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Das Parlament
Nr. 47 / 15.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Volker Koop

Bei den Menschen ansetzen, um den Tieren zu helfen

Diskussion um ausreichenden Tierschutz neu entflammt
Für Astrid Funke, die Präsidentin des Bundesverbandes Tierschutz, ist die Sache klar: Trotz aller Verbesserungen beim Tierschutz im Laufe der vergangenen Jahre und obwohl der Tierschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufgenommen wurde, liegt in diesem Bereich noch Vieles im Argen. Zwar räumt sie ein, dass der Tierschutz im Bewusstsein der Menschen einen höheren Stellenwert bekommen und die Scheu, Tierquälereien anzuzeigen, abgenommen hat, doch werden diese in den Augen Funkes weiterhin viel zu gering bestraft. Als Höchststrafe sieht das Gesetz derzeit drei Jahre Freiheitsentzug vor, doch wird dieser Strafrahmen nicht ausgeschöpft, obwohl die Brutalität der Tierquäler kaum noch Grenzen kennt. Das Votum der Tierschützerin lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Sie fordert eine Anhebung des Strafmaßes auf zehn Jahre und in besonders schweren Fällen eine Mindeststrafe von einem Jahr.

In der Theorie zumindest funktioniert der Tierschutz in Deutschland. So stellte beispielsweise das Oberlandesgericht Celle fest, wer Tiere länger anhaltenden Leiden aussetze, mache sich nach dem Tierschutzgesetz strafbar. Und wörtlich: "Länger anhaltend sind Leiden der Tiere schon, wenn sie zwischen einer halben und einer Minute andauern. Der Täter muss nicht ?aus Rohheit' oder ?ohne vernünftigen Grund' handeln. Ein Tierquäler ist auch derjenige, der die Tiere leiden lässt, ohne roh und grundlos zu handeln." Nach dieser Definition gibt es sicherlich mehr "Tierquäler" als man sich vorzustellen vermag, doch müssen sie alle bestraft werden, und hat deren Brutalität wirklich zugenommen?

Der Behauptung, dass die Verstöße gegen das Tierschutzgesetz an Brutalität zunähmen, will der Tierschutz-Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Priesmeier, weder zustimmen, noch ihr widersprechen. Dazu fehlten verlässliche Daten. Allerdings liege das Problem auch anderswo: "Gerade die strafbaren Verstöße, also massive Tierquälerei durch unmittelbar angewandte Gewalt oder Vernachlässigung werden in der Regel von Menschen begangen, die entweder schwerwiegende psychologische Probleme haben oder mit der Tierhaltung schlichtweg überfordert sind. In meiner langjährigen Tätigkeit als Tierarzt habe ich verschiedene Fälle sehen müssen, in denen mir Zweifel an der Schuldfähigkeit der Handelnden gekommen sind. In diesem Zusammenhang erscheint mir eine Anhebung des gesetzlichen Strafrahmens nicht angeraten." Weitaus problematischer sind für Priesmeier jene Fälle, in denen Nutztiere wissentlich oder fahrlässig zu schlechteren Bedingungen gehalten werden, als diese in den einschlägigen Bestimmungen vorgeschrieben sind. In diesem Bereich könnte es nach dem SPD-Politiker durchaus sinnvoll sein, die Bußgelder für die begangenen Ordnungswidrigkeiten spürbar anzuheben. Dies läge im Übrigen nicht nur im Interesse der Tiere. Auch die weitaus überwiegende Zahl der Landwirte, die die Bestimmungen gewissenhaft einhielten, würde es begrüßen, wenn die "schwarzen Schafe" in ihrer Branche stärker als bisher zur Verantwortung gezogen würden.

