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Das Parlament
Nr. 47 / 15.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Andreas Fraude

Einheit - Vorbild für Korea?

DDR-Forschertagung Otzenhausen

Steht eine Wiedervereinigung Koreas an? Ist die Situation der seit 1948 geteilten Halbinsel vergleichbar mit jener der beiden deutschen Staaten Ende der 1980er-Jahre? Können, oder besser: sollten die Modalitäten der deutschen Einheit hier überhaupt als Vorbild dienen? Diese Fragen standen Anfang November erstmals im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion auf der jährlich stattfindenden Internationalen DDR-Forschertagung im saarländischen Otzenhausen unter der Leitung von Heiner Timmermann, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituts der dortigen Europäischen Akademie, in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung (Bonn), der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (Berlin), sowie der ASKO EUROPA- und Union-Stiftung (jeweils Saarbrücken).

Die in Deutschland promovierten Politikwissenschaftler Sangtu Ko und Kyu Young Lee (Seoul) beschrieben Inhalt und Wirkungen der letztlich auf eine Vereinigung mit Nordkorea abzielenden "Sonnenscheinpolitik" seitens der südkoreanischen Führung. Für diesen seit 1997 praktizierten Politikansatz, der nicht mehr davon ausgeht, dass das kommunistische Regime in Kürze zusammenbricht, erhielt der südkoreanische Präsident Kim Dae Jung im Jahre 2000 den Friedensnobelpreis. Im Rahmen der "Sonnenscheinpolitik" werden Familienzusammenführungen gefördert, humanitäre (Nahrungsmittel-) Hilfe an Nordkorea geleistet sowie Austausch und Zusammenarbeit auf kulturellem Gebiet ermöglicht. Dieser Weg enthalte "Potenzial für einen selbständigen Lösungsweg" im Hinblick auf eine mögliche Vereinigung, welche bisher vor allem abhängig vom internationalen Umfeld gewesen sei. Allemal aber sei die "Sonnenscheinpolitik" Grundlage für eine friedliche Zusammenarbeit auf der Halbinsel, weil Nordkorea Vertrauen zur südkoreanischen Regierung entwickelt habe und damit die Möglichkeit für eine (weitere) Öffnung des kommunistischen Sys-tems gegeben sei. Inzwischen gebe es allerdings eine "heftige Debatte" um die Erfolge dieser Politik; zudem nehme der Rückhalt innerhalb der Bevölkerung Südkoreas für eine Wiedervereinigungs-Option stetig ab. Unterstützten diese 1997 immerhin 78 Prozent waren es 2001 lediglich noch 57 Prozent, wobei die Zustimmung besonders in den jüngeren Altersgruppen gering (geworden) sei.

Johannes L. Kuppe (Bad Honnef) verwies auf die enormen (geschätzten) Kosten einer koreanischen Vereinigung und erteilte mit Blick auf die aktuell in Deutschland wieder thematisierten "Folgekosten" den launig-konzisen Rat: "Lassen Sie sich Zeit und Sie sparen Geld." In globaler Hinsicht verwies Kuppe auf mancherlei Vorbehalte in Japan im Zusammenhang mit einem zukünftig vereinigten Korea, weil man dort - wahrscheinlich zu Recht - die Etablierung einer neuen konkurrierenden Wirtschaftsmacht befürchte. Katja Kuhn (Heidelberg) erinnerte an die traditionelle "Verbrüderung" Chinas mit Nordkorea, insbesondere nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion: Diese drücke sich nicht zuletzt in der (inhumanen) Praxis aus, in die südkoreanische Botschaft nach Peking Geflüchtete wieder nach Nordkorea zurückzuschicken. Gleichwohl sei derzeit von 300.000 sich illegal in China aufhaltenden Nordkoreanern auszugehen. Gelte Nordkorea eigentlich als "Pufferzone" gegen den feindlichen Kapitalismus/Imperialismus, so sei die in jüngerer Zeit zu beobachtende Orientierung Chinas an die USA bemerkenswert - diese bedeute auch eine schwindende Loyalität gegenüber Nordkorea.

Der ehemalige stellvertretende Botschafter der DDR in Nordkorea, Klaus Barthel (Berlin), malte - in starkem Kontrast zu den hoffnungsvollen Versuchen der "Sonnenscheinpolitik" - ein düsteres Bild von den Verhältnissen unter dem Regime in Pjöngjang, für das die Bezeichnung "Diktatur" eigentlich noch zu schwach sei. Er erinnerte an die Tatsache, dass es zwischen den beiden koreanischen Staaten bisher lediglich einen Waffenstillstand gebe. Die kommunistische Führung werde sich bei einer möglichen Systemkrise bis zuletzt an ihre Macht klammern, allerdings: "Wenn die Menschen erfahren, dass sie 50 Jahre im Dunkeln gehalten wurden, wird der Kollaps in kürzester Zeit erfolgen."

Neben 24 Referaten unterschiedlichster Provenienz in den Sektionen "Außenbeziehungen", "Herrschaft/ Alltag" und "Kultur" widmete sich ein weiteres Podium der "DDR-Westpolitik und Medien in den 70er und 80er-Jahren". Die Journalisten Karl-Heinz Baum (Frankfurter Rundschau) und Peter Jochen Winters (Frankfurter Allgemeine Zeitung) berichteten über ihre Erfahrungen in der DDR als akkreditierte Korrespondenten. Wegen der politischen Verhältnisse habe sich die Berichterstattung stark danach ausrichten müssen, keine Quellen zu gefährden. Noch wichtiger als in anderen Ländern sei es zudem gewesen, "Desinformationsmeldungen" auch als solche zu erkennen. Es wurden Nachrichten nicht verbreitet, welche die Deutschlandpolitik der Bundesrepublik massiv gefährdet hätten. Insbesondere westdeutsche Journalisten mussten sich an strenge amtliche Grundsätze halten, die im jeweiligen Interesse der DDR ausgelegt werden konnten. Weil sie aufgrund ihrer Herkunft als "potenzielle Agenten" galten, waren sie einer umfassenden "Betreuung" durch das MfS und damit permanenten Behinderungen ausgesetzt.

Der an der Leipziger Karl-Marx-Universität/Sektion für Journalistik ausgebildete Thomas Falkner - derzeit für die PDS in Brandenburg beratend tätig - schwächte das offizielle, von der DDR/SED intendierte Bild vom Journalisten, der als "Funktionär mit journalistischen Mitteln an der Leitung ideologischer Prozesse teilnimmt", erheblich ab. Man habe sich nicht "mit

17 vorgenommen, das Volk zu belügen", so der 1957 geborene Falkner. Gerade jüngere Journalisten hätten wenigstens am Beginn ihrer Laufbahn den Anspruch gehabt: "Wenn wir dran sind, wird's besser". Falkner hob hervor, die Zustände im Laufe seines journalistischen Daseins in der DDR "zunehmend als unerträglich" empfunden zu haben.

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