Offizielles
Biographie
Wahlkreis
Bundestag

Direkt vom MdB
Homepage
Mein Arbeitsplatz in Berlin
Wahlkreisarbeit
Termine
Kontakte
Links

polit. Aussagen

Hartmut Büttner
Mitglied des Deutschen Bundestages
Bundestagsadler
----

Inhalt

* Häftlingshilfestiftung

* Pilotprojekt für die virtuelle Rekonstruktion von vorvernichteten Stasi-Unterlagen beginnen

* Stasi-Unterlagengesetz

* Spätheimkehrer

* Rehabilitierungsgesetzänderungsgesetz

* Extremismus

* Einsatz von Bildauswertungssystemen

Pilotprojekt für die virtuelle Rekonstruktion von vorvernichteten Stasi-Unterlagen beginnen

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

bereits im Jahr 2000 hatte der Deutsche Bundestag beschlossen, elektronische Bildauswertungssysteme zur Rekonstruktion von zerrissenen Stasi-Unterlagen einzusetzen. Dieser Beschluss wurde von allen Fraktionen getragen.

Begründet wurde er vor allem damit, dass die vorvernichteten Stasi-Unterlagen hochaktuell sind, weil sie vorwiegend aus den letzten DDR-Jahren stammten. Sie waren hierdurch besonders wertvoll und authentisch. Aus einem sehr sorgfältigen Ausschreibungsverfahren, an dem sich 15 Anbieter beteiligt hatten, ging der Zuschlag schließlich an ein Konsortium aus dem Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik und der Lufthansa-Tochter GbD.

Der Ausschreibungssieger erstellte zunächst einmal eine Machbarkeitsstudie.

Diese Studie formulierte die technischen Möglichkeiten, die Kosten und auch die politische, historische und menschliche Bedeutung der bereits zusammen gesetzten Unterlagen. In 10jähriger Puzzletätigkeit sind Papierschnipsel aus 250 Säcken zusammengesetzt worden. Das ist zwar gerade einmal 1,5 % der Gesamtmenge.

Aus dieser relativ geringen Zahl sind allerdings äußerst bedeutsame personen- und sachbezogene Unterlagen hervorgegangen. Immerhin 970 registrierte Vorgänge über Opfer und Täter haben sich hieraus ergeben.

Aus der Literatur waren es Günter Wallraff, Sascha Anderson, Stefan Heym oder Jürgen Fuchs. Es fand sich Material über die Dopingmediziner Wendler und Krämer, die RAF-Terroristen Baader-Ensslin, Maier-Witt oder Albrecht. Aber auch wichtige Unterlagen über Oppositionelle, wie Robert Havemann, Bärbel Bohley, Ulrike und Gerd Poppe, Rainer Eppelmann oder Wolf Biermann wurden zusammengesetzt.

Von den Sachvorgängen nenne ich nur Berichte und Maßnahmen zu Parteien-gründungen und Protestbewegungen des Herbst 1989, über Verhandlungen zum Grundlagenvertrag oder über Rechtsextremismus und jugendliche Randgruppen in der DDR. Damit sind in den insgesamt noch nicht bearbeiteten 16.250 Säcken noch zahlreiche interessante Unterlagen zu erwarten.

Das Pilotprojekt hätte den Charme nicht nur die praktische Wirksamkeit des elektronischen Verfahrens in der Alltagspraxis auf den Prüfstand zu stellen. Es würde auch ohne eine mögliche Fortsetzung nach einem Jahr Sinn machen.

Mit Blick auf die bisherigen wertvollen Erkenntnisse der zusammen gepuzzelten Seiten, sind auch aus den 400 zusätzlichen Säcken weitere interessante Inhalte zu erwarten. Wir wissen jetzt auch, dass das Puzzeln von Hand sogar bedeutend teurer war, als die elektronische Anwendung. Denn auch das manuelle Verfahren war nicht umsonst. Wenn man die gleichen Maßstäbe anwendet, welche das Innenministerium für das elektronische Verfahren gesetzt hat, dann ist das Handpuzzeln dreimal so teuer wie die neuen virtuellen Möglichkeiten. Bisher sind in 10 Jahren immerhin 11,385 Millionen Euro für 250 Säcke aufgewandt worden. Elektronisch rekonstruiert kosten 400 Säcke jetzt 6,3 Millionen Euro.