Die von der Tierschutz-Präsidentin geforderte Anhebung des Strafmaßes hält auch Michael Goldmann, Tierschutzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, für nicht hilfreich. Er führt an, dass nach dem Strafgesetzbuch jemand, der eine andere Person körperlich misshandelt, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe belegt wird. Ein Tier zu verletzen oder zu töten werde demgegenüber mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht. Goldmann: "Betrachtet man diese Straftatbestände nebeneinander, steht die Forderung, Tierquälerei mit einer Mindeststrafe von einem Jahr und einer Höchststrafe von zehn Jahren Freiheitsentzug zu ahnden, außer Verhältnis. Es ist keine Frage, dass Tierquälerei oder die Tötung von Tieren ohne vernünftigen Grund verwerflich sind und bestraft werden müssen. Dabei muss aber die Verhältnismäßigkeit, einer unserer wesentlichsten Verfassungsgrundsätze, gewahrt werden." Bei aller Liebe zum Tier dürfe man das Thema nicht überziehen, warnt der FDP-Parlamentarier. Die insbesondere von seiner Partei erstrittene Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel ins Grundgesetz habe das Thema Tierschutz stärker in das Licht der Öffentlichkeit gerückt. Die Sensibilität der Menschen für Tierquälerei sei gestiegen. Notwendig sei es, Delikte in diesem Bereich gründlich zu untersuchen: "Insbesondere die These, dass diejenigen, die Tiere quälen, eine Veranlagung dazu haben sollen, auch Gewalt gegen Menschen auszuüben, muss Gegenstand von gründlichen Untersuchungen sein, um die notwendigen Maßnahmen ergreifen zu können, dem entgegenzutreten", verlangt Michael Goldmann. Für besonders wichtig hält er es, gerade Jugendlichen bewusst zu machen, welche Verantwortung sie beim Umgang mit dem Tier oder bei der Anschaffung eines Tieres übernehmen. Information und Beratung durch Tierschutzverbände, Tierärzte, aber auch Tierhandlungen seien Voraussetzung für ein respektvolles Miteinander von Mensch und Tier.

Von der Forderung nach einer Anhebung der Höchststrafe für Tierquälerei hält auch Peter Bleser nichts. Der Unionsabgeordnete und Tierschutzbeauftragte seiner Fraktion beobachtet zwar die zunehmende Brutalität gegenüber Tieren mit großer Sorge, glaubt aber nicht, dass noch härtere Strafen der richtige Ansatz sind, um diesem Phänomen Herr zu werden. Derartige Taten gingen, so seine Überzeugung, von Einzeltätern aus, die ein gestörtes Verhältnis zu Tieren hätten und diese nicht als Mitgeschöpfe betrachteten. Im Übrigen zeigten, so Peter Bleser weiter, die Erfahrungen bei anderen Delikten ganz deutlich, dass sich die Zahl der Straftaten nicht allein durch Abschreckung reduzieren lasse. Wäre es so, dürfte es beispielsweise in Ländern mit Todesstrafe keine Morde mehr geben - das Gegenteil sei leider der Fall.

Wirksamer sei eine gezielte Bewusstseinsänderung bei den betroffenen Tierhaltern. Wer die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der gehaltenen Tierart kenne und respektiere, werde auch nicht zum Tierquäler. Durch die gezielte Qualifizierung von Tierhaltern könnten heute oft im Verborgenen stattfindende Qualen der Tiere, die größtenteils aus falsch verstandener Fürsorge oder Unkenntnis erfolgten, wirksam verhindert werden: "Bei aller Sorge über die in den Medien zuweilen stark aufgebauschten schlimmen Einzelfälle dürfen wir nicht vergessen, dass durch falsche Haltung von Heimtieren in viel zu kleinen, nicht artgerecht eingerichteten Wohnungen sicher weit mehr Tiere leiden, als gemeinhin angenommen wird. Beide Aspekte müssen verbessert werden." Eine Verschärfung der Höchststrafen führe dabei kaum weiter: "Wir müssen bei den Menschen ansetzen, dann ist den Tieren auch geholfen."

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