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Das Parlament
Nr. 26 / 21.06.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Heiko Meinhardt

Demokratie im Schatten religiöser Auseinandersetzungen

Präsident Muluzi ist der Gewinner der Wahlen in Malawi, obwohl er gar nicht kandidierte

Fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit fanden in dem südostafrikanischen Agrarstaat Malawi, der nach Weltbankstatistik an sechster Stelle von unten rangiert, die dritten demokratischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Die 10,5 Millionen Einwohner leben größtenteils vom Subsistenzanbau. Auf einem kleinen Plantagensektor werden Tabak, Tee und Zucker für den Export produziert. In dem ehemaligen britischen Protektorat, das über

30 Jahre von Hastings Banda mit eiserner Faust regiert wurde, war erst 1994 ein demokratisches Regierungssystem eingeführt worden. Der erste in freien Wahlen gewählte Präsident Bakili Muluzi durfte gemäß der Verfassung nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten, nachdem Bemühungen der regierenden United Democratic Front (UDF), diese Bestimmung zu ändern, im Parlament knapp gescheitert waren. Die offene Nachfolgefrage führte zu einer Zerreißprobe in der UDF, nachdem Muluzi überraschend den ehemaligen stellvertretenden Zentralbankchef Bingu wa Mutharika als seinen Nachfolger durchsetzte. Der promovierte Ökonom arbeitete von 1963-1997 im Ausland, unter anderem für die UN und die Weltbank in Washington, und war von 1991 bis 1997 Generalsekretär der südostafrikanischen Wirtschaftsorganisation COMESA. Noch 1999 war er bei den Präsidentschaftswahlen gegen Muluzi angetreten, trat aber nach einer verheerenden Niederlage - er erhielt nur ein halbes Prozent der Stimmen - mit seiner Partei in die UDF über. Der Technokrat dürfte von der Ende März 2003 getroffenen Entscheidung Muluzis, seine Nachfolge anzutreten, genauso überrascht gewesen sein wie einige Regierungspolitiker, die ihre eigenen Ambitionen auf das höchste Amt aufgeben mussten und zur Opposition überliefen.

Ohne die Hilfe des charismatischen und vor allem in der dicht besiedelten Südregion des Landes beliebten Muluzi hätte der zunächst etwas hölzern wirkende und in der Bevölkerung weitgehend unbekannte Mutharika kaum Siegeschancen gehabt. Der Wahlkampf wurde im wesentlichen gegen zwei aussichtsreiche Kandidaten geführt. Mutharika wurde von der Alliance for Democracy (AFORD), die in der Nordregion federführend war, als Koalitionspartner unterstützt. AFORD-Chef Chakufwa Chihana war im April 2003 als zweiter Vizepräsident in die Regierung eingetreten. Für die ehemalige Einheitspartei Malawi Congress Party (MCP) trat der Veteranpolitiker John Tembo an, der als graue Eminenz unter der Banda-Diktatur galt. Der ständige innerparteiliche Gegenspieler Tembos, Gwanda Chakuamba, war Anfang des Jahres als Vizechef der MCP zurückgetreten und hatte die Republican Party (RP) gegründet. Damit wurde der zehnjährige Machtkampf, der auch eine persönliche Komponente hatte, beendet. Chakuamba war 1980 bei Banda, vermutlich auf Betreiben Tembos, in Ungnade gefallen und wurde zu 22 Jahren Arbeitslager verurteilt, von denen er 13 Jahre verbüßte. Um seine Wahlchancen zu erhöhen, bildete er die Mgwirizano "Zusammenhalt"-Koalition mit sechs kleinen Parteien. Im Wahlkampf hatten sich die größten christlichen Kirchen massiv und ungewohnt offen, sogar in Hirtenbriefen, für die Abwahl der UDF-Regierung eingesetzt, weil sie eine weitere Islamisierung des Landes fürchteten. Das richtete sich weniger gegen den Katholiken Mutharika als vielmehr gegen den Muslimen Muluzi und gegen den ebenfalls muslimischen Vizepräsidentschaftskandidaten Cassim Chilumpha. Obwohl keine signifikante politische Stärkung des Islam, dem nur etwa 20 Prozent der Malawier angehören, zu beobachten ist, wurde der Bau von Moscheen und muslimischen Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen von den christlichen Kirchen als Konkurrenz empfunden. Somit wurde erstmals in der Geschichte Malawis die Religionszugehörigkeit politisch instrumentalisiert.

