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Susanne Sitzler
Die Sprache der Straße sprechen
Medien suchen die Jugend
MTV und Giga-TV, die Berliner Zeitung und Die
Zeit, Eins Live und Das Ding - sie alle sind der Jugend auf der
Spur. Aber was wollen Jugendliche überhaupt sehen, lesen,
hören? Mit welchen Themen und Formaten kann man sie erreichen,
und welches sind die Medien, die junge Leute nutzen?
Bei der ersten Jugendmedienkonferenz der
Bundeszentrale für politische Bildung, vom 28. bis 30. Oktober
in Potsdam, trafen sich Programmchefs aus TV, Radio, Online und
Print, um sich gegenseitig schlauer zu machen. Ergebnisse der
Trend- und Medienforschung halfen ihnen dabei auf die
Sprünge.
"Es gibt kein anderes Medium, das so arrogant
mit Jugendlichen umgegangen ist, wie die Tageszeitung",
konstatierte Jens Lohwieser von der Berliner Zeitung gleich zu
Anfang der Konferenz. "Werdet älter, dann lest ihr uns schon"
- das habe man lange Zeit in der Zeitungsbranche geglaubt. Zu lange
- denn die Abonnentenzahlen der meisten Tageszeitungen sind
rückläufig oder stagnieren. Jugendliche Formate ließ
man außen vor. Das kann und will sich heute in der
Zeitungsbranche kaum einer mehr leisten. Eine "neue
Ernsthaftigkeit" sei zu spüren, sagt Kerstin Goldbeck, die
eine Studie für den Bundesverband deutscher Zeitungsverleger
durchgeführt hat. Das Thema Jugend sei nicht neu, aber wieder
aktuell. Nur sechs Prozent der 154 von ihr befragten Verlage
hätten kein eigenes Jugendformat im Angebot, erklärte
sie. Der lokale Bezug sei besonders wichtig, wenn man bei der
Jugend punkten will, glaubt Lohwieser. Mit dem Taschenbuch
"losleben" hat sein Verlag ein Produkt auf den Markt gebracht, das
dieser Devise folgt: Infos und Ansprechpartner von A wie
Altersvorsorge bis Z wie Zivildienst - alles für junge Leute
in Berlin.
Auch das Wochenblatt Die Zeit, deren
Durchschnittsleser 46 Jahre alt ist, macht sich auf die Suche nach
dem Lesenachwuchs. Mit einem neuen Newsletter für Abiturienten
- gratis und per Mail verschickt - versucht der Hamburger Verlag,
Jugendliche zu erreichen. "Wir wollen dabei nicht besonders cool
sein", sagt Carola Padtberg, die den Newsletter betreut. Das
würde der seriösen Zeit auch wohl kaum jemand
abnehmen.
Bernhard Heinzlmaier,
Geschäftsführer bei tfactory, dürfte diese Zahl kaum
überraschen. Das Internet ist die Informationsquelle Nummer
eins bei Jugendlichen, so der Medienforscher. Das ist zumindest das
Ergebnis der von ihm halbjährlich durchgeführten Studie
timescout, für die 900 junge Meinungsführer im Alter bis
zu 20 Jahren befragt werden. "Mit Printmedien werden Sie im
Jugendbereich nicht reich", sagt er. Die unter 20-Jährigen
würden zwar Magazine lesen - kaufen sie aber nicht. Freemags
oder Infos über das Internet seien die Lösung, meint er,
wenn man die junge Zielgruppe im Visier hat. Besonders interessant
für junge Leute seien auch Schul- und Unizeitschriften, die
Informationen aus ihrem ganz speziellen Nahbereich
liefern.
Wofür interessieren sich Jugendliche
besonders? Heinzlmaier meint, für Lifestyle und Trends. Die
Selbstdarstellung spiele bei Jugendlichen eine enorm wichtige
Rolle. In den Medien suchen Jugendliche nach Informationen
über die Szene, mit der sie sich identifizieren. Am
beliebtesten sei die Hip-Hop-Szene, gefolgt von Fitness und
Fußball. Gerade die Fitness-Welle breite sich immer weiter
aus. "Die Bedeutung des eigenen Körpers wird für
Jugendliche immer wichtiger", sagt Heinzlmaier, "denn mit ihm
präsentieren sie sich nach außen."
Dem entspricht das Ergebnis einer Studie von
Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts
für Jugend- und Bildungsfernsehen in München. "Toll
aussehen" ist für die befragten zwölf- bis
25-Jährigen der wichtigste Wert überhaupt. 88 Prozent
stimmten dem zu. Insgesamt seien Jugendliche sehr
leistungsorientiert, erklärt Götz. Karriere, Treue,
Sicherheit - das alles sei für junge Menschen
äußerst bedeutend, sagte sie. Sich politisch zu
engagieren ist nach Götz' Umfrage demgegenüber bei nur 25
Prozent wirklich "in".
Wie lassen sich da politische Inhalte
vermitteln, ohne zum Abschaltgrund zu werden? Das fragten sich die
Teilnehmer der Konferenz. Im Fernsehen, nach wie vor dem meist
genutzten Medium auch bei Jugendlichen, versucht man neue Formate
zu finden. Der Spiele-Sender GIGA hat beispielsweise seit geraumer
Zeit Politik im Programm. Begonnen hat das am 11. September 2001 -
als bei GIGA die Online Diskussions-Foren zusammenbrachen. "Wir
haben damals festgestellt, dass sich Jugendliche sehr wohl für
Politik interessieren, und sie interessieren sich vor allem
für die Frage ?Warum?'", sagt Ulrich Nitschke, Mitglied der
Geschäftsleitung bei NBC GIGA. Seit Anfang dieses Jahres
läuft nun ein Politik-Talk auf dem Sender: GIGA Real. Jeden
Werktag um 20 Uhr stellt sich ein Politiker nicht nur den Fragen
der Moderatoren, sondern auch denen der Zuschauer, die per Mail ins
Studio gelangen. "Wir lassen die Zuschauer fragen, weil das viel
direkter und weniger diplomatisch ist", so Nitschke. "Wir
reißen den Politiker aus seiner Routine heraus - und meistens
funktioniert das."
Auch beim Musiksender MTV, der Politik nicht
im Programm hat, dafür aber offen sei, wie Susanne Wiesner von
MTV networks betont, habe man schon Politiker in bestimmten
Sendungen gehabt. Doch die hätten es nicht geschafft, sich auf
Augenhöhe der Jugendlichen zu begeben. Bei MTV setzt man
deshalb lieber auf die Vertreter aus dem Musik-Business: Mit den
Söhnen Mannheims, den Ärzten, Silo oder Wir sind Helden
lassen sich politische Themen auch vermitteln.
Und was muss man beachten, wenn man für
ein junges Publikum schreibt, spricht, produziert? "Die Sprache der
Straße sprechen" ist für Wiesner ein Muss, um die junge
Zielgruppe zu erreichen: "?Ach du dickes Kanonenrohr!' würde
bei uns keiner sagen". Nicht druckreif sprechen - auch
grammatikalisch nicht - das gehört bei MTV zum
Konzept.
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