Leider scheinen Sie von Rot-Grün die Maxime ausgegeben zu haben:

Hinhalten der Opposition und der Wissenschaft durch Beschäftigung. Eine ganze Reihe von Terminen mit der Birthler-Behörde, mit dem Fraunhofer-Institut und mit den Haushaltsberichterstattern sollte der Öffentlichkeit vorspielen, ihnen sei es mit dem Suchen nach einer Lösung ernst. Vollmundig wird immer wieder die Wichtigkeit der weiteren Aufarbeitung der Stasi-Akten betont. Noch am 22.Oktober 2003 wollte Herr Wiefelspütz wörtlich: „das Projekt energisch vorantreiben. Es dauert mir zu lange.“

Wenn es allerdings konkret wurde, dann wurden Sie ganz kleinlaut. Ihr ganzer Aktionismus war also reine Nebelwerferei.

Seit dem Juli 2000 haben Sie immer wieder Anträge der Union abgelehnt, zumindest erste kleinere Summen in die jeweiligen Haushalte einzustellen.

Herr Wiefelspütz, Frau Stokar: Sie haben uns immer wieder versichert, dass Ihre Regierung Ihren Worten auch glaubhafte Taten folgen lassen würde.

Bei den Haushaltsberatungen im Innenausschuss mussten Sie kapitulieren. Sie stellten keinen einzigen Cent für das Projekt ein. Herr Wiefelspütz selbst bezeichnete diesen Vorgang als „Stunde der Wahrheit.“

Gerade in diesen Tagen fällt auf, dass diese Bundesregierung nach wie vor ein gebrochenes Verhältnis zur Überwindung der deutschen Teilung hat.

Sie wollen die Häftlingshilfestiftung für SED-Opfer im nächsten Jahr abwickeln.

Sie statten die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur nicht mit den notwendigen Mitteln aus. Engagierte Koalitionsvertreter wie Markus Meckel oder Werner Schulz beklagen sich darüber zu recht.

Sie wollten sogar allen Ernstes den Tag der Deutschen Einheit als gesetzlichen Feiertag streichen.

Die Aufarbeitung und Bewältigung der SED-Diktatur hat bei dieser Regierung keine Lobby.

Sie haben sich auch geweigert, die neu entstandene Gerechtigkeitslücke in Deutschland zu schließen. So haben Sie zwar die Auflage des Bundesver-fassungsgerichts erfüllt, nach der ehemals staatsnahe Personen bis hin zu Stasimitarbeitern verbesserte Rentenzahlungen erhielten. Gleichzeitig stimmten Sie aber gegen unseren Antrag nach einer Besserstellung auch der SED-Opfer.

Herr Schily weigerte sich zudem, mit Frau Birthler gemeinsam in der Sendung vom 19. September bei Sabine Christiansen aufzutreten. Dabei ist die Stasi-Unterlagenbehörde zu einem Exportschlager für viele Staaten geworden, die gerade eine linke oder rechte Diktatur überwunden haben. Die Birthler-Behörde ist ein moralischer TÜV, der für die Ausbildung einer verfeinerten politischen Kultur in Deutschland von immenser Wichtigkeit ist.

Immer weniger Menschen kennen die DDR aus eigenem Erleben. So kommt Einrichtungen wie der Stasi-Unterlagenbehörde oder der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur eine immer größere Bedeutung zu.

Wenn Sie schon für die Deutsche Einheit und für die Opfer der SED-Diktatur nur wenig übrig haben, dann geben Sie doch wenigstens der Anwendung einer neuen technischen Innovation eine Chance. Angeblich wollen Sie ja auch deshalb keine Mittel in die Vergangenheitsbewältigung stecken, weil Sie einen Schwerpunkt Ihrer Arbeit in Forschung und Technologie sehen.

Unter dem Eindruck eines Transrapid, der im Alltagsbetrieb nicht zwischen Hamburg, Schwerin und Berlin fährt, sondern in China, fällt es allerdings schwer Ihnen dies zu glauben.

Wenn Sie diese Maxime trotzdem für sich beanspruchen, dann verstehe ich überhaupt nicht, warum Sie die Chance nicht nutzen wollen, die sich aus weiteren möglichen Anwendungsmöglichkeiten des virtuellen Verfahrens ergeben.

Wie wir wissen, bestehen aus dem Ausland bereits Anfragen aus so unterschiedlichen Fachgebieten wie Archäologie, Kunst, Medienwirtschaft, Kriminal- und Polizeitechnik.

