Wortlaut der Reden
Brigitte Schulte (Hameln), SPD | Hans Wallow, SPD >> |
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Hans Wallow, SPD Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Deutschen sind schon ein sonderbares Volk. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE -- Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Mein Gott!) Unsere Geschichte ist bedeutungsvoll und wechselhaft zugleich; Epochen der Geschlossenheit folgten lange Zeiten der Rivalität unter den Territorialfürsten und des unerfreulichen Glaubensstreits. Gleich nach der Wiedererlangung der staatlichen Einheit widmen wir uns unserem Lieblingsspiel: dem Kirchturmdenken und dem Glaubensstreit. Nichts Neues scheint uns Deutschen in den über 1 000 Jahren der Geschichte vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bis zur heutigen Bundesrepublik Deutschland eingefallen zu sein. Wir bleiben uns treu. Wie gern sehen wir uns als Dichter und Denker! Prüfen wir einmal, ob wir nicht doch am Ende alle mehr die Eignung zum Advokaten, zum Krämer, ja, zum Händler haben! Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage das mit vollem Ernst. Passen wir auf, daß diese Debatten nicht wieder die Chance einer inneren Versöhnnug in Deutschland verspielen. Dieser Glaubensstreit zwischen Berlin und Bonn könnte das bewirken. Ich bin nach meiner 15jährigen Mitarbeit in diesem Parlament außerordentlich traurig, daß wir es nicht fertiggebracht haben, Frau Präsidentin Süssmuth, einen gemeinsamen Vorschlag zu erarbeiten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE) Ich frage mich, warum es über Jahre ein Gremium wie den Ältestenrat gibt, wenn er nicht zusammengerufen wird, um über eine solche Frage zu beraten. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, mir wäre heute wohler zumute, wenn wir uns für Berlin, aber auch für Bonn aussprächen. Ich will die Debattenargumente nicht wiederholen. Ich sage Ihnen nur, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Wenn wir ehrlich sind, haben wir nach 41 Jahren westdeutschen Parlamentarismus Grund, über die Zukunft unserer Arbeit nachzudenken. Ersticken wir nicht schon lange in Ritualen und in Papier? Überlasten wir uns nicht selbst mit einer Fülle von Sitzungen und Tagesordnungspunkten, und vergessen wir dabei nicht, daß wir oftmals unsere eigenen Mitarbeiter und auch die Mitarbeiter in den Ministerien überfordern? Ich habe eindringlich für eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen dem Wahlkreis, der Arbeit in den Ausschüssen hier in Bonn und der Arbeit im Parlament in Berlin votiert. Prüfen wir uns, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Wie oft ist dieses Plenum nicht so voll, wie oft fehlen uns die Kolleginnen und Kollegen aber auch in den Fachausschüssen, wenn wir doch angeblich alle dort sind? Ich glaube, wir haben einen dringenden Bedarf, unsere Aufgaben neu zu regeln. Ich kann mir gut vorstellen, daß wir dies besser als in allen bisherigen Vorschlägen zwischen Berlin und Bonn tun könnten. Warum sollen eigentlich alle unsere Sitzungswochen nach dem gleichen Schema ablaufen? Warum nehmen wir uns nicht die Zeit zum Nachdenken? Schließlich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: In dieser hübschen Stadt, in der wir Parlamentarier ähnlich wie die hier anwesenden Journalisten und Botschafter ein bißchen im Glashaus leben, treffen wir da wirklich allein die Konflikte, die unsere Republik erschüttern? Solltenwir nicht einen neuen Rhythmus finden, der es uns erlaubt, Bonn und Berlin gerecht zu werden? Ich möchte Ihnen nur eines sagen: Ich glaube, wenn wir keine Alternative haben, werden wir heute in einer Kampfabstimmung eine Stadt verletzen und den Menschen in diesem Land einen großen Schaden zufügen. Ich werde, wenn wir keine Alternative haben, für Berlin votieren, aber ich biete meine Erfahrung wie hoffentlich die von Ihnen allen an, daß wir noch einmal darüber nachdenken, wie wir eine Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin herbeiführen können. Ich danke Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun hat sich als letzter Redner der Abgeordnete Wallow gemeldet. |