Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden
Ina Albowitz, FDP | Jürgen Augustinowitz, CDU/CSU >> |
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Bei der Debatte um den Sitz von Parlament und Regierung fällt heute die Entscheidung, und zwar nach meiner Auffassung für Bonn. Die Menschen in dieser Region brauchen jetzt Sicherheit bezüglich ihrer Zukunftspläne. Wir können doch die Bürger unserer Nation nicht jahrelang im ungewissen lassen. Bei einem Umzug nach Berlin werden in noch nie gekanntem Ausmaß Familien auseinandergerissen und Menschen ihrer Existenzgrundlage beraubt. Das kann und darf uns doch nicht unberührt lassen, zumal Berlin auch ohne Parlaments- und Regierungssitz als Folge der Einheit einem wirtschaftlichen Boom entgegensieht. Auch alle Teilungs-Modelle sind unakzeptabel. Ihre Verwirklichung würde die Arbeitsfähigkeit des Parlaments entscheidend beeinträchtigen. Das Parlament würde sich selbst degradieren und freiwillig auf Einfluss und Bedeutung verzichten. Wer anderes behauptet, will nicht sehen, wie stark zahlreiche Abgeordnete auf direkte Kontakte mit Mitgliedern der Ministerien angewiesen sind. Ein Beispiel will ich nur nennen: Der Haushaltsausschuss, dem ich angehöre, wäre nur beschränkt arbeitsfähig. Eine Teilverlagerung von Kernbereichen der Bundesregierung nach Berlin würde eine Sogwirkung auslösen, die zunächst Verbände, Medien, Botschaften und auf Dauer auch die gesamte Regierung erfassen würde. Auch das kann nicht unsere Absicht sein und ist abzulehnen. Natürlich muss die Hauptstadtfunktion Berlins in Zukunft verdeutlicht werden. Die Stadt sollte z. B. als bedeutsamer Schwerpunkt von Kultur und Wissenschaft gefördert werden. Aber tun wir Berlin wirklich einen Gefallen, wenn wir Regierung und Parlament verlagern? Bereits heute fehlen in der Region Berlin 170 000 Wohnungen. Dieser Mangel kann in absehbarer Zeit nicht abgebaut werden, weil immer mehr Menschen in die Hauptstadt drängen; der Fehlbestand würde sich durch eine Entscheidung für Berlin dramatisch vergrößern. Darauf haben das Finanz-, das Innen- und das Bauministerium in ihrem Bericht hingewiesen. Nicht vergessen werden dürfen in dieser Diskussion die Kosten der Verlagerung des Regierungssitzes, vor allem weil die Belastungen des Bundeshaushalts durch die deutsche Einigung ohnehin schon beträchtlich sind. Der Bundesfinanzminister hält es sogar für möglich, dass die Kosten einer Verlagerung von Parlament und Regierung nach Berlin weit über die im Prognos-Gutachten genannten 50 bis 60 Milliarden DM hinausgehen. Die Prognos-Gutachter sprechen ja selbst von Risiken in zweistelliger Milliardenhöhe. Da uns alle grossen öffentlichen Bauvorhaben gelehrt haben, dass Kostenschätzungen in den meisten Fällen sogar übertroffen werden, setzen wir uns mit der Berlin-Entscheidung einem finanzpolitischen Risiko aus, das unverantwortbar ist, weil wir ihm aus dem Weg gehen können. Berlin-Befürworter behaupten, die Verlagerung nach Berlin fördere den Aufbau der fünf neuen Bundesländer. Das bezweifele ich. Zum einen fehlen die für einen Umzug benötigten Milliarden dann an anderen Stellen, wo sie viel gezielter eingesetzt werden könnten. Zum anderen sind die Menschen in den neuen Ländern auch gar nicht begeistert, wenn erneut eine so starke Zentralisation auf Berlin erfolgt. Die Erfahrungen in der ehemaligen DDR, als die gesamte sonstige DDR unter der Konzentration der Mittel auf die Hauptstadt zu leiden hatte, sind noch in bester Erinnerung. Deshalb glaube ich auch nicht an die viel beschworene psychologische Wirkung. Vielmehr wünschen sich auch die neuen Bundesbürger einen starken föderalistischen Staat mit vielen regionalen Zentren. Aus diesem Grund befürworte ich, dass zahlreiche zentrale Bundeseinrichtungen in die neuen Länder verlagert werden. Die Wahrscheinlichkeit, solche Einrichtungen zu erhalten, wird bei einer Entscheidung pro Berlin für die neuen Bundesländer erheblich geringer sein. Das sollten auch Abgeordnete aus dem Beitrittsgebiet berücksichtigen. All diese Argumente können nur eine Entscheidung zur Folge haben: Parlaments- und Regierungssitz muss Bonn bleiben. Ich stehe zu Berlin als Hauptstadt des vereinten Deutschlands, aber dies darf nicht dazu führen, dass wir eine Entscheidung gegen das Wohl der Menschen treffen. |
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Jürgen Augustinowitz, CDU/CSU >> |