Seit Monaten fordere ich die Bundesregierung auf, einen Vertragsentwurf zu erarbeiten, der dem Deutschen Bundestag die Rechte an dem technischen Verfahren sichert. Bereits im Mai hat das Fraunhofer-Institut in einem Schreiben an Innenministerium und Berichterstatter darauf hingewiesen, dass die Umsetzung dieser Pläne nur gelingen wird, wenn es schnell geht.

Wörtlich heißt es:

„Wie der internationale Forschungs- und Industriemarkt zeigt, hängen Innovationen insbesondere davon ab, wie schnell man Ideen umsetzen kann. Wir müssen leider bereits registrieren, dass in mehreren Ländern Forschungszentren bzw. Industrieunternehmen unsere Ideen im Zusammenhang mit der virtuellen Rekonstruktion aufgegriffen haben, man von staatlicher und privater Seite investiert und in diese Richtung Produkte plant. Es wäre schade, wenn der wissenschaftliche und technische Vorsprung verspielt wird und hoch qualifizierte Arbeitsplätze in unserem Land nicht entstehen würden.“

Ende des Zitats.

Ich kann Sie nur bitten, nach vier Jahren Diskussion endlich ein Zeichen zu setzen. Nutzen wir die sich bietenden Möglichkeiten zur praktischen Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Geben wir dem technischen Produkt eine praktische Anwendungschance in Deutschland.

Stasi-Unterlagengesetz

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

Joachim Gauck sprach mit Blick auf die Zusammenarbeit von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen in Fragen des Stasi-Unterlagengesetzes von einer „Koalition der Vernunft“.

Diese „Koalition der Vernunft“ ist im vergangenen Jahr durch eine stürmische und strittige Diskussionsphase gegangen.

Ich bin froh, dass wir nach den gegensätzlichen Meinungen zur Verwendung von Unterlagen zu Personen des Öffentlichen Lebens wieder zur lange praktizierten Zusammenarbeit zurückgekehrt sind.

Ich finde die Zusammenarbeit der vier Fraktionen vor allem deshalb so wichtig, weil ich glaube, daß hierin einer der Hauptgründe für die große Akzeptanz des Stasi-Unterlagen-Gesetzes bei der Bevölkerung liegt.

Nach Geist und Buchstaben ist das Stasi-Unterlagengesetz ein Öffnungs- und ein Opfergesetz.

Dem Einzelnen soll Klarheit über das Einwirken des MfS auf seinen Persönlichkeits-bereich gegeben werden. Die Chance die eigene Biographie in Ordnung zu bringen, haben mittlerweile mehr als 2 Millionen Menschen genutzt und Einsicht in ihre Akte genommen.

Der Tätigkeitsbericht, und vor allem die wieder nach Deutschland zurückgekom-menen Rosenholz-Unterlagen zeigen uns auch deutlich, dass das unselige Wirken des Ministeriums für Staatssicherheit eben kein reines DDR-Thema, sondern ein gesamtdeutsches Problem war.

Wir wissen jetzt, daß die Gleichung, Opfer gab es in Ost und West, aber der Stasi-Täter kam ausschließlich aus Deutschland-Ost, nicht nur zu undifferenziert, sondern einfach falsch ist.

Im Laufe der Jahre haben 20 bis 30.000 Westdeutsche als inoffizielle Mitarbeiter für das MfS gearbeitet.

Hoffentlich wird manch ein westdeutscher Redakteur etwas demütiger, wenn er sich an seine reißerische Berichterstattung über die Stasiverseuchung im Osten Deutschlands erinnert.

Diese einseitige Betrachtungsweise hat nicht nur das Selbstwertgefühl der Menschen aus den neuen Ländern hart getroffen, es hat dazu beigetragen, den Graben in den Herzen und Hirnen der Deutschen zu vertiefen.

Diese Sicht läßt auch keinen Raum für die Wahrheit. Auch in der DDR waren die Menschen die Anstand behielten und Zivilcourage zeigten in der Mehrheit.

Trotz schwierigster Umstände in einer Diktatur scheiterten drei von fünf Anwerbeversuche des Staatssicherheitsdienstes.

In Westdeutschland wurde eine Stasi-Mitarbeit zumeist freiwillig erklärt, ohne die vielfältigen Pressionen des SED-Staates.

Geld und auch die politische Überzeugung den Sozialismus in allen Teilen Deutschlands voranzubringen, stand bei den meisten westdeutschen IM's im Vordergrund.

