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Volker Koop
Bei den Menschen ansetzen, um den Tieren zu
helfen
Diskussion um ausreichenden Tierschutz neu
entflammt
Für Astrid Funke, die Präsidentin des
Bundesverbandes Tierschutz, ist die Sache klar: Trotz aller
Verbesserungen beim Tierschutz im Laufe der vergangenen Jahre und
obwohl der Tierschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufgenommen
wurde, liegt in diesem Bereich noch Vieles im Argen. Zwar
räumt sie ein, dass der Tierschutz im Bewusstsein der Menschen
einen höheren Stellenwert bekommen und die Scheu,
Tierquälereien anzuzeigen, abgenommen hat, doch werden diese
in den Augen Funkes weiterhin viel zu gering bestraft. Als
Höchststrafe sieht das Gesetz derzeit drei Jahre
Freiheitsentzug vor, doch wird dieser Strafrahmen nicht
ausgeschöpft, obwohl die Brutalität der Tierquäler
kaum noch Grenzen kennt. Das Votum der Tierschützerin
lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Sie
fordert eine Anhebung des Strafmaßes auf zehn Jahre und in
besonders schweren Fällen eine Mindeststrafe von einem
Jahr.
In der Theorie zumindest funktioniert der
Tierschutz in Deutschland. So stellte beispielsweise das
Oberlandesgericht Celle fest, wer Tiere länger anhaltenden
Leiden aussetze, mache sich nach dem Tierschutzgesetz strafbar. Und
wörtlich: "Länger anhaltend sind Leiden der Tiere schon,
wenn sie zwischen einer halben und einer Minute andauern. Der
Täter muss nicht ?aus Rohheit' oder ?ohne vernünftigen
Grund' handeln. Ein Tierquäler ist auch derjenige, der die
Tiere leiden lässt, ohne roh und grundlos zu handeln." Nach
dieser Definition gibt es sicherlich mehr "Tierquäler" als man
sich vorzustellen vermag, doch müssen sie alle bestraft
werden, und hat deren Brutalität wirklich
zugenommen?
Der Behauptung, dass die Verstöße
gegen das Tierschutzgesetz an Brutalität zunähmen, will
der Tierschutz-Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm
Priesmeier, weder zustimmen, noch ihr widersprechen. Dazu fehlten
verlässliche Daten. Allerdings liege das Problem auch
anderswo: "Gerade die strafbaren Verstöße, also massive
Tierquälerei durch unmittelbar angewandte Gewalt oder
Vernachlässigung werden in der Regel von Menschen begangen,
die entweder schwerwiegende psychologische Probleme haben oder mit
der Tierhaltung schlichtweg überfordert sind. In meiner
langjährigen Tätigkeit als Tierarzt habe ich verschiedene
Fälle sehen müssen, in denen mir Zweifel an der
Schuldfähigkeit der Handelnden gekommen sind. In diesem
Zusammenhang erscheint mir eine Anhebung des gesetzlichen
Strafrahmens nicht angeraten." Weitaus problematischer sind
für Priesmeier jene Fälle, in denen Nutztiere wissentlich
oder fahrlässig zu schlechteren Bedingungen gehalten werden,
als diese in den einschlägigen Bestimmungen vorgeschrieben
sind. In diesem Bereich könnte es nach dem SPD-Politiker
durchaus sinnvoll sein, die Bußgelder für die begangenen
Ordnungswidrigkeiten spürbar anzuheben. Dies läge im
Übrigen nicht nur im Interesse der Tiere. Auch die weitaus
überwiegende Zahl der Landwirte, die die Bestimmungen
gewissenhaft einhielten, würde es begrüßen, wenn die
"schwarzen Schafe" in ihrer Branche stärker als bisher zur
Verantwortung gezogen würden.
Die von der Tierschutz-Präsidentin
geforderte Anhebung des Strafmaßes hält auch Michael
Goldmann, Tierschutzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, für
nicht hilfreich. Er führt an, dass nach dem Strafgesetzbuch
jemand, der eine andere Person körperlich misshandelt, mit
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe belegt
wird. Ein Tier zu verletzen oder zu töten werde
demgegenüber mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht.
