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Das Parlament
Nr. 37 / 06.09.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Peter Wilhelm

Für eine neue Gründerwelle

Zur Sache: Hubert Ulrich MdB (Bündnis 90/Die Grünen)
Als die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen vor eineinhalb Jahren in Wörlitz tagte, fand sie klare Worte für den Stellenwert des Mittelstandes in ihrer Wirtschaftspolitik. Von einem "Partner" war da die Rede, der das "Herz" im Leitbild der sozial-ökologischen Marktwirtschaft darstelle. So wurde gerade kleinen und mittleren Unternehmen eine hohe Flexibilität und Innovationsbereitschaft bescheinigt, mit einem besonderen Potential für die ökologische Modernisierung und mehr Beschäftigung.

Bis heute gilt, dass die so genannten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) schätzungsweise 70 Prozent der Arbeitsplätze und 80 Prozent der Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, wie der Mittelstandsexperte der Fraktion, Hubert Ulrich, hervorhebt. Daher komme diesem Bereich große Bedeutung für eine funktionierende Wirtschaft zu. "Wir brauchen eine kräftige Gründerwelle bei kleinen und mittleren Betrieben", fordert der Abgeordnete, der innerhalb der Grünen-Fraktion seit Anfang 2003 für die finanzpolitischen Rahmenbedingungen des Mittelstandes spricht. Ulrich greift mit dieser Forderung einen zentralen Punkt aus der rot-grünen "Mittelstandsoffensive" auf, die der Bundestag im Mai mit Koalitionsmehrheit beschlossen hat.

Doch Existenzgründer brauchen Geld - und daran hapert es meist. So beklagte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag in seiner jüngsten Umfrage erneut, dass sich die Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen bei der Kreditvergabe weiter verschlechtert hätten. Zwar seien die Leitzinsen in der Vergangenheit mehrfach gesunken, dafür hätten viele Banken aber andere "Kreditparameter" verschärft. Laut DIHK werden nun beispielsweise höhere Anforderungen an die Sicherheiten oder an die Dokumentationspflicht der Kreditnehmer gestellt.

Auch für Ulrich ist es ein zentrales Anliegen der Fraktion, mittelständische Betriebe besser mit Fremd- und Eigenkapital auszustatten. In diese Richtung zielt bereits das Programm "Kapital für Arbeit". Die Koalition stellt dabei kleinen und mittleren Unternehmen ein Finanzierungspaket von maximal 100.000 Euro in Aussicht, wenn sie einen Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit Bedrohten mindestens zwölf Monate einstellen.

Eine bessere Finanzförderung der KMU versprechen sich die Grünen auch von der neu geschaffenen Mittelstandsbank, einem Zusammenschluss von Deutscher Ausgleichsbank und Kreditanstalt für Wiederaufbau. Bisher getrennte Förderprogramme kommen nun aus einer Hand, was Transparenz und Effektivität steigern soll.

Lange ging zudem die Sorge um, die Kreditaussichten könnten sich auch noch durch internationale Vorgaben verschlechtern. Hintergrund sind die neuen "Basel-II-Richtlinien", die den Banken vorschreiben, ihre Kreditvergabe künftig stärker an der individuellen Bonität des Firmenkunden auszurichten, und damit risikobedachter als bisher. Vor allem für Existenzgründer und Kleinunternehmer hätte das eine zusätzliche Hürde bedeutet. Laut Ulrich wurde die Regelung aber dahingehend entschärft, dass Basel II nun erst ab einer Kredithöhe von einer Million Euro greift. Allerdings seien jetzt die Banken aufgefordert, diese Vereinbarung auch umzusetzen.

Für Ulrich ist es dabei ganz wesentlich, dass die Kreditvergabe weiterhin in einem funktionierenden Wettbewerb der Banken abläuft. Das "Drei-Säulen-Modell aus Privatbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen darf nicht wegbrechen", warnt er mit Blick auf Bestrebungen bei Privatbanken, Sparkassen zu übernehmen. Denn es seien vor allem die Sparkassen, die dem Mittelstand Geld zur Verfügung stellten.

