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Susanne Sitzler
Bilder sagen mehr als Worte
Das Bonner Haus der Geschichte widmet sich der
Macht der Bilder
Die Hände ruhen auf dem Schwert, der
schwere Hermelinmantel hängt ihm um die Schultern, aufrecht
steht er vor seinem Thron - Kaiser Wilhelm II. Die absolutistische
Pose verweist auf Ludwig XIV. Die Botschaft des Porträts von
1895 versteht auch heute noch jeder: Hier steht einer, der
Herrschaftsanspruch erhebt, jemand, der sagen will: "Der Staat bin
ich", so wie es der Sonnenkönig einst tat.
Botschaften werden nicht nur gehört,
sondern auch gesehen. Jedes Bild hat eine Botschaft, und
inszenierte Bilder verdeutlichen ihre Botschaft umso mehr. Bilder
verfehlen ihre Wirkung nicht. "Seeing is believing", sagt man im
Englischen, und Bill Gates resümierte, "Wer die Bilder
beherrscht, beherrscht die Köpfe der Menschen". Einen
aktuellen Bezug haben diese Aussagen in den inszenierten
Folterbildern aus dem Irak gefunden, die um die Welt gingen. Bilder
zeigen Macht und Machtverhältnisse. Und bereits in der Antike
ließen Herrscher ihre Bildnisse auf Münzen prägen,
sich in Stein- und Marmor-skulpturen verewigen.
Das Bonner Haus der Geschichte
präsentiert derzeit die Ausstellung "Bilder und Macht im 20.
Jahrhundert". "Das Thema war nie so aktuell wie heute", sagt
Ausstellungsleiter Jürgen Reiche. "Wir haben den Aspekt der
politischen Inszenierung herausgegriffen". Von der Weimarer
Republik und dem Nationalsozialismus über DDR, BRD und die
Nachwendezeit - der Bogen spannt sich von Kaiser Wilhelm II. bis zu
Kanzler Gerhard Schröder.
Auf dem Weg durch die Ausstellungsräume
begegnet man Reichspräsident Friedrich Ebert, der die
Herrschaftsposen weniger liebte. Er sah sich als Mandatsträger
auf Zeit, gab sich bescheiden. Die Nationalsozialisten hingegen
professionalisierten den Umgang mit Bildern. Propaganda,
Gleichschaltung der Medien und Führerkult generierten aus
Adolf Hitler eine Art Übermenschen. "Propaganda, Propaganda,
so lange, bis daraus ein Glaube wird und man nicht mehr weiß,
was Einbildung und Wirklichkeit ist", lautete die Strategie des
NS-Regimes.
In der jungen Bundesrepublik war Konrad
Adenauer derjenige, der die Weichen zur Personalisierung in der
Politik stellte - in einer Art Homestory berichtete der Stern
bereits 1953 über den Bundeskanzler, fotografierte ihn beim
Pfannkuchenbacken, plauderte über seine Lieblingsgerichte.
Auch die erste USA-Reise Adenauers kurz vor den Wahlen im selben
Jahr wurde professionell inszeniert, erklärt Projektleiter
Ulrich Op de Hipt. Die Presse begleitete den Kanzler, die
Wochenschau berichtete über den USA-Besuch.
In der DDR wurde der Personenkult nach dem
Vorbild des kommunistischen Ostblocks praktiziert. Zunächst
war es Josef Stalin, der ideologisch verklärt und
überhöht wurde - ein über drei Meter hohes und
über 3,2 Tonnen schweres Stalin-Denkmal steht in Bonn als
Symbol dieses Kults. Später galt die Verherrlichung den
Parteichefs Walter Ulbricht und Erich Honecker, die sich als
Arbeiterführer in stilisierter Verbundenheit mit dem Volk
medial präsentieren ließen.
Mit dem Aufkommen des Fernsehens als
Massenmedium seit den 60er-Jahren änderten sich auch die
Bedingungen des politischen Alltagsgeschäfts für die
Politiker selbst. Einen guten Eindruck vor laufender Kamera zu
hinterlassen wurde immer wichtiger. Die SPD beschäftigte mit
Charles Wilp für den Wahlkampf 1969 erstmals eine große
Werbeagentur. "Das war damals neu", so Op de Hip. Wilp studierte
mit Brandt Gesten ein, die Offenheit und Dialogbereitschaft
signalisieren sollen. Helmut Schmidt hingegen gefiel die andauernde
Beobachtung offenbar weniger: "Ich wäre anders, wenn ihr nicht
dauernd zusehen würdet", wird er missmutig zitiert.
Heute fordert das Fernsehen von Politikern
eine zunehmende Selbstdarstellung - ob in Talkshows oder beim
Kanzlerduell. "Das Auftreten und die Präsentation werden immer
wichtiger", meint Gabriele Zienterra vom Institut für Rhetorik
und Kommunikation in Bornheim. Die Person selbst, ihre Stimme und
Sprache machten zwar einen großen Teil des Ausdrucks aus. Noch
eindrucksvoller für den Zuschauer seien jedoch die nonverbalen
Kommunikationsmittel wie Gestik und Mimik, denn sie bleiben laut
der Rhetorik-Trainerin in Erinnerung. Vom Inhalt behielte man
dagegen nur sieben Prozent, sagt sie. Deshalb schreibt Reiche im
Ausstellungs-Katalog: "Heutzutage scheint Politik nur dann
erfolgreich sein zu können, wenn sie Bilder erzeugt, die
allein Dank ihrer suggestiven Kraft und emotionalen Wirkung im
Gedächtnis haften bleiben".
Der Macht der inszenierten Bilder steht die
Satire gegenüber. Sie gehört in Bonn mit zum
Ausstellungskonzept. "Einige Exponate sind erschreckend groß -
die Diktatur suchte mit Bildern zu erschlagen", so
Museums-Präsident Hermann Schäfer. "Diese
Größe", erklärt er weiter, " muss man brechen durch
andere Exponate." Deshalb begegnet man im Raum zum
Nationalsozialismus plötzlich Charlie Chaplin, der als
"Großer Diktator" mit einer Weltkugel wie mit einem Luftballon
spielt. Oder man stößt gegen Ende auf die Gummipuppen der
Polit-Comedy "Hurra Deutschland", die von 1988 bis 1998 bekannte
Politiker karikierten - der Deutschen liebste Figur war damals
"Helmut", die Puppe des stämmigen
Ex-Bundeskanzlers.
Die Botschaft hinter der Ausstellung wird
nach dem Rundgang klar. Sie lautet: "Schau dahinter und sei
kritisch", so Schäfer. Und Reiche ergänzt: "Bildkompetenz
ist heute so wichtig wie Sprachkompetenz. Deshalb richtet sich die
Ausstellung besonders an junge Leute."
"Bilder und Macht im 20. Jahrhundert", im
Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn. Die
Ausstellung ist dort noch bis zum 17. Oktober, anschließend im
Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig zu sehen. Der Eintritt ist
frei.
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