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Das Parlament
Nr. 47 / 15.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Christian Hauck

Nicht nur Nachbarn - auch eine Schicksalsgemeinschaft

Hamburg und Schleswig-Holstein arbeiten zusammen

"Gott sei Dank" habe Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust "nicht die Hochnäsigkeit der alten Pfeffersäcke geerbt", bemerkte der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kieler Landtag, Martin Kayenburg, kürzlich vor Journalisten. Auf der Tagesordnung stand wieder einmal die Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg. Was der Unionspolitiker jovial zum Ausdruck brachte, beschreibt zutreffend das nicht immer ungetrübte Verhältnis der beiden nördlichsten Bundesländer. Nach Jahrzehnten des Stillstandes haben wohl kaum zwei andere Länder in Deutschland in so kurzer Zeit so viel Gemeinsames auf den Weg gebracht, wie das ländliche Schleswig-Holstein und die traditionsreiche Wirtschaftsmetropole Hamburg.

Über Generationen beschränkten sich die Kontakte zwischen dem Landeshaus in Kiel und dem Hamburger Senat auf das Notwendigste, egal welche Couleur jeweils am Ruder war. Trotz gleicher Parteizugehörigkeit, herrschte zwischen Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis und dem früheren Bürgermeister Henning Voscherau Eiszeit. Umso überraschender ist die Entwicklung, seit in der Hansestadt ein CDU-geführter Senat regiert. Die neue Freundlichkeit geht soweit, dass von Beust kürzlich durch ein Zeitungsinterview bei seinen wahlkämpfenden Parteifreunden im Norden größte Irritationen auslöste. Das Verhältnis zum rot-grünen Partner in Kiel könne doch gar nicht besser sein, teilte der Bürgermeister überzeugend mit.

Die Liste des bislang Erreichten ist lang. Die Zusammenlegung der Eichämter war dabei nur ein unbedeutender Einstieg. Richtig zur Sache ging es, als beide Länder ihre Datenzentren fusionierten. Seither bekommen die Hamburger ihre Strafzettel aus Kiel, die Schleswig-Holsteiner ihre Steuerbescheide aus Hamburg. Kompetenzen bündeln, Doppelstrukturen abbauen, heißt das Motto jetzt auch bei den laufenden Verhandlungen zwischen den Universitäten Hamburg und Kiel. Ziel ist eine Arbeitsteilung der Hochschulen. Dass beide Standorte dabei lieb gewonnene Traditionen und Institutionen werden opfern müssen, lässt Widerstände aufkeimen. Doch der Wille beider Regierungen scheint ungebrochen.

Den bislang wohl größten Erfolg erzielten Kiel und Hamburg 2003 mit dem Zusammenschluss ihrer Landesbanken zur HSH Nordbank. Erstmals legten zwei Länder nicht nur ihre öffentlichen Kreditinstitute zusammen, sondern überführten sie dabei auch gleich in die Rechtsform der AG. Seither geht es mit dem "Nischenspieler" im Markt für Schiffsfinanzierungen steil bergauf. Die Fusion habe nur geklappt, weil sich beide Partner auf gleicher Augenhöhe begegnet seien, berichten übereinstimmend Politiker in beiden Städten. Außerdem, so heißt es im Kieler Kabinett, habe zwischen dem damaligen Kieler Finanzminister Möller (SPD) und seinem Hamburger Kollegen Peiner (CDU) "die Chemie ausgezeichnet gestimmt".

Doch die Erfolge nur auf persönliche Kontakte und das Verhandlungsgeschick der Partner zurückzuführen, wäre zu einfach. Wann immer vor allem in Schleswig-Holstein über die eigene Wirtschafts- und Finanzschwäche geklagt wird, steht die politische Forderung nach einem Nordstaat schnell im Raum. Um Befürwortern den Wind aus den Segeln zu nehmen, brauchen die Verantwortlichen Erfolge durch eine funktionierende und Kosten sparende Zusammenarbeit. Sogar die CDU, in Schleswig-Holstein eher konservativ, tritt für eine möglichst enge Kooperation mit Hamburg bis dicht unterhalb einer Fusion ein.

Niemand zweifelt daran, dass dieser Prozess fortschreiten wird. Sowohl in Hamburg als auch in Schleswig-Holstein drängen Probleme, die letztlich nur gemeinschaftlich zu lösen sind. Hamburg hat wirtschaftliche Kraft. Es fehlt allerdings an der Ressource Fläche. Dies wurde besonders deutlich, als für die Erweiterung des Airbus-Werks ökologische Ausgleichsflächen benötigt wurden, die nur Schleswig-Holstein zur Verfügung stellen konnte. Hamburgs Hafen, Wirtschaftsmotor für die Region, ist auf das Wohlwollen des Nachbarn angewiesen. Denn für jede Vertiefung der Elbe ist das Plazet aus Kiel notwendig. Und auch im Hamburger Umland sind Fragen zu lösen. 1970 gründete Schleswig-Holstein an der Landesgrenze seine südlichste Stadt. Schon ihr Name Norderstedt macht deutlich, dass ihr Bezugspunkt Hamburg ist. Ausgestattet mit der Hamburger Telefonvorwahl 040 hat die 80.000 Einwohner Kommune inzwischen 4.000 Unternehmen mit 35.000 Arbeitsplätzen angelockt. Will Hamburg seinen Flughafen erweitern, kann nur Norderstedt helfen. Der Airport liegt zum Teil auf schleswig-holsteinischem Gebiet und ist damit ein Beispiel für die Schicksalgemeinschaft beider Länder.

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