Christian Hauck
Entscheidung mit Signalwirkung
Schleswig-Holstein drei Monate vor den
Landtagswahlen
Noch im Frühsommer standen für die CDU in
Schleswig-Holstein und ihren Spitzenkandidaten Peter Harry
Carstensen die Zeichen auf Sieg. Nach dann fast 17 Jahren
sozialdemokratisch geführter Regierungen erschien der
Machtwechsel an der Förde am 20. Februar hin zu einer
schwarz-gelben Koalition als reine Formsache. Doch in nur wenigen
Wochen hat sich das Bild völlig gewandelt. Knapp drei Monate
vor dem Urnengang deuten alle Umfragen und Prognosen auf ein
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der rot-grünen Regierung von
Ministerpräsidentin Heide Simonis und ihrem bürgerlichen
Herausforderer hin. In den Zentralen der Parteien hat das
inzwischen erste Überlegungen ausgelöst, die am Ende die
politische Farbenlehre gründlich durcheinander bringen
könnte.
Der Entscheidung im Norden messen Beobachter große
Signalwirkung bei. Erstmals nach der Bundestagswahl 2002 steht in
Schleswig-Holstein eine rot-grüne Koalition auf dem
Prüfstand. Nur drei Monate später muss sich dann im
bevölkerungsreichen Nord-rhein-Westfalen
Ministerpräsident Peer Steinbrück - ehemals
Wirtschaftsminister in Kiel - dem Urteil der Wähler stellen.
Gelingt der Union in beiden Ländern der Machtwechsel,
hätte sie eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundesrat und
könnte damit die Bundesregierung praktisch total
blockieren.
CDU-Hilfe aus Berlin
Seinen Wahlkampfstart im Sommer hatte Spitzenkandidat Carstensen
gründlich verpatzt. Zunächst sorgte der 56-jährige
Landwirtschaftslehrer und Bundestagsabgeordnete von der Insel
Nordstrand mit einer Brautschau in der "Bild"-Zeitung für
negative Schlagzeilen. Als ihm dann auch noch die Präsentation
seines Schattenkabinetts misslang und der bis dahin geheim
gehaltene Entwurf des Wahlprogramms an die Medien durchgesteckt
wurde, schaltete sich Parteichefin Angela Merkel ein. Sie entsandte
den früheren Generalsekretär Willi Hausmann in den
Norden. Der wiederum installierte einen Profi in der
Parteizentrale. Seither läuft der Wahlkampf der
Christdemokraten rund. Zentrale Themen sind die Bildungspolitik,
die Wirtschaftsflaute, die Schuldenlast des Landes sowie die aus
Sicht der CDU überbordende Umweltbürokratie.
Wer kann mit wem koalieren?
Doch das Ringen der beiden Spitzenkandidaten um
Popularitätswerte und der inhaltliche Schlagabtausch sind nur
vordergründig. Längst bereiten zwei
schleswig-holsteinische Besonderheiten den politischen Strategen
beider Lager zunehmend Kopfzerbrechen, da sie eine Mehrheitsbildung
erschweren könnten. Zum einen ist der Südschleswigsche
Wählerverband (SSW) als Partei der dänischen Minderheit
von der Fünf-Prozent-Hürde befreit und somit wieder
sicher im Parlament vertreten. Zum anderen droht im Landtag
unerwünschter Zuwachs von Rechtsaußen. Immer wenn in
Deutschland rechtsextreme Gruppierungen auf einer Erfolgswelle
schwammen, gelang ihnen im Norden auf Anhieb der Sprung ins Haus an
der Förde, so der NPD 1967 und der DVU 2002. Für die
bevorstehende Wahl haben beide angekündigt, ihre Kräfte
zu bündeln. Daher tritt diesmal nur die NPD an.
Am komfortabelsten stellt sich die Gesamtsituation zur Zeit
für Ministerpräsidentin Simonis dar. Mit den Grünen
unter Spitzenkandidatin und Justizministerin Anne Lütkes hat
sie einen treuen Partner an ihrer Seite, dem die Prognosen im
Norden sogar ein zweistelliges Ergebnis vorhersagen. Der SSW
verzichtet zwar auf eine Koalitionsaussage, wäre aber, falls
notwendig, zur Tolerierung einer rot-grünen
Minderheitsregierung bereit. Carstensen hätte es dagegen
deutlich schwerer, eine Mehrheit zusammen zu bekommen. Die FDP will
zwar an der Seite der CDU die Macht erobern, hat aber bewusst keine
Koalitionsaussage beschlossen. Wenn die Sitzverteilung Schwarz-Gelb
nicht hergibt, sei man nicht auf die Oppositionsbank abonniert,
heisst es bei der FDP. Ihr Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki, dem
ohnehin sozialliberale Ambitionen nachgesagt werden, wird derweilen
nicht müde, seine FDP vor allem in innen- und
wirtschaftspolitischen Fragen von den Christdemokraten
abzusetzen.
Zumindest in der CDU-Landtagsfraktion macht man sich daher schon
Gedanken für den Fall, dass es am 20. Februar irgendwie nicht
reichen könnte. Auch wenn in der Landeshauptstadt
CDU-Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz mit einer
schwarz-grünen Koalition weitgehend reibungslos regiert, gilt
diese Konstellation auf Landesebene als (noch) nicht durchsetzbar.
Kein Wunder, dass Unionsgrößen im Landeshaus inzwischen
mehr oder weniger offen an ein Spargelessen im vorvergangenen
Sommer erinnern. Zur Halbzeit der Legislaturperiode hatten sich im
Hause eines SPD-Landtagsabgeordneten zwei Minister der
Simonis-Regierung ohne Wissen ihrer Chefin mit
CDU-Funktionsträgern getroffen und Möglichkeiten für
eine große Koalition sondiert.
Zurück zur
Übersicht
|