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Andreas Fraude
Einheit - Vorbild für Korea?
DDR-Forschertagung Otzenhausen
Steht eine Wiedervereinigung Koreas an? Ist die Situation der
seit 1948 geteilten Halbinsel vergleichbar mit jener der beiden
deutschen Staaten Ende der 1980er-Jahre? Können, oder besser:
sollten die Modalitäten der deutschen Einheit hier
überhaupt als Vorbild dienen? Diese Fragen standen Anfang
November erstmals im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion auf der
jährlich stattfindenden Internationalen DDR-Forschertagung im
saarländischen Otzenhausen unter der Leitung von Heiner
Timmermann, Direktor des Sozialwissenschaftlichen
Forschungsinstituts der dortigen Europäischen Akademie, in
Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung
(Bonn), der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (Berlin),
sowie der ASKO EUROPA- und Union-Stiftung (jeweils
Saarbrücken).
Die in Deutschland promovierten Politikwissenschaftler Sangtu Ko
und Kyu Young Lee (Seoul) beschrieben Inhalt und Wirkungen der
letztlich auf eine Vereinigung mit Nordkorea abzielenden
"Sonnenscheinpolitik" seitens der südkoreanischen
Führung. Für diesen seit 1997 praktizierten
Politikansatz, der nicht mehr davon ausgeht, dass das
kommunistische Regime in Kürze zusammenbricht, erhielt der
südkoreanische Präsident Kim Dae Jung im Jahre 2000 den
Friedensnobelpreis. Im Rahmen der "Sonnenscheinpolitik" werden
Familienzusammenführungen gefördert, humanitäre
(Nahrungsmittel-) Hilfe an Nordkorea geleistet sowie Austausch und
Zusammenarbeit auf kulturellem Gebiet ermöglicht. Dieser Weg
enthalte "Potenzial für einen selbständigen
Lösungsweg" im Hinblick auf eine mögliche Vereinigung,
welche bisher vor allem abhängig vom internationalen Umfeld
gewesen sei. Allemal aber sei die "Sonnenscheinpolitik" Grundlage
für eine friedliche Zusammenarbeit auf der Halbinsel, weil
Nordkorea Vertrauen zur südkoreanischen Regierung entwickelt
habe und damit die Möglichkeit für eine (weitere)
Öffnung des kommunistischen Sys-tems gegeben sei. Inzwischen
gebe es allerdings eine "heftige Debatte" um die Erfolge dieser
Politik; zudem nehme der Rückhalt innerhalb der
Bevölkerung Südkoreas für eine
Wiedervereinigungs-Option stetig ab. Unterstützten diese 1997
immerhin 78 Prozent waren es 2001 lediglich noch 57 Prozent, wobei
die Zustimmung besonders in den jüngeren Altersgruppen gering
(geworden) sei.
Johannes L. Kuppe (Bad Honnef) verwies auf die enormen
(geschätzten) Kosten einer koreanischen Vereinigung und
erteilte mit Blick auf die aktuell in Deutschland wieder
thematisierten "Folgekosten" den launig-konzisen Rat: "Lassen Sie
sich Zeit und Sie sparen Geld." In globaler Hinsicht verwies Kuppe
auf mancherlei Vorbehalte in Japan im Zusammenhang mit einem
zukünftig vereinigten Korea, weil man dort - wahrscheinlich zu
Recht - die Etablierung einer neuen konkurrierenden
Wirtschaftsmacht befürchte. Katja Kuhn (Heidelberg) erinnerte
an die traditionelle "Verbrüderung" Chinas mit Nordkorea,
insbesondere nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion: Diese
drücke sich nicht zuletzt in der (inhumanen) Praxis aus, in
die südkoreanische Botschaft nach Peking Geflüchtete
wieder nach Nordkorea zurückzuschicken. Gleichwohl sei derzeit
von 300.000 sich illegal in China aufhaltenden Nordkoreanern
auszugehen. Gelte Nordkorea eigentlich als "Pufferzone" gegen den
feindlichen Kapitalismus/Imperialismus, so sei die in jüngerer
Zeit zu beobachtende Orientierung Chinas an die USA bemerkenswert -
diese bedeute auch eine schwindende Loyalität gegenüber
Nordkorea.
Der ehemalige stellvertretende Botschafter der DDR in Nordkorea,
Klaus Barthel (Berlin), malte - in starkem Kontrast zu den
hoffnungsvollen Versuchen der "Sonnenscheinpolitik" - ein
düsteres Bild von den Verhältnissen unter dem Regime in
Pjöngjang, für das die Bezeichnung "Diktatur" eigentlich
noch zu schwach sei. Er erinnerte an die Tatsache, dass es zwischen
den beiden koreanischen Staaten bisher lediglich einen
Waffenstillstand gebe. Die kommunistische Führung werde sich
bei einer möglichen Systemkrise bis zuletzt an ihre Macht
klammern, allerdings: "Wenn die Menschen erfahren, dass sie 50
Jahre im Dunkeln gehalten wurden, wird der Kollaps in
kürzester Zeit erfolgen."
Neben 24 Referaten unterschiedlichster Provenienz in den
Sektionen "Außenbeziehungen", "Herrschaft/ Alltag" und
"Kultur" widmete sich ein weiteres Podium der "DDR-Westpolitik und
Medien in den 70er und 80er-Jahren". Die Journalisten Karl-Heinz
Baum (Frankfurter Rundschau) und Peter Jochen Winters (Frankfurter
Allgemeine Zeitung) berichteten über ihre Erfahrungen in der
DDR als akkreditierte Korrespondenten. Wegen der politischen
Verhältnisse habe sich die Berichterstattung stark danach
ausrichten müssen, keine Quellen zu gefährden. Noch
wichtiger als in anderen Ländern sei es zudem gewesen,
"Desinformationsmeldungen" auch als solche zu erkennen. Es wurden
Nachrichten nicht verbreitet, welche die Deutschlandpolitik der
Bundesrepublik massiv gefährdet hätten. Insbesondere
westdeutsche Journalisten mussten sich an strenge amtliche
Grundsätze halten, die im jeweiligen Interesse der DDR
ausgelegt werden konnten. Weil sie aufgrund ihrer Herkunft als
"potenzielle Agenten" galten, waren sie einer umfassenden
"Betreuung" durch das MfS und damit permanenten Behinderungen
ausgesetzt.
Der an der Leipziger Karl-Marx-Universität/Sektion für
Journalistik ausgebildete Thomas Falkner - derzeit für die PDS
in Brandenburg beratend tätig - schwächte das offizielle,
von der DDR/SED intendierte Bild vom Journalisten, der als
"Funktionär mit journalistischen Mitteln an der Leitung
ideologischer Prozesse teilnimmt", erheblich ab. Man habe sich
nicht "mit
17 vorgenommen, das Volk zu belügen", so der 1957 geborene
Falkner. Gerade jüngere Journalisten hätten wenigstens am
Beginn ihrer Laufbahn den Anspruch gehabt: "Wenn wir dran sind,
wird's besser". Falkner hob hervor, die Zustände im Laufe
seines journalistischen Daseins in der DDR "zunehmend als
unerträglich" empfunden zu haben.
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