Robert Luchs
Deutsche Firmen warten ab
Furcht vor Terroranschlägen im
Irak
Die optimistischen Einschätzungen der deutschen Industrie
zum künftigen Engagement im politisch wieder souveränen
Irak unterscheiden sich in zentralen Punkten von den Aussagen der
Nahost-Spezialisten. Diese dämpfen die Euphorie, warnen vor
der nach wie vor äußerst schwierigen Sicherheitslage und
verweisen auf die beunruhigende Schuldensituation des Landes.
Außerdem scheinen sich Befürchtungen zu bestätigen,
dass millionenschwere Aufträge zum Wiederaufbau des Irak fast
ausschließlich Firmen aus Ländern der Kriegskoalition
zufließen werden.
Demgegenüber verbreitet der Bundesverband der Deutschen
Industrie (BDI) Optimismus. Hauptgeschäftsführer Ludolf
von Wartenberg meint, durch die Übergabe der Macht an die
irakische Re-gierung sei die Grundlage für eine internationale
Zusammenarbeit beim Wiederaufbau des Landes geschaffen. Die
deutsche Wirtschaft sei bereit, einen konstruktiven Beitrag zu
leisten. Auch sei der Weg geebnet, dass internationale
Finanzierungsinstitutionen, allen voran die Weltbank und der
Internationale Währungsfonds (IWF), die Zusammenarbeit mit dem
Irak wieder "in vollem Umfang" aufnehmen können. Der
Hauptgeschäftsführer geht davon aus, dass sich bald eine
internationale Geberkonferenz mit dem finanziellen Bedarf des Irak
befassen werde und zugesagte internationale Gelder nach den
Kriterien eines freien und fairen Wettbewerbs ausgeschrieben
würden. Wartenberg verweist auf die traditionell guten
Handelsbeziehungen. Nach wie vor genössen deutsche Produkte
einen hervorragenden Ruf im Irak. Es bestehe "die große
Chance, im wirtschaftlichen Wiederaufbau die alte
Führungsrolle als Partner zurückzuerobern".
Hoffen auf Aufträge
Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hofft
auf Aufträge aus dem Irak. Um deutsche Firmen zu
unterstützen, hat der DIHK einen Firmenpool gegründet, um
auf diesem Wege, vom benachbarten Jordanien aus
Geschäftskontakte mit irakischen Unternehmern einzuleiten.
Unmittelbar nach Beginn des Irak-Feldzuges hatten zahlreiche
irakische Firmen ihren Zweitsitz nach Jordanien verlegt.
Durch den Krieg waren die deutschen Exporte völlig
zusammengebrochen. Im vergangenen Jahr betrug daher das
Außenhandelsvolumen lediglich rund 200 Millionen Euro. In 1982
hatten die deutschen Exporte in den Irak noch vier Milliarden Euro
betragen.
Für den Nahost-Experten des DIHK, Jochen Clausnitzer, ist
die Sicherheitslage derzeit noch die größte Hürde
für engere wirtschaftliche Kontakte. Auch hier spiele Geld
eine Rolle, denn neben dem unmittelbaren Schutz für die
Mitarbeiter - gepanzerte Fahrzeuge, Leibwächter - kämen
horrende Summen für Versiche-rungen hinzu. Außerdem sei
nicht klar, ob die irakische Übergangsregierung einen
unternehmerfreundlichen Kurs einschlagen werde. Immerhin versucht
die Bundesagentur für Arbeit, Sicherheitspersonal in den Irak
zu vermitteln. Eine solche Anzeige hatte die Zentralstelle für
Arbeitsvermittlung (ZAV) kürzlich in ihrer Zeitschrift
geschaltet. Es handelte sich um die Stellenanzeige eines deutschen
Arbeitgebers, der eine erfahrene Sicherheitsfachkraft sucht.
Dass sich schon heute im Irak Geld verdienen lässt, zeigt
das Beispiel Siemens. Der Konzern baut als Subunternehmer der
amerikanischen Tochter für eine kuwaitische Firma im Irak ein
Mobilfunknetz auf. Außerdem ist er an der Modernisierung
zweier Kraftwerke beteiligt. Davon abgesehen, sollen sich derzeit
nicht viel mehr als drei bis vier Dutzend deutsche
Geschäftsleute im Zweistromland aufhalten. Peter Kreutzberger,
beim BDI für den Nahen Osten zuständig, verweist auf das
"erhebliche Risiko", das bei Reisen in den Irak nach wie vor
bestehe. Das Auswärtige Amt habe eine Reisewarnung
ausgesprochen. Aufträge führten meist irakische Partner
durch. Unklar sei, wer künftig die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen kontrolliere. Es sei nicht sicher, ob es bei dem
von den Amerikanern eingeführten günstigen
Einheitssteuersatz von 15 Prozent bleibe.
Wenn die Sicherheitslage sich so verbessere, dass
ausländische Untenehmen dorthin kommen können, "dann sei
der Irak ein interessantes Handelsland und ein Land, wo sich
Investitionen lohnen werden". Da jetzt eine international
legitimierte Regierung im Amt sei, könne auch das Problem der
Altschulden gelöst werden. Das könne, so der
Irak-Experte, durch Entschuldung, durch Moratorien oder durch
Umschuldung geschehen. In diesem Zusammenhang erinnert Kreutzberger
daran, dass der Irak durch seine Öl- und Gasvorkommen ein
"tendenziell reiches Land ist", das langfristig seinen Wiederaufbau
selbst meistern könne.
Von direkten Aufträgen zum Wiederaufbau waren deutsche
Unternehmen bislang ausgeschlossen. In einer zweiten Tranche sollen
von den USA rund fünf Milliarden Dollar aufgelegt werden. Auch
diesmal dürften die Deutschen das Nachsehen haben; lukrative
Aufträge gehen an am Krieg beteiligte Nationen.
Ein Stückchen vom Kuchen hat sich die Deutsche Bank
gesichert. Sie nutzte eine Lücke in einer EU-Verordnung und
räumte Geld von einem Irak-Konto ab. Es soll sich um eine
Summe handeln, die die irakische Zentralbank auf einem Konto bei
der italienischen Tochter Deutsche Bank SpA liegen hatte. Die
Gelder waren seit 1990 durch UN-Resolutionen blockiert und sollen
der Entwicklung des Irak zugute kommen.
Im September 2003 nutzte die Deutsche Bank diese Lücke, um
diese 28 Millionen Dollar mit längst abgeschriebenen
Forderungen an das alte Regime in Höhe von über 150
Millionen Euro zu verrechnen. Die Verordnung hatte zwar eine
UN-Resolution umgesetzt, die das Einfrieren aller Gelder des
früheren irakischen Regimes forderte. Allerdings wurden
Ausnahmen wie das Verrechnen mit alten Handelsschulden zugelassen.
Die Bank ließ die Gelder nach Frankfurt transferieren. Einen
Monat später trat eine neue EU-Verordnung in Kraft, die diese
Ausnahmen aufhob. Robert Luchs
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