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Bert Schulz
...aufgekehrt
Zur Minderheit dezimiert zu werden, ist nicht lustig - Parteien
merken das in der Regel nach desaströs verlaufenen Wahlen.
Bisweilen ist es aber auch ganz angenehm, einer Minderheit
anzugehören; zumindest, wenn diese als solche anerkannt ist.
Wer ein bisschen Mumm in den Knochen hat, kann sich nämlich
mehr herausnehmen als die Mehrheit. Ein abendlicher Blick in den
Bundestag am vergangenen Donnerstag beweist dies.
Da verweigerte der Abgeordnete Wolfgang Börnsen doch glatt
Norbert Lammert die übliche Anrede "Präsident". Lapidare
Begründung: Dieses Wort gebe es in seiner Sprache schlicht und
einfach nicht, so der Abgeordnete; mit dem Titel "Vorsitzender" sei
der "Obrigkeit" schon genügend Respekt erwiesen.
Anders als man hätte erwarten dürfen, gab es keine
Rüge für dieses despektierliche Verhalten des CDU-Mannes,
das eher an die längst vergangenen rebellischen Jahre der
Grünen erinnert. Vielmehr vermerkt das Protokoll "Heiterkeit
und Beifall" auf allen Rängen. Was war geschehen? Das Hohe
Haus als Tollhaus? Ein Aufstand der Parlamentarier gar?
Natürlich nicht. Auf der Tagesordnung stand der
Regierungsbericht zu den Minderheiten- und Regionalsprachen, und
das nutzten einige Abgeordnete, darunter der Flensburger
Börnsen, um zu reden, wie ihnen "dat Muul wussen is". Der
Hinweis des Vize-Präsidenten, man möge "besonders
konzentriert" zuhören, da "keine Simultandolmetscher zur
Verfügung" stünden, war angebracht - insbesondere
für Süddeutsche, denn hiesige Minderheitensprachen sind
Dänisch, Sorbisch, Friesisch und das Romanes der deutschen
Sinti und Roma; Plattdeutsch gilt als "Regionalsprache".
Zu erlauschen gab es einige dialektische Besonderheiten. So
schmierte der CDU-Abgeordnete Peter Carstensen seiner SPD-Kollegin
Karin Evers-Meyer mit seinem Zwischenruf, sie spräche "'n
schöönes Platt!", gehörig Honig um den Mund. Maria
Michalk, die in ihrer Muttersprache Sorbisch redete, durfte eine
Zwischenfrage in der gleichen Sprache von ihrem Unions-Kollegen
Henry Nitzsche nicht nur beantworten, sondern gleich für das
ganze Haus auch übersetzen. Und Norbert Lammert stellte - mit
einem Schuss Ironie und "besonderem Respekt" - fest, "dass das
Einhalten der Redezeit in Platt offenkundig leichter gelingt als in
Hochdeutsch". Wenn der Schutz und die Förderung der
Minderheitensprachen auch so erfolgreich sind, dann würden
alle jubeln - und jeder würde es verstehen.
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