Die Wahlen, die von rund 300 internationalen Beobachtern der EU, des Commonwealth, der Afrikanischen Union und anderen Organisationen überwacht wurden, waren nicht frei von technischen Unzulänglichkeiten. Im Vorfeld gab es Probleme bei der Wählerregistrierung. Da es in Malawi keine Personalausweise gibt und Geburtsurkunden nur in den wenigen Städten Verwendung finden, war die fotografische Registrierung der Wähler die einzige Möglichkeit zur Identitätsfeststellung. Im Rahmen der Neuregistrierung im Januar war es zu Doppeleintragungen gekommen, da Wähler, die ihr Registrierungszertifikat verloren hatten, sich nochmals ins Wählerregister eintragen ließen, statt ein Duplikat zu beantragen. 900.000 Doppelregistrierungen waren zu bereinigen. Auf gerichtliche Anordnung musste der Wahltermin um zwei Tage auf den 20. Mai 2004 verschoben werden, um eine Verifikation des Wählerregisters durchführen zu können. Insgesamt war der Wahlgang transparent, er verlief geordnet und friedlich. In jedem Wahllokal waren Vertreter verschiedener politischer Parteien und nationale Beobachter der Kirchen anwesend, die auch die Auszählung, die im jeweiligen Wahllokal an Ort und Stelle durchgeführt wurde, überwachten und gegenzeichneten. Von den

5,2 Millionen registrierten Wählern gaben 65 Prozent ihre Stimme ab, was im Vergleich zu der außerordentlich hohen Wahlbeteiligung von 1999 - damals wählten 94 Prozent - enttäuschend war. Aufgrund technischer Schwierigkeiten verzögerte sich die Verkündigung der Endergebnisse, was den Kandidaten Chakuamba veranlasste, sich öffentlich zum Wahlsieger auszurufen. Dies zog die polizeiliche Schließung einer privaten Radiostation nach sich und führte zur Verhaftung einer Parteifunktionärin, die dem Sender ein Interview über die Selbstproklamation ihres Chefs gegeben hatte.

Bei den Präsidentschaftswahlen konnte sich Mutharika (UDF) mit 35,2 Prozent der gültigen Stimmen gegen Tembo (28,6 Prozent) und Chakuamba (25,3 Prozent) bei Anwendung der relativen Mehrheitswahl durchsetzen. Im Parlament gewann die UDF nur

49 der 193 Sitze, während die MCP auf 56 und die RP auf neun Mandate kamen. Erstmals gelang es 39 unabhängigen Kandidaten, in die Nationalversammlung einzuziehen. Dabei handelte es sich größtenteils um UDF-Politiker, die bei den parteiinternen Vorwahlen durchgefallen waren und nach ihrem Sieg wieder in die Regierungspartei eintraten. Das Wahlverhalten war geprägt von ethnisch-regionalen Mustern. Während Mutharika und die UDF vorwiegend in der Südregion, der Heimat Mutharikas und Muluzis, punkteten, gelang es Tembo und der MCP nur in der Zentralregion, aus der er stammt, Mandate zu gewinnen. Chakuamba erzielte Erfolge in seinem Heimatdistrikt Nsanje im äußersten Süden sowie in der dünn besiedelten Nordregion. Programmatische oder ideologische Unterschiede zwischen den Parteien gab es praktisch nicht. Die regionale Herkunft der Kandidaten war für das Wahlverhalten entscheidend.

Nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse kam es in den Städten Blantyre und Mzuzu zu gewaltsamen Ausschreitungen und Plünderungen. Chakuamba focht die Wahlen gerichtlich an, gab dieses Vorhaben aber auf, als er Anfang Juni eine Koalitionsvereinbarung mit der UDF einging und somit der Regierung zu einer Parlamentsmehrheit verhalf. Der wirkliche Machthaber in Malawi bleibt Bakili Muluzi, der als Vorsitzender und Hauptfinanzier der UDF seinen handverlesenen Nachfolger durchzusetzen vermochte. Er arrangierte auch den Schulterschluss mit Chakuamba und ebnete damit den Weg für eine stabile und handlungsfähige Regierung. Ambitionen auf eine zweite Amtszeit wird der 70-jährige Mutharika möglicherweise nicht haben, aber dafür könnte sein acht Jahre jüngerer Vorgänger wieder antreten. Der wirkliche Wahlsieger ist Muluzi, wobei ihn die Opposition unfreiwillig mit ihrer Unfähigkeit, sich zu vereinigen, unterstützte. Ob er in Zukunft weiterhin eine wichtige politische Rolle spielen will und kann, bleibt abzuwarten. Bisher verfügt Mutharika nicht über eine eigene Machtbasis in der UDF und bleibt auf das Wohlwollen seines Gönners angewiesen. Inhaltlich kündigte der neue Präsident ein deutlich verkleinertes Kabinett und eine Fokussierung auf die Wirtschaftspolitik und Korruptionsbekämpfung an.

Der Autor war Mitglied der offiziellen EU-Wahlbeobachtermission in Malawi.

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