|
|
Martin Wagener
Auf dem Weg zum nächsten
Präventivkrieg?
Vor dem IAEA-Gouverneursrat am 25. November:
Warum der Iran-Konflikt diplomatisch kaum zu lösen
ist
Die Wiederwahl von US-Präsident Bush jr.
dürfte vor allem von der Führung in Teheran mit Sorge
betrachtet worden sein. Würde sie die Argumentationsmuster zur
Rechtfertigung des Präventivkrieges gegen Saddam Hussein ernst
nehmen, stünde einem ähnlichen Feldzug gegen das eigene
Land nichts mehr im Wege. Im Gegensatz zum Irak dürfte der
Iran weitaus bessere Voraussetzungen haben, um in den nächsten
Jahren in den Besitz von Nuklearwaffen zu gelangen. Hinzu kommen
Spekulationen über Verbindungen zwischen Teheran und Al Qaida.
Ob der Iran aber als Teil der "Achse des Bösen"
tatsächlich zum zweiten militärischen Ziel wird,
lässt sich nicht seriös voraussagen.
Die derzeitige Kritik des Westens am Iran hat
ihre Wurzeln in einer angenommenen "versteckten Agenda" des
Atomprogramms der Mullahs. Insbesondere die USA zweifeln daran,
dass das Projekt ausschließlich zivil genutzt werden soll,
zumal das Land kein natürliches Energieproblem hat. Teheran
verfügt über circa zehn Prozent der weltweit bekannten
Erdölreserven sowie über 16 Prozent der Erdgasreserven.
Mit der angestrebten vollständigen Beherrschung des nuklearen
Brennstoffkreislaufs verfolge der Iran, so die Vermutung, ein ganz
anderes Ziel: die Möglichkeit der Anreicherung von Uran zur
Herstellung von Atombomben. Frankreich, Deutschland und
Großbritannien versuchen daher seit dem Abkommen vom Oktober
2003, den Iran zur Akzeptanz zweier zentraler Forderungen zu
bewegen: Teheran soll auf die Anreicherung von Uran verzichten.
Darüber hinaus wird erwartet, dass es mit der Internationalen
Atomenergiebehörde (IAEA) eng zusammenarbeitet und damit
internationalen Inspektoren freien Zugang zu allen Anlagen des
Atomprogramms gewährt. Im Gegenzug haben die Europäer
nicht nur die Ausdehnung der Handelsbeziehungen, sondern auch den
Zugang zu ziviler Nukleartechnologie, etwa in Form eines
Leichtwasserreaktors, in Aussicht gestellt.
Die Position des Irans erscheint dagegen wie
in Stein gemeißelt. Der Verzicht auf die autarke Beherrschung
des nuklearen Brennstoffkreislaufs wird kategorisch abgelehnt. Dem
Atomprogramm wird eine ausschließlich zivile Nutzung
zugeschrieben. Teheran verweist dabei völlig korrekt auf den
Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 1. Juli
1968, in dessen Präambel es heißt, "dass die Vorteile der
friedlichen Anwendung der Kerntechnik [...] allen Vertragsparteien,
gleichviel ob Kernwaffenstaaten oder Nichtkernwaffenstaaten,
für friedliche Zwecke zugänglich sein sollen". In den
Gesprächen mit den Europäern in Paris zu Beginn des
Monats haben die iranischen Unterhändler geringfügige
Konzessionen gemacht. Sollte die neue Abmachung umgesetzt werden,
würde Teheran die Anreicherung von Uran weiter aussetzen,
nicht jedoch grundsätzlich auf diese Option verzichten. Beide
Seiten hätten damit eine Eskalation des Konflikts
vorläufig vermieden, ohne ihn wirklich zu lösen. Gewinner
wäre der Iran, der damit die drohende Überweisung seines
"Falles" an den UN-Sicherheitsrat auf der Sitzung des
Gouverneursrats der IAEA am 25. November abgewendet hätte. Die
Europäer können mit dieser Lösung, die faktisch
einen Zeitgewinn für das Mullah-Regime bedeutet, nicht
zufrieden sein. Ihnen stand allerdings auch keine Alternative zur
Verfügung, denn China hatte bereits angedeutet,
ökonomischen Sanktionen gegen den Iran im UN-Sicherheitsrat
nicht zustimmen zu wollen.
