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Oktober 08/1999
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ANHÖRUNGEN IM GESUNDHEITSAUSSCHUSS

Negative Auswirkungen des Globalbudgets befürchtet

(ge) Sowohl Kritiker als auch Befürworter der GKV­Gesundheitsreform haben am 9. und 10. September bei den öffentlichen Anhörungen des Gesundheitsausschusses die Befürchtung geäußert, dass das geplante Globalbudget zu negativen Auswirkungen bei der medizinischen Versorgung der Patienten führen könnte.

Basis der Hearings war der Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab dem Jahr 2000 (14/1245). Am 9. September gaben zunächst Einzelexperten eine grundsätzliche Bewertung der Initiative ab. So erklärte Professor Michael Arnold, alle Ressourcen im Gesundheitswesen seien endlich, sodass es keine "Unendlichkeit der Leistungsgewährung" geben könne. In allen Ländern, die ein funktionierendes Krankenversicherungssystem haben, gebe es entweder beständige Knappheit und Rationierung oder kontinuierliche Reformen. Deshalb sei es auch für die Bundesrepublik nötig, eine offene Diskussion über "sozialverträgliche Leistungskürzungen" zu führen. Hauptproblem sei die Einkommensabhängigkeit der Beiträge.

Ulrike Haufe, Frauenbeauftragte des Landes Bremen, legte dar, sie begrüße ausdrücklich die Präambel des Gesetzentwurfs, die fortschrittlich und zukunftsorientiert sei. Es stelle sich aber die Frage, ob der Gesetzentwurf tatsächlich erfülle, was er im Vorfeld ankündige. Gerade für die Frauen sah die Expertin negative Auswirkungen der Initiative. Der Versuch, weniger stationär und mehr ambulant zu behandeln, um Spareffekte zu erzielen, treffe vor allem Frauen. So sei zu befürchten, dass ein großer Teil der ambulanten Hilfe in die Familien verlagert werde und somit hauptsächlich die Frauen belaste.

Prof. Axel Azzola von der Landesregierung Mecklenburg­Vorpommern verwies auf die weiterhin bestehende "Gerechtigkeitslücke" im Gesundheitssystem, da die Ärzte in den neuen Bundesländern noch immer nur 75 Prozent der Leistung ihrer Kollegen in den alten Ländern erhielten. Er plädierte deshalb dafür, den Risikostrukturausgleich beizubehalten. Eine sachgerechte Ausrichtung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bedeute eine gleichberechtigte Teilhabe aller am medizinischen Fortschritt. Durch den Gesetzentwurf werde dies jedoch nicht erfüllt, sodass das Reformwerk abzulehnen sei.

Auf positive Aspekte der Gesundheitsreform verwies Privatdozent Dr. Hagen Kühn. So sei unter anderem zu begrüßen, dass Prävention und Gesundheitsförderung einen größeren Stellenwert erhielten. Es müsse jedoch abgewartet werden, wie sich dies im Rahmen des gesamten Kontextes entwickele. Mit Blick auf das Globalbudget erklärte er, Länder mit erfolgreicher Ausgabenkontrolle hätten alle ein Globalbudget oder etwas Ähnliches. Es sei aber nicht auszuschließen, dass ein solches Globalbudget möglicherweise zu einer Leistungseinschränkung führen könne. Die wirtschaftlichen Risiken der Versorgung im Gesundheitsbereich würden mit der Initiative auf den Anbieter übertragen. Dies sei auch der "Sinn der Sache". Es müsse jedoch aufgepasst werden, dass kein Versorgungsrisiko für den einzelnen Patienten entstehe. Kühn forderte deshalb einen verstärkten Patientenschutz, der unter anderem durch die Errichtung eines "regionalen Patientenbeauftragten", vergleichbar mit dem Datenschutzbeauftragten, erreicht werden könne.

Dr. Bernd Lang begrüßte zwar die mit der Initiative angestrebte integrative Versorgung, kritisierte aber auch das Globalbudget. "Wer budgetiet, rationiert auf Dauer." Kritisch zu betrachten sei ferner die geplante Öffnung von Krankenhäusern für ambulante Versorgung, da dies zu teuer sei. Es solle lediglich eine "Mitbestimmung stationärer Behandlung aus dem ambulanten Bereich" heraus geben. Dies bedeute aber auch eine höhere Belastung derer, die das Solidarsystem am meisten brauchen. Lang appellierte daher an die Politiker, den Zeitdruck aus der Initiative herauszunehmen.

Prof. Rolf Rosenbrock führte aus, das GKV­Modell habe sich als erfolgreich erwiesen. Es sei zu begrüßen, dass die neue Bundesregierung das Solidarprinzip schützen wolle. Eine politisch und demokratisch legitimierte Steuerung sei nötig, um das Solidarprinzip aufrechtzuerhalten. Wer dagegen handele, handele gegen die Interessen des Einzelnen. Problematisch sei aber die Bindung des Systems an die Lohngrundsumme. Dadurch werde in einem "unterproportional rationalisierungsfähigen Bereich" ein "überproportionaler Sparbeitrag" verlangt. Mit Blick auf das Gesamtsystem sei wichtig, für mehr Transparenz zu sorgen und die Patienten besser zu informieren.

Bei der zweiten Anhörung kamen am 10. September zunächst die Zahnärzte, Zahntechniker und Kassenvertreter zu Wort, die die Intention der Reform, die Prävention in der Zahnmedizin zu fördern und unter anderem die Gruppenprophylaxe für Kinder und Jugendliche auszuweiten, begrüßten.

Die Verbands­ und Innungsvertreter von Zahnärzten und Zahntechnikern appellierten jedoch an den Gesetzgeber, die Prävention aus dem Globalbudget herauszunehmen. Wenn schon ein Budget geplant sei, so müsse ein sektorales Budget für die Zahnmedizin ausgewiesen werden, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass die Kassen sich zukünftig entscheiden müssten, ob sie eine Herztransplantation oder einen Zahnersatz bezahlen. Während Zahnärzte und Zahntechniker erklärten, für begrenztes Geld könne es auch nur begrenzte Leistung geben, und ihre Befürchtung ausdrückten, eine Budgetierung komme immer auch einer Rationierung gleich, erklärte der Vertreter der Bundesgemeinschaft der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), im System der GKV gebe es erhebliche "Wirtschaftlichkeitsreserven", sodass in den nächsten Jahren die Qualitätssicherung nicht gefährdet sei. Im Übrigen helfe der Gesetzenwurf, die Mängel im System zu beseitigen.

Der Vertreter der Zahntechniker betonte hingegen, das Konzept für das Globalbudget sei nicht funktionsfähig. Es unterstelle eine Plan­ und Steuerbarkeit des gesamten Gesundheitssystems, die es nicht gebe.

Kritisch äußerten sich die Ärztevertreter auch zu den Vorgaben, bis zum Jahr 2001 neue Behandlungsrichtlinien und Leitlinien zu erarbeiten. Dies sei in einer so kurzen Zeit nicht machbar. In der Schweiz habe man dafür zehn Jahre benötigt. Aus der Sicht der Krankenkassen ist der Zeitrahmen bis zum Jahr 2001 allerdings "realistisch". Es gebe dabei jedoch "viele Fußfallen".

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9908/9908041
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