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Das Parlament
Nr. 26 / 21.06.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Bert Schulz

...aufgekehrt

Zur Minderheit dezimiert zu werden, ist nicht lustig - Parteien merken das in der Regel nach desaströs verlaufenen Wahlen. Bisweilen ist es aber auch ganz angenehm, einer Minderheit anzugehören; zumindest, wenn diese als solche anerkannt ist. Wer ein bisschen Mumm in den Knochen hat, kann sich nämlich mehr herausnehmen als die Mehrheit. Ein abendlicher Blick in den Bundestag am vergangenen Donnerstag beweist dies.

Da verweigerte der Abgeordnete Wolfgang Börnsen doch glatt Norbert Lammert die übliche Anrede "Präsident". Lapidare Begründung: Dieses Wort gebe es in seiner Sprache schlicht und einfach nicht, so der Abgeordnete; mit dem Titel "Vorsitzender" sei der "Obrigkeit" schon genügend Respekt erwiesen.

Anders als man hätte erwarten dürfen, gab es keine Rüge für dieses despektierliche Verhalten des CDU-Mannes, das eher an die längst vergangenen rebellischen Jahre der Grünen erinnert. Vielmehr vermerkt das Protokoll "Heiterkeit und Beifall" auf allen Rängen. Was war geschehen? Das Hohe Haus als Tollhaus? Ein Aufstand der Parlamentarier gar?

Natürlich nicht. Auf der Tagesordnung stand der Regierungsbericht zu den Minderheiten- und Regionalsprachen, und das nutzten einige Abgeordnete, darunter der Flensburger Börnsen, um zu reden, wie ihnen "dat Muul wussen is". Der Hinweis des Vize-Präsidenten, man möge "besonders konzentriert" zuhören, da "keine Simultandolmetscher zur Verfügung" stünden, war angebracht - insbesondere für Süddeutsche, denn hiesige Minderheitensprachen sind Dänisch, Sorbisch, Friesisch und das Romanes der deutschen Sinti und Roma; Plattdeutsch gilt als "Regionalsprache".

Zu erlauschen gab es einige dialektische Besonderheiten. So schmierte der CDU-Abgeordnete Peter Carstensen seiner SPD-Kollegin Karin Evers-Meyer mit seinem Zwischenruf, sie spräche "'n schöönes Platt!", gehörig Honig um den Mund. Maria Michalk, die in ihrer Muttersprache Sorbisch redete, durfte eine Zwischenfrage in der gleichen Sprache von ihrem Unions-Kollegen Henry Nitzsche nicht nur beantworten, sondern gleich für das ganze Haus auch übersetzen. Und Norbert Lammert stellte - mit einem Schuss Ironie und "besonderem Respekt" - fest, "dass das Einhalten der Redezeit in Platt offenkundig leichter gelingt als in Hochdeutsch". Wenn der Schutz und die Förderung der Minderheitensprachen auch so erfolgreich sind, dann würden alle jubeln - und jeder würde es verstehen.

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