Die weitere Entwicklung ist nur schwer zu
prognostizieren, weil es zu viele Unbekannte gibt, die den Gang der
Dinge beeinflussen und verändern können. So ist nicht
absehbar, wer 2005 die iranischen Präsidentschaftswahlen
gewinnen wird, wie sich dies auf das innenpolitische
Machtgefüge auswirkt und welche Konsequenzen sich daraus
wiederum für die Außenpolitik ergeben. Der Machtkampf
zwischen Reformern und Konservativen hält an, und das Streben
nach dem Besitz von Atombomben ist innenpolitisch offensichtlich
umstritten. Unabhängig davon kann von einer
grundsätzlichen Wechselwirkung ausgegangen werden: Je
größer der geopolitische Druck auf den Iran wird, desto
stärker sein Streben nach der Atombombe, wenigstens aber nach
einer "virtuellen Nuklearwaffenfähigkeit" (militärisch
nutzbare Atomkraftwerke).
Zur Ironie der gegenwärtigen Lage der
Mullahs gehört, dass ausgerechnet Washington mit dem Sturz
Saddam Husseins eine der größten unmittelbaren
Bedrohungen des Landes beseitigt hat. Der Irak war für den
Iran auch deshalb unberechenbar, weil er im Krieg von 1980 bis1988
zeitweise sogar chemische Waffen eingesetzt hatte. Das
geostrategische Umfeld Teherans hat sich durch diese Entwicklung
aber nur begrenzt verbessert. Denn im Zuge des Kampfes gegen den
internationalen Terrorismus ist die amerikanische
Truppenpräsenz auf der Arabischen Halbinsel und in
Zentralasien derartig ausgedehnt worden, dass sich aus ihr eine
faktische militärische Einkreisung des Irans durch die USA
ergibt. Gegenwärtig hat das Pentagon in der Region 180.000
Soldaten stationiert. Hinzu kommen Einheiten der 5. US-Flotte im
Persischen Golf. Das Land liegt in der Reichweite ballistischer
Trägersysteme mehrerer Nuklearmächte, zu denen seit 1998
auch der Grenznachbar Pakistan gehört.
Darüber hinaus hat der geopolitische
Druck auf den Iran in den vergangenen Jahren insbesondere durch den
Ausbau der nuklearen Optionen Israels zugenommen. Der Besitz von
Nuklearwaffen ist im Sinne der "strategischen Ambiguität" bis
heute weder von der Regierung noch von der Knesset zugegeben
worden. Renommierte Institutionen wie das Londoner International
Institute for Strategic Studies gehen davon aus, dass Israel
über rund 200 nukleare Sprengköpfe verfügt. Diese
könnte es entweder über Kampfflugzeuge vom Typ F-4E
Phantom oder F-16 Falcon einsetzen. Mit der Mittelstreckenrakete
Jericho II, die über eine Reichweite von etwa 1.500 Kilometern
verfügen soll, wären Ziele im Westen Irans bis Teheran
angreifbar.
Das größte Problem des israelischen
Abschreckungskonzeptes ist die mangelnde strategische Tiefe des
Landes. Bei einer Nord-Süd-Ausdehnung von circa 470 und einer
maximalen Breite von nur 135 Kilometern könnte bereits die
Explosion einer einzigen Atombombe, etwa in Beer Sheva, ausreichen,
um die Existenz des Staates zu gefährden. Da unter diesen
Bedingungen weder die Unterstellplätze für Kampfflugzeuge
noch die Abschussbasen für Raketen ausreichend geschützt
werden können, verfügt Israel über keine gesicherte
landgestützte Zweitschlagfähigkeit. Jerusalem dürfte
dieses Problem 1999/2000 durch die Beschaffung von drei U-Booten
der Dolphin-Klasse gelöst haben. Beobachter gehen davon aus,
dass diese mit Marschflugkörpern ausgerüstet worden sind,
die mit nuklearen Sprengköpfen bewaffnet werden können.
