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Helmut Merschmann
Eine Mail ans Enkelkind
Wie Silver-Surfer leichter ins Netz kommen
sollen
Durchschnittlich 28,2 Prozent der über 50-Jährigen
nutzen das Internet. Zu wenig, findet die Bundesregierung und will
mit einer "IT-Qualitätsoffensive" den Senioren, der "neuen
Generation", den Weg in die Informationsgesellschaft weisen.
Wer heute nicht über einen Internet-Zugang verfügt,
hat es nicht leicht. Behördengänge müssen noch zu
Fuß erfolgen, die Kontoführung bei der Bank erfordert
persönliche Anwesenheit, und Briefpapier, um mit Freunden
Kontakt zu halten, soll es in Kramläden ja auch noch geben.
Einfacher könnten diese Dinge allerdings per Internet
geschehen. Wer deshalb den Umgang mit dem weltweiten Datennetz
einmal gewohnt ist, möchte es nicht mehr missen. Das gilt
für mittlerweile 53 Prozent der Bundesbürger. Doch die
Pläne der Regierung sehen noch ehrgeiziger aus: "Die
Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, 75 Prozent der
Bevölkerung bis zum Jahr 2006 ins Netz zu bringen",
erklärte Staatssekretär Ruhenstroth-Bauer aus dem
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
kürzlich auf einer Veranstaltung in Berlin. Vor allem die
Älteren hat er dabei im Visier.
Bereits Ende der 90er-Jahre, als die Massenverbreitung des
Internets begann, entstanden unzählige Initiativen, die
"Senioren ans Netz" zu bringen: vom "Internet-Führerschein"
für Senioren, den heute noch viele lokale
Bildungseinrichtungen anbieten, über Netzcafés in
Altenheimen bis zu speziell auf die Interessen Älterer
zurechtgeschnittenen Foren und Chat-Räumen. Die Politik lobte
Seniorenpreise im Bereich Multimedia aus und bezuschusste
zahlreiche Projekte. Vom "Digital Divide" war damals viel die Rede,
davon, dass die Senioren der "Wissenskluft", die das Internet
hervorbringen könnte, als Erste zum Opfer fallen.
Die hoch fliegenden Erwartungen, was die Teilhabe der Generation
50plus an den Freuden der Informationsgesellschaft anbelangt, haben
sich nicht ganz erfüllt. Der Vision von einer multimedialen
Gesellschaft macht alljährlich der "(N)onliner Atlas" einen
Strich durch die Rechnung. In bestimmten Altersgruppen und
Gesellschaftsschichten herrscht eine hartnäckige Resistenz
gegenüber dem Internet vor. Gerade der Anteil der über
60-Jährigen steigt längst nicht so stark an, wie noch vor
Jahren erhofft und prognostiziert: Während 50,3 Prozent der
50- bis 59-Jährigen das Netz regelmäßig nutzen, sind
es bei den 60- bis 69-Jährigen nur noch 25,3 Prozent, und die
über 70-Jährigen sind mit bloß 8,8 Prozent
vertreten. Von den 29 Millionen in Deutschland zur Gruppe der
über 50-Jährigen zählenden Menschen besitzen im
Schnitt 28 Prozent eine Internet-Kompetenz. Das ist nicht gerade
viel.
Aus diesem Grund hat das Bundesfamilienministerium zusammen mit
der Initiative D21, einem Bündnis aus Politik und
IT-Wirtschaft, die "Qualitätsoffensive ?Mittendrin im Leben -
Ganz einfach Internet'" ausgelobt. Die Aktion sieht ein auf die
ältere Generation maßgeschneidertes Surf-Paket vor,
bestehend aus einem Notebook inklusiver gängiger
Büro-Software, einem Breitband-Anschluss und einem
dreistündigen Internetkursus. Außerdem nimmt ein
Techniker vor Ort die Installation der Komponenten vor, richtet die
Geräte ein und installiert den Netzzugang. Das Paket kann in
jedem T-Punkt geordert werden.
Besonders vom Vorort-Service verspricht man sich viel. Denn die
Gründe für die Zurückhaltung Älterer in Sachen
Internet liegen vor allem in technischen Barrieren. Wer in jungen
Jahren nicht gerade ein Ingenieursstudium absolviert hat, traut
sich den Umgang mit dem Computer oft nicht zu. Die Rechner gelten
als zu kompliziert, die Installation von Software als zu heikel,
ganz zu schweigen von der kompetenten Bedienung der
Softwareprogramme oder von der Feinabstimmung nachträglich
eingebauter Komponenten. Das wagen sich viele Novizen am PC nicht.
Und sie mögen auch nicht Freunde und Bekannte um Hilfe
bitten.
Der Hintergrund der "IT-Qualitätsoffensive" liegt auch im
demographischen Wandel begründet: Da unsere Gesellschaft immer
mehr altert, ist die Teilhabe an Zukunftstechnologien wie dem
Internet für Senioren umso wichtiger. Ein grassierender
Jugendkult und die Überbetonung des Juvenilen in den Medien
hat zu einer gewissen Stigmatisierung und Ausgrenzung von
älteren Menschen geführt. Hier gegenzulenken und vom
Leitbild Jugend abzurücken, soll mit dem Vorstoß aus dem
Bundesfamilienministerium erzielt werden.
Den Ausschlag muss jedoch die Eigeninitiative der Senioren
geben, ihr Interesse, den Umgang mit Internet und E-Mail zu
erlernen. Über die finanziellen Ressourcen verfügen die
meisten von ihnen. Denn die Hälfte der Kaufkraft liegt derzeit
bei den über 50-Jährigen. Die jetzt ins Rentenalter
eintretende Generation ist die insgesamt wohlhabendste, die es je
gegeben hat. Immobilienbesitz, Sparguthaben, Aktien und sonstige
Geldanlagen sind bei allen Haushaltsgruppen älterer Menschen
überdurchschnittlich hoch. Dagegen nehmen sich die
Sozialhilfe-Fälle in der Gruppe der über 65-Jährigen
mit gerade einmal 1,3 Prozent, im Gegensatz etwa zu den unter
18-Jährigen, wo es 6,6 Prozent sind, bescheiden aus.
Ihre finanzielle Absicherung ermöglicht vielen älteren
Menschen, einen ebenso aktiven wie mobilen Ruhestand zu
führen. Hier tritt das Internet ins Spiel: Für
Theaterkarten muss dann nicht mehr angestanden werden - sie
können im Netz bequem gebucht und bezahlt werden.
Reiseschnäppchen lassen sich genauso einfach machen, wie die
Wassertemperatur am Urlaubsort im sonnigen Süden in Erfahrung
zu bringen. Über Gesundheitsthemen kann man sich in Newsforen
unkompliziert mit anderen Betroffenen auf einer persönlichen
Ebene austauschen. Und der Familienkontakt lässt sich via
E-Mail einfach besser pflegen. Dass sich Großeltern und Enkel,
wie mancherorts befürchtet, einmal nichts mehr zu sagen haben,
liegt dann zumindest nicht an technischen Barrieren.
Links:
www.50plus-ans-netz.de/mittendrin
www.nonliner-atlas.de
www.initiatived21.de
Helmut Merschmann arbeitet als freier Journalist in Berlin.
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