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Ernst-Otto Czempiel
Schonungslose Entlarvung der
Bush-Administration
Richard Clarkes brisante Enthüllungen
über Washingtons Politik
Das Buch von Richard A. Clarke macht einen
dicken Strich durch das Kalkül von Präsident George W.
Bush, mit dem Kampf gegen den Terrorismus nicht nur seine
Weltpolitik zu legitimieren, sondern auch die
Präsidentschaftswahlen vom 2. November zu gewinnen. Clarke
weist nach, dass Bush zwar vom "Krieg gegen den Terror" spricht,
aber den Krieg gegen den Irak meint, und dass beide nichts
miteinander zu tun haben. Behauptet wurde das schon lange, Clarke
schafft nun Gewissheit.
Der Autor ist nicht irgendwer. Er war seit
1990 zunächst in führender, dann in leitender Position
für die Terrorismusbekämpfung in den USA zuständig.
Er koordinierte die Regierungspolitik am 11. September. Mit der
dramatischen Schilderung dieses Tages beginnt sein Buch. An
Autorität und Kompetenz des Autors in Sachen
Terrorismusbekämpfung besteht also nicht der leiseste Zweifel.
Und deswegen wiegt sein Vorwurf gegen die Washingtoner
Administration politisch so schwer, dass Bush gleich nach dem 11.
September den Krieg gegen den Irak zu Lasten des
Anti-Terrorismuskampfes vorbereitet und finanziert hat. Dadurch
wurde der Terrorismus nicht geschwächt, sondern immens
gestärkt.
Diese massive Kritik wird von Clarke im
zweiten Teil seines Buches minutiös begründet. Der erste
Teil ist der Clinton-Ära gewidmet, deren Terrorismus-Abwehr
Clarke maßgeblich mitgeprägt hat. Von seinem Büro im
Weißen Haus aus entfaltete Clarke erstmals eine konsistente
Anti-Terrorismus-Politik für die amerikanische
Regierung.
Selbstgesetzter Anspruch
Für sich und die Clinton-Administration
nimmt er in Anspruch, den Terrorismus als die eigentliche
Herausforderung der Vereinigten Staaten erkannt und seine richtige
Bekämpfung aufgenommen zu haben. Entsprechend enttäuscht
war er, dass die nachfolgende Bush-Koalition sich nicht um diese
Gefahr, sondern um den Krieg gegen den Irak kümmerte. Insofern
enthält das Buch auch eine politische Abrechnung. Clarke
schied im März 2003 aus seinen Ämtern.
An der Überzeugungskraft seiner
Darstellung ändert sich nichts. Mögen die von ihm
wörtlich wiedergegebenen Dialoge zwischen und mit den
maßgeblichen Regierungsmitgliedern nachträglich
rekonstruiert worden sein - dieser pseudo-authentische Berichtsstil
ist in Amerika sehr beliebt -, er gibt den Entscheidungsgang in der
Regierung anschaulich wieder. Verteidigungsminister Rumsfeld und
vor allem sein Stellvertreter Paul Wolfowitz haben, zusammen mit
Vizepräsident Dick Cheney, den Objektwandel von Al Qaida hin
zu Saddam Hussein vorangetrieben; Außenminister Collin Powell
und sein Ministerium hielten dagegen, konnten aber die Entwicklung
nicht aufhalten. So wurde mit dem Irakkrieg im März 2003 der
falsche Krieg gegen den falschen Gegner geführt (S.
321ff.).
Clarke hält weitere Vorwürfe
bereit. Die Bush-Regierung habe es versäumt, die
gemäßigten arabischen Regierungen zu unterstützen
und dem extremistischen Islamismus eine Offensive der westlichen
Werte entgegenzustellen. Sie - und nicht die Waffen - hätten
den Ost-West-Konflikt zugunsten des Westens entschieden.
Stattdessen habe sich die Bush-Regierung mit ihrer Vorliebe
für die Anwendung militärischer Gewalt auf die gleiche
Stufe mit Al Qaida gestellt.
Das ist starker Tabak, aber eben nicht zu
bestreiten. Deswegen hat Clarkes Buch in den USA reißenden
Absatz gefunden, ist der Verlag Hoffmann und Campe zu loben, der er
es in so kurzer Zeit auch in deutscher Sprache zugänglich
gemacht hat. Es bietet Einblicke in den außenpolitischen
Entscheidungsprozess des Weißen Hauses wie in den der
wichtigsten Ministerien, die es in dieser ungeschützten
Detaillierung noch nicht gegeben hat. Sie kommen von einem
Top-Insider, der Informationen nicht aus Interviews gewinnen
musste, sondern sich nur zu erinnern brauchte.
Clarke nennt die eigentlichen Ziele der
Bush-Regierung im Irak: dort eine amerikafreundliche Regierung
einzusetzen, die strategische Lage Israels zu verbessern, die
irakischen Ölquellen für den amerikanischen Markt zu
sichern und den Umzug des amerikanischen Militärs von
Saudi-Arabien in den Irak zu ermöglichen. Dieses gewaltige
geostrategische Programm kann kaum allein von den
Regierungsmitgliedern entworfen worden sein, mit denen Clarke es zu
tun hatte. Dahinter stehen bedeutende politische, strategische,
ökonomische und energiepolitische Interessen der USA. Sie
bleiben bei Clarke unsichtbar. Diese gewisse Schwäche des
Buches ist seinem autobiografischen Charakter geschuldet. Er aber
erzeugt die Authentizität der Argumentation.
Richard A. Clarke
Against all enemies.
Der Insiderbericht über Amerikas
Krieg
gegen den Terror.
Aus dem Englischen von Norbert
Juraschitz,
Werner Roller und Keike
Schlatterer.
Hoffmann & Campe, Hamburg
2004;
384 S., 19,80 Euro
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