Die Reichweiten der vermutlich eingelagerten Flugkörper
betragen beim Typ Harpoon mit 120 Kilometer bei einer Nutzlast von
220 Kilogramm. Der Marschflugkörper vom Typ Popeye 3 soll
einen Einsatzradius von 350 Kilometer bei einer Nutzlast von 360
Kilogramm haben. Treffen diese Angaben zu, dann würde Israel
über im Golf von Oman stationierte U-Boote jeden Angriff des
Iran nuklear vergelten können.
Der Iran hat auf sein geostrategisches Umfeld
dahingehend reagiert, neben verschiedenen Kurzstreckenraketen die
Mittelstreckenrakete Shahab III zu entwi-ckeln. Nach mehreren Tests
hat Verteidigungsminister Ali Shamkhani am 9. November
angekündigt, dass dieses Trägersystem in Serienproduktion
gegangen sei. Die Shahab III hat eine geschätzte Reichweite
von 1.300 Kilometer bei einer Nutzlast von 750 Kilogramm. Damit
wären Ziele in ganz Israel erreichbar. In der
Entwicklungsphase soll sich zudem die Shahab IV mit einer
Reichweite von 2.000 Kilometer bei einer Nutzlast von 1.000
Kilogramm befinden. Die Raketen deuten insofern auf das Streben
nach Atombomben hin, als konventionelle Einsatzmittel
militärstrategisch nur begrenzt Sinn machen. Die Shahab III
entfaltet die Abschreckungswirkung nur dann, wenn sie mit einem
nuklearen Sprengkopf ausgerüstet wird. Sollte dies wegen
IAEA-Kontrollen nicht mehr möglich sein, könnte der Iran
versuchen, eine Atombombe über Nordkorea zu importieren. Die
enge Zusammenarbeit beider Staaten ist daran abzulesen, dass die
Technologie der Shahab III auf der nordkoreanischen
Mittelstreckenrakete No Dong beruht.
Aus diesem Grund dürfte der Iran in den
weiteren Verhandlungen mit den Europäern und der IAEA nur
begrenzt Entgegenkommen zeigen, wodurch der Druck auf die
Bush-Administration zunimmt. Der amerikanische Präsident
dürfte sich etwa die Frage stellen, wie er nach seiner zweiten
und letzten Amtszeit in die Geschichte eingehen möchte. Im
schlimmsten Fall droht im Januar 2009 folgendes Attest: Der Irak
hat sich weiter zum Experimentallabor für Terroristen aller
Art entwickelt; der Iran ist dem Bau einer Atombombe näher
denn je. Sollte es dazu kommen, hätte sich unter der Regierung
von George W. Bush die sicherheitspolitische Lage am Persischen
Golf in beispielloser Weise zuungunsten der USA
entwickelt.
Ein Präventivschlag gegen die Mullahs
dürfte mehr Probleme schaffen als lösen. Eine Entwaffnung
des Irans wäre, erstens, nur durch eine umfassende
Boden-offensive zu erreichen, für die keine hinreichenden
freien Streitkräftekontingente zur Verfügung stehen.
Welchen materiellen Belastungen die USA im Irak ausgesetzt sind,
wird daran deutlich, dass die amerikanischen Truppen ihren Auftrag
ohne Reservisten kaum noch durchführen könnten. Auch
beschäftigt das Pentagon einen erheblichen Teil der bis zu
20.000 Söldner, die nach Schätzungen im
Bürgerkriegsgebiet aktiv sein sollen. Hinzu kommt, dass im
Falle eines Präventivschlags gegen den Iran sowohl unter den
eigenen Verbündeten, die bereits circa 23.000 Soldaten im Irak
stationiert haben, als auch in der muslimischen Welt massive
Verstimmungen absehbar sind.
Washington würde folglich seine
Kapazitäten durch einen Zweifrontenkrieg am Persischen Golf
noch stärker überdehnen - mit weitreichenden Folgen
für dessen Position im asiatisch-pazifischen Raum. Dort
stellen die USA in der Taiwan-Straße das entscheidende
Gegengewicht zu China und auf der Koreanischen Halbinsel zu
Nordkorea dar. Peking könnte die Situation nutzen, um seinen
Druck auf Taipeh zu erhöhen, und Pjöngjang dürfte
sich bei den Sechsergesprächen noch kooperationsunwilliger
zeigen. Seit der Verlegung der 2. US-Brigade (3.600 Soldaten) von
Südkorea in den Irak wird diskutiert, welche Konsequenzen das
für die Glaubwürdigkeit der amerikanischen
Abschreckungspolitik am 38. Breitengrad hat.
