Wortlaut der Reden
Maria Michalk, CDU/CSU | Ina Albowitz, FDP >> |
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Eigentlich wollte ich meine Rede jetzt auch zu Protokoll geben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Aber ich will die Zeit nutzen, bis die anderen Kollegen ihre Reden aus der Tasche gezogen und abgegeben haben, und diese Zeit überbrücken. Also werde ich doch reden. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, selbst in dem sogenannten Tal der Ahnungslosen, wie man früher den damaligen Bezirk Dresden bezeichnete, hat uns jedes Jahr mehrmals die Nachricht erreicht, daß Berlin, wenn Deutschland ein einig Vaterland ist, die Hauptstadt des vereinten Deutschlands ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben diese Hartnäckigkeit der Abgeordneten in diesem Parlament mit Bewunderung aufgenommen. Nun ist es soweit, aber jetzt sollen Parlament und Regierung getrennt werden bzw. nicht nach Berlin kommen. Es wird gesagt, daß die Bonner Region ohne Parlament und Regierung eine sterbende Region sei. Ich habe aber um Bonn keine Sorge, genausowenig wie um meine Heimatregion, wo man in einer 2 500 Mann zählenden Kommune einen Betrieb mit 900 Beschäftigten stillgelegt hat, mit Wach- und Schließgesellschaft davor. Wir werden für diese Leute genauso eine Zukunft finden wie für Bonn auch. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Was ist geschehen, daß Berlin der Hauptstadtanspruch heute streitig gemacht wird? Hat Berlin sich dieses Anspruches als unwürdig erwiesen, oder hat es die Nation blamiert? Ist ihm Feigheit oder Materialismus vorzuwerfen? In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg widerstanden Millionen halbverhungerter Menschen in Berlin der Einschüchterung und Abschnürung durch die Rote Armee. Man ertrotzte die Aufhebung der Blockade und überstand das Berlin-Ultimatum. Zirka 300 Arbeitsplätze gingen verloren, fast alle relevanten Unternehmen orientierten sich westwärts. Aber die Stadt blieb ein verläßlicher Pfahl im Fleisch der DDR. Sie blieb immer Symbol der Freiheit. Sie hätte nicht überleben können, wenn die Bundesrepublik nicht materiell und politisch geholfen hätte. Der Durchhaltewillen der Berliner wurde immer bekräftigt. An diesem Punkt stehen wir heute und müssen entscheiden. Wir haben Argumente ausgetauscht, wir haben nach Kompromissen gesucht, wir haben diskutiert, haben uns gestritten. Wir sind uns einig, daß wir heute keine neuen Argumente finden. Deshalb will ich Ihnen -- ich will meine Rede gar nicht fortführen -- zum Schluß eigentlich das sagen, was mich heute früh bewegt hat. Als ich heute morgen das Blatt in meinem Kalender, wie ich es jeden Tag tue, abgerissen habe, fand ich einen Spruch, und der hat mich sehr verwundert, denn als die Kalendermacher die Kalender für 1991 druckten, wußten sie nicht, daß am 20. Juni 1991 diese wichtige Frage im Bundestag entschieden wird. Was stand nun heute auf meinem Kalenderblatt? Die stärkste Kraft reicht nicht an die Energie heran, mit der manch einer seine Schwäche verteidigt. Zeigen wir doch heute mit unserer Entscheidung, daß wir als erstes frei gewähltes Parlament kein schwaches sind, sondern die Kraft haben, Unbequemlichkeit in Kauf zu nehmen, aber glaubwürdig zu sein. Deshalb werde ich für Berlin stimmen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort hat die Abgeordnete Frau Albowitz. |