Wortlaut der Reden
Wilfried Böhm (Melsungen), CDU/CSU | Ludwig Eich, SPD >> |
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mich schmerzt es, daß diese Debatte, so gut und interessant sie ist, überhaupt geführt werden muß. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Seit über 40 Jahren haben sich doch alle Demokraten zu Berlin als der Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschlands bekannt und Bonn als das Provisorium bis zu dem Zeitpunkt bezeichnet, an dem Berlin seine Funktion als Hauptstadt wieder ausfüllen kann. Voraussetzung der heutigen Debatte hätte darum eigentlich sein müssen, alle entsprechenden Beschlüsse des Deutschen Bundestages aus vier Jahrzehnten aufzuheben und zu bekennen, daß man entweder das früher gegebene Wort zu brechen bereit ist, daß man es früher so ernst nicht gemeint hat, oder -- was am schlimmsten wäre -- im stillen gar gehofft hat, es nie einlösen zu müssen. Daher geht es heute nicht um die Frage von Zweckmäßigkeiten und lieben Gewohnheiten, sondern es geht um die Zuverlässigkeit der deutschen Politik, die Zuverlässigkeit der Versprechungen des Deutschen Bundestages und die persönliche Glaubwürdigkeit der Politiker. Heute wurde mehrfach behauptet, diese Argumentation sei rückwärtsgewandt. Dem widerspreche ich energisch. Sie richtet vielmehr den Blick nach vorn; denn in der Demokratie ist die Glaubwürdigkeit der handelnden Politiker das Fundamt der Zukunftsgestaltung. Für mich ist die CDU die Partei der deutschen und europäischen Einheit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Darum gehöre ich ihr an. Unzählige Parteitagsbeschlüsse und Bekenntnisse, klare Aussagen ihrer führenden Politiker haben die Einheit Deutschlands in einem Atemzug mit der Hauptstadt Berlin als unveräußerliches Ziel der CDU genannt. Das gültige Grundsatzprogramm von 1978 formuliert: »Berlin bleibt die Hauptstadt von ganz Deutschland.« Für unsere Schwesterpartei, die CSU, bekannte Franz Josef Strauß am 25. April 1974 in Berlin, daß diese Stadt für uns die Hauptstadt Deutschlands war, die Hauptstadt Deutschlands ist und nach der politischen Wirklichkeit von morgen wieder die Hauptstadt Deutschlands sein wird. Ich fühle mich im Wort, ich stimme für Berlin. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) In den Jahrzehnten der Teilung unseres Vaterlandes haben wir unzählige ausländische Gäste nach Berlin an die schreckliche Mauer geführt. Wir haben sie gebeten: Helft uns, die Einheit in Frieden und Freiheit zu erreichen, helft uns, daß Berlin als Symbol des Freiheitswillens der Deutschen seine Aufgabe als Hauptstadt wieder erfüllen kann. Viele Freunde aus aller Welt haben uns geholfen, dieses Ziel zu erreichen, weil sie uns heute als Europäer akzeptieren und uns das Recht auf unsere nationale Identität selbstverständlich zugestehen, wie sie selbst die ihre für sich in Anspruch nehmen. Viele von ihnen schauen verständnislos auf die Hauptstadtdebatte, die die Deutschen vom Zaune gebrochen haben. Was wird Michail Gorbatschow über diese Deutschen denken, wenn er sich an die mutigen und klaren Worte des Oberbürgermeisters der Stadt Bonn erinnert, der ihm in völliger Übereinstimmung mit der Politik der CDU im Januar 1989 ins Gesicht gesagt hat, die Verantwortlichen im Bonner Rathaus seien sich der Aufgabe bewußt -- ich zitiere -, »Hauptstadt eines Staates zu sein, der sich selbst nicht als endgültig empfindet, dessen Ziel die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit mit der Hauptstadt Berlin ist«? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD -- Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Damit hatte er recht!) Der Trick, Berlin zwar Hauptstadt zu nennen, die Hauptstadtfunktionen aber von Bonn aus auszuüben, ist absurd. In 155 von 160 Staaten dieser Welt gilt das Normale: Hauptstadt ist da, wo Parlament und Regierung eines Staates ansässig sind. Hauptstadtfunktion wird durch die Anwesenheit von Staatsoberhaupt, Parlament und Regierung überhaupt erst begründet. Alles andere ist fauler Zauber, Mogelei, bestenfalls Formelkompromiß. In 95 % aller Staaten dieser Welt gibt es keine Aufgabenteilung. Die Niederlande sind kein Gegenbeispiel. Von Den Haag nach Amsterdam sind es ganze 30 km, so viel wie vom Wannsee in die Berliner City. Hauptstadt ist eben auch ein Symbol wie Fahne und Hymne. Berlin aber ist für mich ein deutsches Symbol in allen Höhen und Tiefen unserer Geschichte, und das gerade dann, wenn wir Deutschen so normal sein wollen wie die anderen auch. Ich danke Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort hat der Abgeordnete Eich. |