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Imke Rosebrock
Wer bin ich ohne Job?
Früh in Rente, und was dann?
"Guten Tag, mein Name ist Lohse, und ich kaufe hier ein",
verkündet Frühpensionär Heinrich Lohse an der Theke
im Krämerladen. Und handelt sich mit seinem weltfremden Gehabe
die fassungslosen Blicke der Anwesenden ein. Unbeirrt führt
Herr Lohse seinen Einkauf fort und verlässt den Laden mit
einem Dreijahresvorrat an Senfgläsern. Wer mehr kauft, bekommt
eben Rabatt. Das hat er in seiner früheren Tätigkeit als
Chefeinkäufer seiner Firma gelernt.
Heinrich Lohse, dargestellt von Loriot in dem Film "Pappa ante
portas", wurde in die Frührente abgeschoben, weil er auch
für seinen Betrieb einen tollen Mengenrabatt ausgehandelt und
Schreibmaschinenpapier gleich für die nächsten 40 Jahre
geordert hatte. Mit Ende 50 aus dem Arbeitsleben entlassen, sucht
er nach neuen Aufgaben.
So wie der Filmfigur des Heinrich Lohse geht es vielen
Arbeitnehmern, zumindest was das verfrühte Ausscheiden aus der
Welt des regelmäßigen Erwerbs angeht. Das faktische
Renteneintrittsalter liegt in Deutschland bei durchschnittlich 60
Jahren. Viele aber gehen noch früher. Wer mit Mitte 50 seinen
Job verliert, wird kaum eine neue Stelle finden und
überbrückt die Zeit bis zum Renteneintritt vielleicht mit
einer Abfindung und dem Geld vom Arbeitsamt. So hangeln sich viele
Ältere auf die eine oder andere Weise irgendwie rüber in
die Rente.
Nicht jeder erleidet einen "Pensionierungsschock". Im Gegenteil.
Viele sind froh, endlich "draußen" zu sein, sagen Experten.
Denn in den letzten Arbeitsjahren überlässt die Mehrheit
der deutschen Arbeitgeber ihre älteren Angestellten sich
selbst. Unmotiviert, unflexibel, nicht belastbar: So lautet das
gängige Vorurteil in den Köpfen vieler Personalchefs.
Dabei tragen viele Unternehmen selbst dazu bei, dass manche der
Älteren schlichtweg die Nase voll haben. Denn Fortbildungen
und Schulungen sind für Arbeitnehmer über 50 eher die
Ausnahme. Gesundheitliche Prävention, altersgerechte
Arbeitsplätze und angepasste Pausenregelungen ebenso, klagen
Fachleute. Entsprechend demotiviert und nicht mehr auf dem neuesten
Stand, reißt man schließlich die letzten Jahre im Beruf
mit oftmals eintönigen Aufgaben ab.
Wer in der Arbeitswelt nicht mehr gebraucht wird, benötigt
ein starkes Selbstbewusstsein. Männer haben meist
größere Probleme, mit dem Ruhestand klar zu kommen. Das
erklären Psychologen vor allem damit, dass sie sich nach wie
vor stärker über ihren Beruf definierten. Und die jetzige
Generation "50Plus" hat zudem noch meist eine geradlinige
berufliche Laufbahn hinter sich. Frauen dieses Alters hingegen
haben häufig durch Kinder und Familie eher Unterbrechungen und
Umorientierungen in ihrem Arbeitsleben erfahren. Sie beziehen ihr
Selbstbewusstsein oft darüber, dass sie den Spagat zwischen
Familie und Beruf überhaupt vollbracht haben.
Das mag sich in Zukunft ändern. Schließlich
müssen heute auch Männer mit mehr Brüchen in der
Erwerbsbiografie rechnen. Kaum ein Schulabgänger glaubt noch
ernsthaft daran, dass er bis zur Rente in ein und demselben Beruf
oder gar Betrieb arbeiten wird. Wer sich schon während des
Arbeitslebens ständig neu orientieren musste und auch mal
Phasen der Arbeitslosigkeit miterlebt hat, wird vielleicht anders
mit der Rente umgehen. Der "Pensionierungsschock", als ein Relikt
aus einer Zeit, als es noch genügend Arbeit gab, könnte
abgelöst werden: Durch einen lebenslanges Hin und Her zwischen
beruflicher Krise, Beschäftigung und Erfolg.
Imke Rosebrock ist freie Journalistin in Berlin.
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