Frau Birthler nannte es in einem Interview mit der TAZ vom 14. September: „Bemerkenswert, wenn Menschen der Demokratie den Rücken kehren und mit dem Geheimdienst einer Diktatur zusammenarbeiten.“

Ich kann ihr in der Schlussfolgerung nur zustimmen, wenn sie sagt: „gerade die Geschichte der Westlinken könne schon etwas an Aufarbeitung vertragen.“

Besonders in diesem politischen Bereich können mögliche zusätzliche Erkenntnisse aus den sogenannten Rosenholz-Unterlagen noch sehr hilfreich sein.

Die Rückholung der Datenträger mit den Kopien mikroverfilmten Karteikarten der Hauptverwaltung Aufklärung ist ebenfalls ein gutes Beispiel für das positive Wirken der Koalition der Vernunft.

Jahrelang haben wir uns bemüht die Datensätze zurückzubekommen. Die Bericht-erstatter der vier Fraktionen hatten mit vielfältigen Aktivitäten die Bundesregierung unterstützt, die amerikanische „Geheimeinstufung“ zurückzunehmen.

Jetzt können wir die Rosenholzunterlagen so behandeln, wie alle anderen Stasiunterlagen auch.

Eigentlich sind die Bestimmungen des Stasiunterlagengesetzes völlig ausreichend, damit die Behörde bei neu auftauchenden Erkenntnissen dies der „zuständige Stelle“ ohne Ersuchen mitteilen kann.

Für die Beschäftigten in der Behörde ist es aber praktisch schwierig, die auftauchenden Namen richtig einer zuständigen Stelle zuzuordnen.

Aus diesem Grund unterstütze ich nachdrücklich einen Beschluß meiner Fraktion, nachdem wir als Abgeordnete uns unser Vorbildrolle bewusst sein müssen und uns erneut freiwillig überprüfen lassen sollten.

Deshalb habe auch ich einen Antrag unterschrieben, um mich ein viertes mal auf Stasi-Mitarbeit überprüfen zu lassen.

Ich finde es ebenfalls gut, dass FDP und Grüne dieses Thema ebenso offensiv angehen und den Mitgliedern ihrer Fraktionen eine erneute Überprüfung empfohlen haben.

Positiv im Sinne des vereinten Deutschland ist auch, dass sich nicht nur die Landtagsabgeordneten der östlichen Bundesländer, sondern auch etliche westdeutsche Landtage überprüfen lassen wollen.

Ich möchte hier beispielhaft Niedersachsen, Hamburg und Baden-Württemberg nennen.

Umso mehr fällt auf, dass die Sozialdemokraten in Bund und Ländern zögerlich bis ablehnend an diese Frage herangehen.

Ich will mir mit Blick auf unsere gerade wiederhergestellte gemeinsame Aktionsfähigkeit jetzt versagen, dies hier weiter zu vertiefen. Ansonsten könnte ich ihnen schon einen sehr bunten Strauß aus Zitaten von zahlreichen SPD-Kollegen hierzu vortragen.

Es wäre aber wohl ein Akt der politischen Hygiene und ein Wahrnehmen des Vorbildcharakters, wenn auch die SPD-Bundestagsfraktion entsprechende Beschlüsse und Empfehlungen wie die anderen Fraktionen dieses Hauses fassen würde.

Mein Apell einen erneuten Antrag zu stellen, geht an alle Bundestagskollegen egal wo sie politisch oder regional herkommen. Die Zusammenarbeit aller Bundestags-fraktionen wird nämlich gerade in dieser Zeit immer wichtiger.

Als sich die letzten Tagen der DDR abzeichneten, ergriff die damaligen Machthaber und ihre Vasallen die Panik. Alles was an belastendem Material vorhanden war, sollte vernichtet werden.

Vieles wurde auch endgültig vernichtet. Aber nicht alles. In Zirndorf in Bayern lagern derzeit ca. 600 Millionen Schnipsel in 16.250 Säcken nur zerissener Unterlagen.

In mühsamer Handarbeit gelang es in den letzten Jahren einer Projektgruppe mit

40 Mitarbeitern ca. 550.000 Einzelblätter wieder zusammenzusetzen.

Die Dimension ist wahrlich gigantisch. Wenn die Geschwindigkeit von heute beibehalten wird, dann haben wir die Chance in 375 Jahren mit dieser Arbeit fertig zu werden.

Diese Puzzlearbeit ist wie das Ausschöpfen des Ozeans mit einem Teelöffel.