Goldmann: "Betrachtet man diese Straftatbestände
nebeneinander, steht die Forderung, Tierquälerei mit einer
Mindeststrafe von einem Jahr und einer Höchststrafe von zehn
Jahren Freiheitsentzug zu ahnden, außer Verhältnis. Es
ist keine Frage, dass Tierquälerei oder die Tötung von
Tieren ohne vernünftigen Grund verwerflich sind und bestraft
werden müssen. Dabei muss aber die
Verhältnismäßigkeit, einer unserer wesentlichsten
Verfassungsgrundsätze, gewahrt werden." Bei aller Liebe zum
Tier dürfe man das Thema nicht überziehen, warnt der
FDP-Parlamentarier. Die insbesondere von seiner Partei erstrittene
Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel ins Grundgesetz habe das
Thema Tierschutz stärker in das Licht der Öffentlichkeit
gerückt. Die Sensibilität der Menschen für
Tierquälerei sei gestiegen. Notwendig sei es, Delikte in
diesem Bereich gründlich zu untersuchen: "Insbesondere die
These, dass diejenigen, die Tiere quälen, eine Veranlagung
dazu haben sollen, auch Gewalt gegen Menschen auszuüben, muss
Gegenstand von gründlichen Untersuchungen sein, um die
notwendigen Maßnahmen ergreifen zu können, dem
entgegenzutreten", verlangt Michael Goldmann. Für besonders
wichtig hält er es, gerade Jugendlichen bewusst zu machen,
welche Verantwortung sie beim Umgang mit dem Tier oder bei der
Anschaffung eines Tieres übernehmen. Information und Beratung
durch Tierschutzverbände, Tierärzte, aber auch
Tierhandlungen seien Voraussetzung für ein respektvolles
Miteinander von Mensch und Tier.
Von der Forderung nach einer Anhebung der
Höchststrafe für Tierquälerei hält auch Peter
Bleser nichts. Der Unionsabgeordnete und Tierschutzbeauftragte
seiner Fraktion beobachtet zwar die zunehmende Brutalität
gegenüber Tieren mit großer Sorge, glaubt aber nicht,
dass noch härtere Strafen der richtige Ansatz sind, um diesem
Phänomen Herr zu werden. Derartige Taten gingen, so seine
Überzeugung, von Einzeltätern aus, die ein gestörtes
Verhältnis zu Tieren hätten und diese nicht als
Mitgeschöpfe betrachteten. Im Übrigen zeigten, so Peter
Bleser weiter, die Erfahrungen bei anderen Delikten ganz deutlich,
dass sich die Zahl der Straftaten nicht allein durch Abschreckung
reduzieren lasse. Wäre es so, dürfte es beispielsweise in
Ländern mit Todesstrafe keine Morde mehr geben - das Gegenteil
sei leider der Fall.
Wirksamer sei eine gezielte
Bewusstseinsänderung bei den betroffenen Tierhaltern. Wer die
Bedürfnisse und Befindlichkeiten der gehaltenen Tierart kenne
und respektiere, werde auch nicht zum Tierquäler. Durch die
gezielte Qualifizierung von Tierhaltern könnten heute oft im
Verborgenen stattfindende Qualen der Tiere, die
größtenteils aus falsch verstandener Fürsorge oder
Unkenntnis erfolgten, wirksam verhindert werden: "Bei aller Sorge
über die in den Medien zuweilen stark aufgebauschten schlimmen
Einzelfälle dürfen wir nicht vergessen, dass durch
falsche Haltung von Heimtieren in viel zu kleinen, nicht artgerecht
eingerichteten Wohnungen sicher weit mehr Tiere leiden, als
gemeinhin angenommen wird. Beide Aspekte müssen verbessert
werden." Eine Verschärfung der Höchststrafen führe
dabei kaum weiter: "Wir müssen bei den Menschen ansetzen, dann
ist den Tieren auch geholfen."
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