Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden
Dr. Egon Jüttner, CDU/CSU | Volker Kauder, CDU/CSU >> |
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In den vergangenen Wochen sind wir alle mit Briefen über den künftigen Regierungs- und Parlamentssitz überhäuft worden. Für die meisten von uns haben diese Briefe nicht mehr zur Entscheidungsfindung beitragen können. Zum einen steht die Meinung der meisten Abgeordneten schon seit längerem fest, zum anderen ergaben sich keine neuen Argumente mehr. Wir wissen alle, daß beide Städte -- Berlin und Bonn -- gute Argumente haben. 40 Jahre lang gab es bei uns keine Zweifel, daß bei einer Wiedervereinigung Berlin wieder die Hauptstadt Deutschlands mit allen Konsequenzen, was Regierungs- und Parlamentssitz betrifft, werden sollte. Im Herbst 1949 erklärte der Bundestag, daß nach einer Wiedervereinigung die leitenden Bundesorgane ihren Sitz nach Berlin verlagern würden. Würde man dies jetzt nicht einlösen, ginge sicher ein gehöriges Stück Glaubwürdigkeit verloren. Andererseits gibt es heute, nach 40 Jahren, auch gewichtige Argumente dafür, daß Bonn Regierungs- und Parlamentssitz bleibt. Es sind nicht nur soziale und wirtschaftliche Argumente. Nicht nur, daß in Bonn Zigtausende von Menschen als Arbeitnehmer persönlich betroffen sind, daß bei einer Verlegung nach Berlin Milliarden erforderlich sind, die wir jetzt dringend zum Aufbau der neuen Bundesländer brauchen. Es gibt auch politische Argumente für Bonn. Auch Bonn spiegelt deutsche Geschichte wider. Vor allem repräsentiert es 45 Jahre Föderalismus und Demokratie. Bonn repräsentiert ein Deutschland, in dem es nie zuvor soviel Wohlstand, Freiheit und soziale Gerechtigkeit gegeben hat. Für uns Parlamentarier ist die heutige Entscheidung eine schwere Entscheidung. Eine Entscheidung gegen Bonn trifft viele Menschen in ihrer Existenz, eine Entscheidung gegen Berlin trifft unsere Glaubwürdigkeit. Eine Entscheidung für die eine oder für die andere Stadt würde auch zu Folgeproblemen für die unterlegene Stadt führen. Deshalb darf es heute keine Entscheidung für Bonn und gegen Berlin oder gegen Bonn und für Berlin geben, sondern eine Entscheidung für Bonn und Berlin. Viele von uns spüren ein großes Unbehagen, wenn sie sich allein für die eine oder andere Stadt entscheiden sollen. Für einen Konsens sprechen deshalb eine Reihe guter Gründe. Warum soll es nicht möglich sein, was auch andernorts möglich ist, nämlich die Regierung in Bonn zu belassen und das Parlament nach Berlin zu verlegen? Eine Realisierung des Parlamentssitzes in Berlin ist ohnehin erst um die Jahrtausendwende möglich. Bis dahin sind die modernen Kommunikationsmöglichkeiten so verbessert und ausgereift, daß die Verbindung Berlin-Bonn und Bonn-Berlin dann kein Problem sein wird. Berlin oder Bonn dürfen keine Alternativen sein, sie gehören zusammen, und deshalb muß es eine gemeinsame Lösung geben: Bonn als Symbol eines Neuanfangs dieser Republik, Berlin als Symbol der deutschen Einheit und der europäischen Einigung. Deshalb bitte ich Sie, für den Antrag zu stimmen: Regierung in Bonn, Parlament in Berlin. |
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Volker Kauder, CDU/CSU >> |