Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden
Dr. Eckhart Pick, SPD | Renate Rennebach, SPD >> |
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Heute entscheidet endlich, nach einem eher quälenden Entscheidungsprozeß, derjenige, den es angeht, um eine juristische Metapher zu gebrauchen. Nach einem Prozeß, der dem Thema weder formell noch inhaltlich gerecht geworden ist, soll heute der sogenannte Souverän entscheiden. Der eigentliche Souverän -- das Volk -- ist durch die Bundestagsmehrheit davon ausgeschlossen. Deswegen soll wenigstens die dem Volk am nächsten stehende Institution -- weil direkt gewählt -- entscheiden. Ich sagte »sogenannter Souverän«, weil die öffentliche Debatte wenig auf das Parlament Rücksicht genommen hat. Im Gegenteil: Das Verfahren scheint eher von fremden Einflüssen bestimmt zu sein. Es hat der Diskussionsprozeß daran gekrankt, daß alle möglichen Ratschläger -- eingeladen oder nicht -- sich zu Wort gemeldet haben, die Entscheidungsträger aber nicht. Es hätte unserer Reputation, nämlich als Bundestag, besser angestanden, von vornherein klarzustellen, daß die Frage des Sitzes des Bundestages die originäre und autonome Entscheidung des Parlaments ist. Souverän und Souveränität gehören zusammen. Souveränität hat jedoch zwei Aspekte: Zum einen die eigenverantwortliche Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen. Zum anderen -- und darauf kommt es mir in diesem Zusammenhang an -- bedeutet Souveränität auch Überlegenheit in der Führung einer Diskussion. Auch hieran mangelte es. Hierzu gehört der Versuch, mit Hilfe wichtiger, aber nicht dazu legitimierter Verfassungsorgane, eine Lösung zu finden. Und so ist aus einer für den Bestand der Republik eher sekundären Frage für mich deshalb eine erstrangige Frage geworden, weil es jetzt um das Selbstverständnis des Bundestages geht. Ich finde, heute hat der Bundestag wieder aufgeholt. Es ist wieder einmal Symbolik an Stelle von Sachpolitik getreten. Man überhöht eine wichtige, aber nicht das Schicksal der Republik bestimmende Frage zu einer Kampfentscheidung, die nur noch Sieger und Besiegte kennt. Darüber sind viel wichtigere Fragen zu kurz gekommen, z. B. warten Millionen in den neuen Bundesländern auf die Überleitung ihrer Renten und Anwartschaften oder auf ihre Rehabilitierung von DDR-Unrecht. Ich fürchte, wir sind dabei, die Maßstäbe zu verlieren. Deswegen folgere ich aus dieser Entwicklung, daß wir heute den Gordischen Knoten durchschlagen müssen. Mir wäre am liebsten ein Beschluß heute ohne Wenn und Aber über den Sitz des Bundestags für Bonn oder Berlin, ohne Garnierung mit weiteren Entscheidungen über den Sitz anderer Bundesorgane. Ich spreche mich für Bonn aus, weil sich diese Stadt
für mich mit der demokratischen Entwicklung im
Nachkriegsdeutschland, dem anderen Deutschland verbindet, weil ich
an die Hunderttausende von Menschen in dieser Region denke, die mit
ihrer Existenz vom Hierbleiben des Bundestags abhängen,
unmittelbar und mittelbar, weil man nicht gleichzeitig im Osten
aufbauen und im Westen eine Region demontieren kann und
schließlich weil Bonn bona fide in vielen Fällen
jahrzehntelang eigene Interessen zurückgestellt hat. |
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Renate Rennebach, SPD >> |