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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Wolf-Michael Catenhusen, SPD Albert Deß, CDU/CSU >>

Die Diskussion um Hauptstadt, Regierungssitz und Parlamentssitz im vereinten Deutschland ist einzigartig. Als Folge der Teilung Deutschlands haben Parlamente und Regierungen zweier Teilstaaten, in Bonn und Ost-Berlin gut 40 Jahre lang Traditionen aufgebaut. Gleichzeitig war in der Bundesrepublik Deutschland Bonn immer Provisorium, Ersatz, Verlegenheitslösung, bis wir uns in der Zweistaatlichkeit als Situation, die zu unseren Lebzeiten nicht mehr geändert werden konnte, innerlich eingerichtet hatten.

Nun hat die deutsche Einigung die Frage des Sitzes von Regierung und Parlament neu aufgeworfen. Ich plädiere dafür, daß Berlin nicht nur symbolisch Hauptstadt des vereinten Deutschland wird, sondern auch seine Rolle als Hauptstadt ausfüllt. Das kann dadurch geschehen, daß mittelfristig Regierung und Parlament ihren Sitz in Berlin nehmen.

Die Verlegenheitslösung der ersten Stunde Westdeutschlands muß in einer europäischen Umbruchzeit nicht ausschlaggebend sein. Berlin ist als Inselstadt auch nach dem Mauerbau weltweit Symbol des Freiheitswillens der Deutschen und Symbol gesamtdeutscher Identität geblieben. Daran können wir auch in die Zukunft anknüpfen.

Die Entscheidung für eine Hauptstadt des vereinten Deutschland ist eine Entscheidung mit langfristiger Perspektive. Sie geht weit über die nächsten 10 bis 15 Jahre hinaus. Sie darf deshalb auch nicht allein von der persönlichen Lebenssituation der von der Entscheidung Betroffenen, der Abgeordneten ebenso wie der Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung und Ministerien, getroffen werden. Die Entscheidung hat eine längerfristige Perspektive, weil ich nicht sehe, daß im Prozeß der europäischen Einigung über kurz oder lang die Bündelung und Ausführung deutscher Politik auf der Ebene des Bundesstaates entbehrlich werden wird.

Aussagen für Bonn oder Berlin leiten sich häufig aus der Kritik des Konkurrenten ab. Berlin steht für mich als zentraler Ort der schwierigen Geschichte Deutschlands als Nationalstaat. Es ist der zentrale Ort des enormen wirtschaftlichen Aufstiegs Deutschlands im 19. Jahrhundert, des Entstehens der sozialen Frage und der Arbeiterbewegung, des deutschen Parlamentarismus nach dem Anfang in der Paulskirche.

Berlin war auch Schauplatz der schrecklichen Verwirrungen des deutschen Nationalismus. Auch Paris und London legen für Phasen des Imperialismus und Kolonialismus Zeugnis ab. Berlin war aber nie die geistige Hochburg dieser Tendenzen. Berlin war, das vergessen wir leicht, nach 1918 die weltoffenste Stadt in Deutschland, gerade in der Öffnung zur europäischen und amerikanischen Kultur und Zivilisation.

Bonn zeichnet sich dadurch aus, daß es bis 1949 eine Geschichte als Bischofsitz, Behörden- und Universitätsstadt von regionaler Bedeutung besaß. Mir kommt es bisweilen so vor, als ob man in Bonn -- Paradebeispiel war dafür die Adenauerzeit -- besonders leicht die Aufarbeitung der eigenen Geschichte verdrängen konnte. Mit Bonn ist auch der Vorwurf des Raumschiffes verbunden. Verlieren wir nicht im idyllischen Umfeld des Parlaments die gesellschaftliche Wirklichkeit leichter aus den Augen als an einem zentralen Ort deutscher Geschichte und Kultur?

Bonn, so hört man bisweilen, sei Symbol eines friedfertigen, der Machtpolitik abholden, überschaubaren, föderalen neuen Deutschland geworden. Ich denke, daß in erster Linie das Grundgesetz unseres Landes uns diese historische Entwicklung eröffnet hat, für die wir sicher alle dankbar sind. Eine Weiterentwicklung dieses festen Fundaments ist für mich in Berlin genauso möglich.

Berlin und Bonn liegen in einer Grenzlage, sie öffnen beide unseren Blick nach Europa. Nach Abschluß der Phase der Westintegration ist der Blick ins gesamte Europa für die Zukunft sicher von besonderer Bedeutung.

Albert Deß, CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_114
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