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Martin Ebbing
Irans letzte Chance zum Kompromiss
Der europäische Versuch zur Lösung der
Probleme
Dr. Seyed Hossein Mousavian, der Führer der iranischen
Delegation bei den Verhandlungen in Paris, sah am Ende der
Gespräche schon eine neue Zukunft am Horizont. "Wenn die
Einigung von allen vier Parteien akzeptiert wird, werden wir in
nicht allzu ferner Zukunft Augenzeuge eines bedeutenden Wandels in
Irans Beziehungen zu Europa und dem großen Teil der
internationalen Gemeinschaft", träumte er am Ausgang des
Sitzungssaals laut in die Mikrophone der Reporter.
20 Stunden lang hatte er mit den Vertretern
Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands (den EU-3) um
einen Kompromiss im Streit über das iranische Atomprogramm
gerungen. Die Europäer verlangen von Teheran den Verzicht auf
den Bau einer Anreicherungsanlage, die es technisch
ermöglichen würde, Uran soweit zu konzentrieren, dass es
nicht nur als Brennstoff für Reaktoren, sondern auch als
Sprengstoff einer Atombombe genutzt werden kann. Dieser Verzicht
soll mit einer ganzen Reihe von Vergünstigungen belohnt
werden. Dem Iran soll die Lieferung von Uran für den im Bau
befindlichen Reaktor sowie für weitere geplante Atomkraftwerke
garantiert werden. Neben anderer ziviler Nukleartechnologie wurde
ein Leichtwasserreaktor aus europäischer Fertigung in Aussicht
gestellt, um den iranischen Forschungsreaktor zu ersetzen, bei
dessen Betrieb Plutonium als Nebenprodukt abfällt, das sich
für eine Bombe nutzen lässt. Hinzu kommen wirtschaftliche
und politische Angebote.
Der Iran dagegen beharrt darauf, als Unterzeichner des
Atomwaffensperrvertrages das Recht zu besitzen, einen kompletten
Brennstoffzyklus für Nuklearenergie zu entwickeln, und dazu
gehöre auch eine Anreicherungsanlage. Vom Abbau des Uranerzes
in den eigenen Minen in der Nähe von Yazd über die
Umwandlung des Urans in einen gasförmigen Zustand in einer
Anlage in Isfahan und die Anreicherung zu einer höheren
Konzentration in Natanz bis zum Einsatz im Reaktor in Bushehr soll
alles in iranischer Hand sein und das Land mit seiner
Nuklearenergie autonom sein. Dazu wird beteuert, an den Bau einer
Atombombe sei nicht gedacht.
Die Anreicherungsanlage, das Kernstück eines solchen
Zyklus, ist zu einer Frage des nationalen Stolzes geworden, die
alle politischen Gruppen, von den erzkonservativen bis hin zu
oppositionellen, vereint. Der Iran will wie jeder andere Staat der
Welt behandelt werden. Hinter den Kulissen findet aber eine heftige
Kontroverse über den weiteren Kurs statt. Während die
Reformer die Atomfrage als Chance sehen, die Anerkennung als
gleichwertiges Mitglied der internationalen Gemeinschaft erzwingen
zu können, wollen die Konservativen sich zumindest die Option
auf den Bau einer Bombe offen halten. So sind die moderaten
Kräfte bereit, sich gegen entsprechende Zugeständnisse
des Westens die Anreicherungsanlage abhandeln zu lassen,
während die Rechten an ihr festhalten wollen und bereit sind,
den offenen Bruch zu riskieren.
So lautstark die friedlichen Absichten von den politischen
Repräsentanten des Irans auch vorgetragen werden, so schwer
fällt es, sie für bare Münze zu nehmen.
Voraussetzung dafür wäre, dass man den friedlichen
Beteuerungen auch trauen kann. Es existieren zwar keine Hinweise
darauf, dass Teheran tatsächlich den Bau einer Atombombe
betreibt, aber Irans Verhalten in der Vergangenheit ist Anlass zur
Skepsis. Über Jahre hinweg wurden im Geheimen Anlage gebaut,
ohne die Atomenergiebehörde in Wien (IAEA) davon zu
informieren. Teheran bezog Pläne und Rat von Abdul Qadir Khan,
dem "Vater der pakistanischen Atombombe". Zudem ist Teheran die
Antworten auf einige technische Fragen der internationalen
Atomenergiebehörde, die Zweifel an den friedlichen Absichten
ausräumen würden, noch schuldig.
Aufgrund dieser Zweifel hat der Gouverneursrat der IAEA auf
seiner letzten Sitzung im Oktober den Iran aufgefordert, den Bau
der Anreicherungsanlage auszusetzen. Erklärt das Land sich
nicht dazu bereit, dann droht ihm die Überweisung der Frage an
den UN-Sicherheitsrat, der Strafmassnahmen verhängen
könnte. Vor diesem Hintergrund waren die Gespräche mit
den EU-3 in Paris für Teheran die letzte Chance, noch einen
Kompromiss zu erreichen. In dieser Woche wird IAEA-Generaldirektor
Mohamed El-Baradei seinen neuesten Bericht zum Iran vorlegen, auf
dessen Grundlage der Gouverneursrat am 25. November seine
Entscheidung treffen wird.
Über die Details der Pariser Vereinbarung ist
öffentlich nichts bekannt geworden, aber Diplomaten
ließen erkennen, dass zwar eine Annäherung, aber keine
Einigung in den strittigen Fragen erreicht worden ist. So hat sich
der Iran bereit erklärt, den Bau der Anreicherungsanlage
auszusetzen, so lange weiter verhandelt werde, eine endgültige
Einstellung aber definitiv ausgeschlossen. Zudem werden
Vorleistungen verlangt wie die Zusage der Europäer, eine
Überweisung des Falls Iran an den Sicherheitsrat zu
blockieren, bevor der Bau der Anlage suspendiert wird.
Dies ist den europäischen Staaten zu wenig. Sie stehen
unter dem Druck, eine Vereinbarung zu erzielen, die auch von den
USA akzeptiert wird. Wa-shington hat sich mit öffentlichen
Kommentaren zur Vereinbarung bislang zurückgehalten,
lässt aber erkennen, dass nichts anderes als ein
überprüfbarer, endgültiger Verzicht auf die
Anreicherung in Frage kommt.
Diese kompromisslose Haltung stärkt den Europäern in
den Verhandlungen mit dem Iran zwar den Rücken, sorgt aber
nicht unbedingt für Gelassenheit. Auch in Teheran weiß
man, dass in den europäischen Hauptstädten lange
darüber nachgedacht wurde, wie man auf die schiefe Bahn
geraten konnte, die in dem politischen Desaster im Irak endete. Mit
der gegenwärtigen Initiative will man eine solche Entwicklung
schon in Ansätzen verhindern.
Am 11. November verschickte Teheran seine Stellungnahme zu den
Ergebnissen von Paris. Nach Angaben von Diplomaten zeigt der Iran
darin zwar Entgegenkommen, erfüllt aber nicht vorbehaltlos die
europäischen Kriterien.
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