"Vorschlag zur Reform der Sozialhilfe ohne Regelsatzverordnung schlecht bewertbar"
Berlin: (hib/hau) Als "verfrüht" und "schlecht bewertbar ohne gültige Regelsatzverordnung" bezeichnete die Mehrheit der Experten und Sachverständigen einen Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch (15/1514) anlässlich einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung am Mittwochnachmittag. Die Regierungskoalition verfolgt mit der Vorlage das Ziel, ein einfaches, transparentes und in sich schlüssiges System der Gewährung von materiellen Hilfeleistungen zu schaffen und durch mehr individuelle Unterstützung Sozialhilfebedürftigkeit zu vermeiden bzw. zu überwinden. Bereits im ersten Jahr nach Inkrafttreten des neuen Sozialgesetzbuches sollen dadurch insgesamt 66 Millionen Euro eingespart werden, heißt es.
Der Einzelsachverständige Bernd Felder von der Mummert Consulting AG in Hamburg unterstützt die Zielrichtung der Sozialhilfereform. Das neue System der Pauschalierung führe bisher getrennte Bereiche wie Regelsatz und einmalige Leistungen zusammen. Dadurch werde die wirtschaftliche Eigenverantwortung der Hilfeempfänger gefördert, die Sozialämter werden entlastet, um verstärkt aktivierende Instrumente einsetzen zu können. Von guten Erfahrungen mit der Pauschalierung berichtete der Sozialamtsleiter der Stadt Karlsruhe, Udo Steinmetz. Auch der Sozialhilfeempfänger sei ein "mündiger Bürger" und könne durchaus eigenverantwortlich mit den ihm zustehenden Leistungen umgehen. Als "äußerst problematisch" sieht der Verband der Angestellten Krankenkassen e.V. (vdak) die Einbeziehung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in ein Persönliches Budget an. Unter Berücksichtigung der noch nicht absehbaren Auswirkungen der Leistungserbringung in Form Persönlicher Budgets und der ungeklärten Ausgestaltungs- und Verfahrensfragen sollten die Ergebnisse der Modellerprobungen auf der Basis bestehender gesetzlicher Regelungen zunächst abgewartet werden, bevor weiter gehende Regelungen geschaffen werden. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege kritisierten, dass ein umfassender Gesetzentwurf zur Neuordnung des Bundessozialhilferechts, und damit des letzten Netzes der sozialen Sicherung in Deutschland, nicht in einem regulären Verfahren unter breiter Fachdiskussion entstanden ist. Bis zuletzt waren selbst den Fachleuten in Deutschland nur wenige Passagen des Gesetzentwurfes bekannt. Damit können weder die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege noch die Parlamentarier konkrete Aussagen und Bewertungen zu besonders wichtigen Teilen dieses Gesetzentwurfes treffen.
Der AWO-Bundesverband begrüßte ausdrücklich den Versuch, das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in das Sozialgesetzbuch als 12. Buch zu integrieren. Dies geschehe jedoch zu einem Zeitpunkt, der unglücklich gewählt ist. Die Sozialhilfe als nachrangiges Sicherungssystem und damit letztes Auffangnetz des Sozialstaates war und wird auch in Zukunft davon abhängen, wie die vorgelagerten Sicherungssysteme funktionieren und armutsfest ausgestaltet sind, so die AWO Deshalb müsse sowohl das 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wie auch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz abgewartet werden. Auch der Deutsche Verein für öffentliche und private Vorsorge kritisierte den Zeitpunkt der Gesetzeinbringung. Erst wenn die Hartz-Vorschläge endgültig den Vermittlungsausschuss passiert hätten und eine gültige Regelsatzverordnung vorliege, könne über die Vorlage sachgerecht diskutiert werden.