Außerdem muss die Frage nach der
Effektivität eines Präventivschlages gestellt werden.
Sollten nicht genügend amerikanische Streitkräfte
für eine Bodenoperation zur Verfügung stehen, bliebe dem
Pentagon lediglich die Option gezielter Luftschläge. Der
Vergleich zu den zahlreichen amerikanischen Bombardierungen, die
zwischen den beiden Kriegen von 1991 und 2003 gegen irakische
Stellungen durchgeführt worden sind, fällt negativ aus.
Saddam Hussein konnte durch sie nie zu einem grundsätzlichen
Einlenken bewegt werden. Das iranische Atomprogramm ist zudem
über das ganze Land verstreut. Anlagen finden sich unter
anderem in Arak, Natanz, Teheran, Isfahan und Bushehr. Dies
würde eine umfassende Bombardierung erfordern, die sich nicht
auf den reinen Einsatz von Marschflugkörpern beschränken
ließe.
Abgesehen von der militärischen
Problematik dürfte das Weiße Haus größte
Schwierigkeiten haben, einen weiteren Präventivkrieg
innenpolitisch zu rechtfertigen. Die Glaubwürdigkeit der
Bush-Administration hat erheblich darunter gelitten, dass ihre
Rechtfertigungen zur Begründung des Irak-Krieges
offensichtlich in hohem Maße konstruiert waren. Fraglich ist
daher, ob die amerikanische Bevölkerung ihrem Präsidenten
erneut glauben wird, sollte dieser behaupten, der Iran verfüge
über Atombomben. Sollte die Bush-Administration aus diesen
Gründen auf einen militärischen Präventivschlag
verzichten, wäre das Problem aber noch lange nicht vom Tisch.
Aus der Sicht Israels ist es nicht hinnehmbar, dass ein Staat im
Nahen Osten Tel Aviv und andere Städte theoretisch mit
Nuklearwaffen angreifen könnte. Aus diesem Grunde ordnete der
damalige Ministerpräsident Menachem Begin am 7. Juni 1981 an,
den irakischen Atomreaktor Osirak zu zerstören. Bagdad war
damit die Möglichkeit genommen worden, die notwendigen
Ausgangstoffe für eine Atombombe zu produzieren. Sollte der
Iran daher kurz davor stehen, den nuklearen Brennstoffkreislauf zu
schließen, dürfte für den gegenwärtigen
Regierungschef Ariel Scharon der Casus Belli gegeben sein.
Gleichwohl wird es nicht einfach sein, zur Tat zu schreiten: Im
Gegensatz zu Osirak sind die Ziele weit gestreut; die
Kampfflugzeuge könnten zudem Schwierigkeiten haben, die
größere Distanz zu überbrücken.
Sollte dieses Problem gelöst werden,
etwa durch den Einsatz von Tankflugzeugen, dann hätten die USA
vier Argumente parat, um Israel von einem Präventivschlag
abzuhalten. Das Bündnis- und Abschreckungsargument: Die USA
versichern in einer sich zuspitzenden Konfliktphase, dass sie jeden
nuklearen Angriff gegen israelisches Staatsgebiet sofort nuklear
vergelten werden. Das Rückversicherungsargument: Die USA
helfen Israel, dessen aus Arrow-II- und Patriot-Batterien
bestehendes Raketenabwehrsystem auszubauen, um anfliegende
iranische Trägersysteme vorzeitig zu neutralisieren. Beide
Argumente dürften die Regierung Scharon nur begrenzt
beruhigen. Über eine nukleare Abschreckung verfügt sein
Land bereits. Und nach den Erfahrungen des Golf-Krieges von 1991
dürfte der Glaube an die unbedingte technologische
Funktionsfähigkeit von Raketenabwehranlagen allen
Fortentwicklungen zum Trotz zumindest getrübt sein. Damals
erreichten 39 irakische Scud-Raketen israelisches Staatsgebiet,
obwohl Patriot-Batterien als Abwehrmaßnahmen eingesetzt worden
waren.