Doch was nutzt es den Betrieben, wenn sie zwar Kredite erhalten, die Raten aber nicht rechtzeitig zurückzahlen können, weil sie auf unbeglichenen Rechnungen sitzen bleiben und so in die Liquiditätskrise geraten? Mancher erinnert sich vielleicht noch in diesem Zusammenhang an eine Protestaktion im Sommer 2000 vor dem Brandenburger Tor in Berlin, als Handwerkerfrauen mit einem mehrtägigen Hungerstreik auf solche Missstände bei der Zahlungsmoral aufmerksam machten, durch die immer wieder Firmen unverschuldet in die Pleite getrieben werden. Gerade die öffentliche Hand müsse hier ihren Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachkommen, mahnt Ulrich.

Einen gewissen Spielraum hat den betroffenen Betrieben schon die so genannte Ist-Besteuerung verschafft, eine Sonderregelung, die der Bundestag erst kürzlich noch einmal bis Ende 2006 verlängert hat. Sie erlaubt es Firmen, ihre Umsatzsteuer lediglich entsprechend ihren tatsächlichen Einnahmen zu berechnen. Das heißt beispielsweise für mittelständische Handwerksbetriebe, dass sie nur für bezahlte Rechnungen Steuern abführen müssen.

Es gelten aber Obergrenzen, und zwar von 125.000 Euro Jahresumsatz für Betriebe im Westen, und 500.000 Euro für solche im Osten. Für die Bundestagsfraktion fordert Ulrich weiterhin, diese Marge auf einheitlich eine Million Euro anzuheben. Er räumt aber ein, dass die Frage der Finanzierung bisher unklar ist.

Daneben hat die Koalition unter dem Stichwort "small business act" ein weiteres Paket zugunsten von Kleingewerbe und Existenzgründern initiiert. Dahinter verbirgt sich ein Modell zur vereinfachten Gewinnermittlung, das steuerliche Entlastung und Bürokratieabbau miteinander verknüpft. Unter anderem beginnt die Buchführungspflicht nun erst für Firmen ab einem Jahresumsatz von 350.000 Euro; bisher lag die Grenze dafür bei 260.000 Euro.

Im Kampf gegen überflüssige Vorschriften hat sich die Koalition insgesamt 68 Projekte zum Ziel gesetzt, die sie in einem "Masterplan Bürokratieabbau" zusammengefasst hat. Neun davon seien bisher realisiert, sagt Ulrich. Kernstück ist die Reform der Handwerksordnung, mit der die Grünen zugleich eine zentrale wirtschaftspolitische Forderung aus ihrem Wahlprogramm 2002 umgesetzt haben. So ist inzwischen der Meisterbrief in rund 50 Prozent der Handwerksberufe nicht mehr zwingend Vorbedingung für Selbständigkeit. Dort, wo der Meisterzwang weiter besteht, können sich Gesellen nach sechsjähriger Berufszeit unter bestimmten Voraussetzungen selbständig machen.

Mehr Flexibilität

Ulrich wertet diese Reform als wichtigen Schritt auf dem Weg zu mehr Flexibilisierung und Existenzgründungen, wie er schon mit der Mini-Job-Regelung und der Einführung der so genannten Ich-AG eingeschlagen wurde. Allerdings hält er zusätzliche Maßnahmen im Rahmen der Agenda 2010 für dringend geboten. Arbeit in Deutschland sei wegen der Höhe der Sozialabgaben nach wie vor zu teuer, beklagt er. Ziel müsse es sein, die Lohnnebenkosten weiter zu senken, und zwar unter die Marke von 40 Prozent. Bei der Steuerreform sei allerdings mit Einkommensteuersätzen zwischen 15 und 42 Prozent ab 2005 der Spielraum vorerst ausgeschöpft.

Trotz aller Schwierigkeiten warnt Ulrich vor unbegründetem Pessimismus und "Negativszenarien". So mag er sich nicht der jüngsten Einschätzung der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand anschließen, wonach die langsam anspringende Konjunktur an den KMU vorbeigehe, und für das laufende Jahr bestenfalls eine Verlangsamung des Abwärtstrends zu erwarten sei. Der Standort Deutschland dürfe nicht kaputt geredet werden, und im internationalen Vergleich stehe man nicht schlecht da; im europäischen Wirtschaftsraum sehe er sogar "enorme Chancen". Für Ulrich ist wirtschaftliche Entwicklung eben auch ein Stück weit Psychologie, wie er betont.

Der Autor ist Nachrichtenredakteur in Berlin.

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