunden,
nämlich eine Optionsmöglichkeit für Kommunen, die
Arbeitslosen- und Sozialhilfe selbst zu organisieren und dafür
entsprechende Finanzmittel zu erhalten. Davon sei jedoch nicht mehr
die Rede.
Die jetzige Regelung führe zu einem
Fiasko bei der Vermittlung, zum Sozialabbau und einer
Erschütterung des Vertrauens der Menschen. Erfahrungen aus
anderen Ländern hätten gezeigt, dass örtliche
Zuständigkeiten bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
entscheidend seien, erklärte Wulff. Der "Moloch" Bundesagentur
für Arbeit sei schlichtweg überfordert, wenn er auch
noch, wie nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
vorgesehen, die Sozialhilfeempfänger versorgen solle. Im
Vermittlungsausschuss sei man bereit, auch durch eine eventuelle
Grundgesetzänderung ein Ergebnis zu finden, in dem der Geist
des 19. Dezember zum Ausdruck komme.
Das Land Schleswig Holstein unterstütze
die Reformbemühungen der Bundesregierung, erklärte
Landesfinanzminister Ralf Stegner (SPD). Die Zusammenlegung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe sei dabei ein wichtiger Schritt, der
nicht an den unionsregierten Ländern scheitern dürfe. Die
Maßnahmen von Hartz IV seien geschaffen worden, um Menschen zu
helfen, die eine Arbeit haben wollten. Die Umsetzung sei aber nur
möglich, wenn die Bundesanstalt für Arbeit und die
Kommunen zusammenarbeiten würden. Die dabei auftretenden
Probleme seien durchaus lösbar. Nicht jedoch, so Stegner an
die Adresse von Ministerpräsident Koch, wenn sich eine Seite
aus der gesellschaftlichen Verantwortung herausstehle und durch
Aufrufe an die Kommunen, die Umsetzung der Vorlagen zu verweigern,
auf dem Rücken der Ärmsten parteipolitisch motivierte
Verzögerungen betreibe. Die Zeit dränge, daher müsse
bis zur Sommerpause klar sein ob die Reformen ab dem 1. Januar
greifen. Ansonsten müssten Übergangsregelungen geschaffen
werden.
Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD)
forderte volle Konzentration auf die Sache. Er sei weiterhin an
gemeinsamem Handeln interessiert. An die Ministerpräsidenten
Koch und Wulff gewandt sagte er, beleidigende Vorwürfe und
ständiges Dramatisieren seien dabei allerdings wenig
hilfreich. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
müsse zum 1. Januar 2005 kommen, auch wenn Koch offenbar nicht
an einer zeitnahen Lösung interessiert sei. Das vorliegende
Optionsgesetz sei im Übrigen sehr wohl das Ergebnis der
Verabredungen aus dem letzten Dezember, auch wenn man von Seiten
der unionsregierten Länder da anderer Ansicht sei.
Er könne sich erinnern, dass man sich
auf eine Lösung ohne Grundgesetzänderung geeinigt habe,
auch wenn nun anderes behauptet werde. Er werde sich, so Clement,
auch weiterhin für eine Entlastung der Kommunen im Rahmen des
Gesetzes einsetzen.
Es hätten auch mehr als die vorgesehenen
2,5 Milliarden Euro sein können, doch der Bundesrat habe eine
höhere Entlastung "blockiert". Auch der
Bundeswirtschaftsminister forderte Klarheit bis zur Sommerpause und
stellte fest, dass in dieser Frage eine Verfassungsänderung
"nicht in Sicht" und auch nicht nötig sei.
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