Darüber hinaus dürfte Washington
das Eskalationsargument anführen. Der Iran könnte zur
Vergeltung eines von Scharon befehligten Angriffs dazu
übergehen, die zweite Intifada der Palästinenser in
Israel sowie die im Südlibanon operierende Hisbollah
verstärkt zu unterstützen. Teheran könnte ihnen
militärische Ausrüstung liefern, um den Druck auf Israel
von innen und außen zu erhöhen. Zur Eskalation würde
die Option gehören, Selbstmordattentäter mit biologischen
oder chemischen Massenvernichtungsmitteln auszustatten, über
die der Iran wahrscheinlich verfügt. Diese Form der
asymmetrischen Kriegführung könnte im übrigen auch
die USA davor zurückschrecken lassen, einen
Präventivschlag zu führen. Denn der Iran könnte dazu
übergehen, sich in den irakischen Bürgerkrieg
einzumischen und seine schiitischen Glaubensbrüder
militärisch zu unterstützen.
Schließlich ist das Argument des
Kollateralschadens für die islamische Umma zu nennen. Im Falle
eines Nuklearangriffs gegen 6,5 Millionen israelische
Staatsbürger würden nicht nur Juden getötet, sondern
auch zahlreiche Araber, die unter den 22,8 Prozent Nichtjuden den
größten Anteil stellen. Siedlungsgebiete im Gazastreifen
sowie im Westjordanland könnten je nach Detonationsort
erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Iran müsste
damit rechnen, dass sich seine bilateralen Beziehungen zu den
Grenznachbarn Israels (Libanon, Syrien, Jordanien, Ägypten),
die wenigstens durch den zu erwartenden atomaren Fall-out betroffen
sein werden, erheblich verschlechtern, ja dass sie eventuell sogar
Gegenmaßnahmen ergreifen. Schließlich ist zu bedenken,
dass durch eine Atombombe eine Druckwelle ausgelöst werden
würde, die 50 Prozent einer Nuklearexplosion ausmacht (weitere
35 Prozent betreffen die Wärmeentwicklung, 15 Prozent die
radioaktive Strahlung). Sollte die Detonation nahe Jerusalems
erfolgen, könnten dadurch sowohl der Felsendom als auch die
Al-Aksa-Moschee zerstört werden. Beide zählen nach Mekka
und Medina zu den wichtigsten heiligen Stätten des
Islams.
Aus dieser Sicht erscheint der
präventive Einsatz einer iranischen Atombombe geradezu
widersinnig. Wenn diese Logik zutrifft, warum sollte Teheran dann
dennoch versuchen, ein militärisch nutzbares Atomprogramm zu
errichten? Wenigstens zwei Motive sind offensichtlich: Einerseits
würde die Verfügbarkeit über Atombomben eine enorme
Statusaufwertung in der muslimischen Welt zur Folge haben, in der
bislang nur Pakistan eine nachgewiesene A-Waffen-Kapazität
besitzt. Andererseits könnte der Iran dem Beispiel Nordkoreas
folgen und versuchen, die nukleare Option politisch zu
instrumentalisieren. Für letzteres dürften die Anreize
auf der Seite der Mullahs besonders hoch sein. Denn diese sind sich
nicht nur ihres ungünstigen geostrategischen Umfeldes, sondern
auch der westli-chen Antipathien für ihr Gesellschaftssystem
bewusst. Die nukleare Option wäre der dauerhafte Garant gegen
jeden militärischen Einmischungsversuch von außen. Der
Iran befindet sich somit weniger mit den USA als vielmehr mit
Israel auf einem gefährlichen Kollisionskurs. Wenn es zum
Schwur kommt, wird die Regierung Scharon ihre Entscheidung
über einen Präventivschlag nicht vom Handlungswillen,
sondern von den potenziellen Handlungsfähigkeiten des Gegners
abhängig machen.
Zurück zur Übersicht
|