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Karl-Otto Sattler
Grüner Vormarsch in den Städten
Baden-Württemberg / CDU und SPD verzeichnen
geringe Verluste
Im Südwesten kaum Neues. Die Kräfteverhältnisse
nach den baden-württembergischen Kommunalwahlen haben sich
landesweit kaum verändert: CDU und SPD verlieren
geringfügig, Grüne und FDP klettern etwas nach oben -
immerhin haben die Freien Wählervereinigungen die Union dieses
Mal auf Platz zwei verdrängt, doch diese oft konservativ
geprägten Gruppierungen lagen schon 1999 fast gleichauf mit
der Partei Erwin Teufels. Das nähere Hinsehen indes legt den
Blick frei auf erstaunliche politische Verwerfungen: In den
Großstädten verlor die CDU drastisch, während die
Grünen kräftige Sprünge nach vorn machten.
Weniger Schwarz, mehr Grün, verblassendes Rot: Mancherorts
schob sich die Öko-Partei vor die SPD, in Tübingen
stellen die Grünen sogar die stärkste Fraktion im
Gemeinderat. Im urbanen Milieu vollziehen sich offenbar
weitreichende politisch-kulturelle Veränderungen. Susanne
Eisenmann, Fraktionsvorsitzende der Union im Stuttgarter
Lokalparlament, urteilt denn auch, die CDU werde sich "bundesweit
damit beschäftigen müssen, dass sie in
Großstädten schlecht abschneidet". Singens OB Andreas
Renner, Vorsitzender des Kommunalverbands der Südwest-CDU
über diese Entwicklung: "Das erfüllt mich mit Sorge".
Schon im Oktober steht der nächste Test mit republikweiter
Ausstrahlung an: In Stuttgart stellt sich
CDU-Oberbürgermeister Wolfgang Schuster zur Wiederwahl - und
der Ausgang des Kräftemessens mit Ute Kumpf von der SPD und
mit Boris Palmer von den Grünen erscheint offener denn je.
Bei der Bewertung der Kommunal- und Kreistagswahlen lassen die
politischen Lager einen wichtigen Faktor gern außen vor: Mit
rund 52 Prozent blieb die Wahlbeteiligung so niedrig wie vor
fünf Jahren - eigentlich stellen die Nichtwähler die
größte Partei. Bei den Gemeinderatswahlen landeten die
Freien Wähler mit 34,3 Prozent auf Platz eins, ein Plus von
0,6 Prozent. Nur noch Rang zwei nimmt die Union ein, die auf 32,4
Prozent kam (minus 1,6 Prozent). Die SPD büßte ebenfalls
1,6 Prozent ein und hat jetzt landesweit 18,2 Prozent. Der
Stimmenanteil der Grünen erhöhte sich um 2,7 Prozent auf
6,6 Prozent. Die FDP verbesserte sich um 0,9 Prozent auf 3,2
Prozent.
Das Resultat der Kreistagswahlen: CDU 38,7 Prozent (1999 waren
es 40,4 Prozent), Freie Wähler 23,8 Prozent (22,8), SPD 18,7
Prozent (21), Grüne 9,5 Prozent (7,3), FDP 5,4 Prozent
(3,9).
Doch diese wenig spektakulären Zahlen verdecken die
Zäsur in den Großstädten. Freilich markieren das
deutliche Minus der CDU und das Erstarken der Grünen in den
urbanen Zentren keinen Linksruck: Die Grünen, im "Ländle"
seit jeher fest in der Hand der "Realos", sind inzwischen vor allem
eine Partei der arrivierten Mittelschichten und deshalb auch
für bürgerliche Kreise wählbar - ihre besten
Ergebnisse erzielt die Öko-Partei etwa in Freiburg und
Stuttgart dann auch in Vierteln, wo eher Gutsituierte leben. Und es
kommt nicht von ungefähr, dass Grüne wie beispielsweise
Freiburgs OB Dieter Salomon immer mal wieder Koalitionen mit der
Union ins Gespräch bringen.
Spitzenreiter der Grünen ist Tübingen, wo sie nach
einem Plus von 8,5 Prozent jetzt mit 26,3 Prozent die stärkste
Kraft im Lokalparlament sind. In Freiburg blieben die Grünen
mit 25,8 Prozent nur noch 0,3 Prozent hinter der CDU zurück,
die fünf Prozent verlor. In Karlsruhe verzeichnete die Union
einen Rückschlag von 6,6 Prozent und kommt noch auf 37,2
Prozent, die Grünen verbesserten sich um 6,8 Prozent auf 16,6
Prozent. In Heidelberg rutschte die CDU um 6,6 Prozent auf 25,9
Prozent ab, SPD (21,6 Prozent) und Grüne (21,4 Prozent) sind
nahezu auf Augenhöhe. Ein Minus von 7,4 Prozent muss die Union
in Mannheim verkraften, nun sind es noch 37,4 Prozent. Die Verluste
der SPD in den Großstädten bewegen sich im landesweiten
Schnitt.
Im Hinblick auf die OB-Wahl ist die Lage in Stuttgart besonders
spannend: Der Rathauschef der Hauptstadt hat nach dem
Ministerpräsidenten das politisch zweitwichtigste Amt im Land
inne. Im Gemeinderat büßte die Union 5,3 Prozent ein und
fiel auf 32,9 Prozent zurück. Die SPD verteidigte mit 22,8
Prozent in etwa ihre bisherige Position, die Grünen steigerten
sich von 13 auf 18,7 Prozent - beide Parteien liegen nun mit
zusammen mehr als 40 Prozent vor der Union.
OB Schuster, der mit dem Image eines eher spröden
Verwaltungsmannes zu kämpfen hat, wird gegen die
SPD-Bundestagsabgeordnete Kumpf und gegen den grünen
Landtagsabgeordneten Palmer einen schweren Stand haben. Schon 1996
konnte sich der CDU-Politiker erst im zweiten Wahlgang knapp gegen
Rezzo Schlauch von den Grünen durchsetzen. Und dieses Mal
dürften SPD und Grüne anders als vor acht Jahren in der
zweiten Runde nur noch einen Kandidaten gegen Schuster ins Rennen
schicken, nämlich den Bestplazierten aus dem ersten
Wahlgang.
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