Bedenken gegen das Entschädigungsgesetz nur teilweise ausgeräumt
Berlin: (hib/WOL) Die Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung und Ergänzung des Entschädigungsgesetzes und anderer Vorschriften (15/1180) hat Bedenken der Sachverständigen und Abgeordneten hinsichtlich der von der Bundesregierung angestrebten schnelleren Bearbeitung nur begrenzt ausräumen können. Ziel der öffentlichen Anhörung am Mittwochnachmittag war es, durch unmittelbare Fragen zu Problemen der bundeseinheitlichen Regelung beim Entschädigungsrechtsänderungsgesetz und anderen Gesetzen sowie zur künftigen Bearbeitung aller Fälle durch ein Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (BaRoV) soweit zu klären, dass in der Sitzung des Finanzausschusses am 15. Oktober eine abschließende Beratung und am 16. Oktober die dritte Lesung im Bundestag erfolgen kann. BaRoV-Präsident Horst-Dieter Kittke erläuterte, zur Qualifikation und Anzahl der künftig mit der Bearbeitung betrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebe es keine Bedenken. Beginnend im Juni mit 108 Mitarbeitern werde das Personal bis Dezember auf 292 Fachkräfte aufgestockt. "Allesamt keine Neulinge", sagte Kittke und betonte die enge Zusammenarbeit mit den Landesämtern. Heidrun Rhode-Mühlenhoff vom Berliner Landesamt (LaRoV) bestätigte Kittke. Zudem erwarte man, dass mit Übernahme der Aufgaben der BaRoV die Vorgänge in den Landesämtern weitgehend abgearbeitet und erstinstanzliche Ergebnisse nach Möglichkeit abgeschlossen sein würden.
Auf Fragen zu Bedenken gegenüber einer Verfahrensbeschleunigung sagte Karl Brozik von der Claims Conference Nachfolgeorganisation, er rechne durch die Veränderungen mit einer halbjährigen Verzögerung. 1990 sei das Zeitziel angekündigt worden, Entschädigungen und offene Vermögensfragen bis 1994 abschließend zu klären. Nach 13 Jahren sei nun festzustellen, dass etwa 60 Prozent der von der JCC vertretenen Fälle abgearbeitet seien. Die rechtlich komplizierteren 40 Prozent, etwa 25 000 bis 30 000 Fälle seien noch nicht abschließend bearbeitet. Rechtsanwalt Andreas Wilhelm begrüßte die angestrebte bundeseinheitliche Regelung. Trotz erheblicher Verstärkung des BaRoV sei aber eine Verzögerung zu befürchten. Dabei zweifele er nicht an der Kompetenz der BaRoV-Mitarbeiter angesichts der vielfältigen gesetzlichen Änderungen. Es gehe vielmehr darum, das jede Weiterbearbeitung eine genaue Kenntnis der Zusammenhänge in jedem einzelnen komplizierten Fall erforderlich mache. Rechtsanwalt von Trotte illustrierte die Entschädigungsproblematik am Beispiel ausländischer Anteilseigner an Unternehmen, die als Gesamtkomplex von der ehemaligen DDR enteignet wurden. Da eine Ausländer-Enteignung von den Russen mit Hinweis auf das Besatzungsrecht als nicht zulässig erklärt wurde, seien diese quasi zu Anteilseignern von VEB-Betrieben erklärt worden und stünden heute vor dem Problem, als nicht enteigneter Teilhaber inzwischen aufgelöste oder nicht mehr existenter Unternehmen keine Entschädigung zu erhalten.
Widerspruch von Vertretern unterschiedlicher Anspruchstellergruppen gab es zu der Bemessungsgrundlage der Entschädigung sowie zur Verzinsung noch nicht ausgezahlter oder noch ausstehender Entschädigungsleistungen. So sprach Rechtsanwalt Albrecht Wendenburg von der Arbeitsgemeinschaft für Agrarfragen davon, der Bundesgerichtshofs sei bei seinem Urteil wohl kaum davon ausgegangen, dass erst im Jahr 2020 "ausgezahlt" werde. Die Betroffenen seien zutiefst verbittert. Ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums erklärte, man wolle Einarbeitungsproblemen mit einer Übergangsregelung begegnen. Danach könnten aufwendige Verfahren durch die LaRoVs der Bundesländer auch dort fortgeführt werden, wenn "absehbar bis zum 30. Juni 2004 eine Regelung des jeweiligen Falles abgeschlossen" sei.