Häufig sind es nur diese zusammengesetzten Seiten, welche den Tätern von gestern heute noch zum Verhängnis werden.

So wurde beispielsweise, hierdurch ein Professer Bress aus Kassel enttarnt. Bress hatte mehr als 30 Jahre lang für das Agentenhonorar von 350.000 DM für die Stasi im Westen spioniert.

Ebenso fanden sich entscheidende Beweise gegen den Thüringer Landesbischoff Ingo Braeklein oder den Literaten Sascha Anderson in den Säcken mit vorver-nichteten Akten.

Aber auch wichtige Unterlagen von ausgespähten Stasi-Opfern wurden entdeckt. So wurden Akten über Bärbel Bohley oder Werner Fischer gefunden.

Es gibt allerdings jetzt neue technische Möglichkeiten. Es war erneut ein gemein-samer Antrag und Parlamentsbeschluß vom Dezember 2000, nach dem wir eine Ablösung des manuellen Verfahrens durch eine IT-gestützte Lösung gefordert haben.

Der Deutsche Bundestag forderte in seinem Beschluß die Bundesregierung auf, „diese Bemühungen im Rahmen des finanziell vertretbaren zu unterstützen.“

Aus 13 verschiedenen Anbietern ist in einer europaweiten Ausschreibung ein Anbieter ausgesucht worden.

Eine Machbarkeitsstudie die den Rekonstruktionszeitraum auf 5 Jahre abkürzen würde, liegt uns derzeit zur Entscheidung vor.

Allein durch dieses Verfahren sind die hierfür notwendigen Mittel bereits erheblich zusammengeschrumpft. Es sind aber immer noch knapp 58 Millionen Euro, die in fünf Jahren zu schultern wären.

Wir haben in ersten Bewertungen gemeinsam mit Mitgliedern des Haushaltsaussschusses versucht, diese Summe noch etwas zu drücken.

Wir wollen auch Verwerfungen wie bei anderen Privat/staatlichen Kooperationen -ich nenne hier nur die LKW-Maut- gar nicht erst entstehen lassen.

Jetzt wird sich auch erweisen, was an der vollmundigen Erklärung des innenpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, dran ist.

Er argumentierte bei der Ablehnung eines recht bescheidenen Haushaltsantrages meiner Fraktion im letzten Jahr: „Herr Büttner - wenn diese Lösung umsetzungsreif ist und wir Geld in die Hand nehmen müssen - werden wir für die notwendigen finanziellen Mittel sorgen.“

Meine Damen und Herren, wir werden Sie an Ihren Taten messen. Unsere Unterstützung hierfür haben Sie.

Spätheimkehrer

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

Die Entschädigung von Spätheimkehrern - welche auf das Gebiet der früheren DDR entlassen worden sind - ist wahrlich kein Ruhmesblatt für den Deutschen Bundestag.

Wie ich immer wieder betont habe, kann ich leider meine eigene Fraktion von der Kritik nicht ausnehmen. Allerdings ging auch von keiner anderen Fraktion des Bundestages eine für die Heimkehrer positive Initiative aus.

Wir haben also alle gemeinsam zu verantworten, dass wir die betroffenen Menschen bisher im Stich gelassen haben.

Aus diesem Grund, hatte ich bei den Beratungen im Innenausschuß darum gebeten, auf die sonst üblichen parteipolitischen Schuldzuweisungsrituale zu verzichten. Dieser Appell ist leider weitesgehend fruchtlos geblieben.

Wie wir in der beeindruckenden Anhörung feststellen konnten, ist dies die allerletzte Chance, für die von der Geschichte so hart gebeutelten Menschen, eine Entschädigungsleistung des demokratischen Deutschland auch noch erleben zu können.

Die Jüngsten dieser hochbetagten Menschen sind nämlich mittlerweile 80 Jahre alt.

Für mich war die Anhörung aufschlussreich und interessant. Aufschlussreich, weil mehr als 250 Betroffene trotz ihres hohen Alters nach Berlin kamen und sich nachdrücklich für eine Entschädigung, für ihre Gleichbehandlung und Gerechtigkeit in Deutschland einsetzten.

Bei den Spätheimkehrern handelt es sich um Menschen, die als Kriegsgefangene zwei oder mehr Jahre in der Gefangenschaft vieler Siegerstaaten waren.

Die Kriegsgefangenen die in das westliche Deutschland entlassen worden sind, erhielten Leistungen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz.

Die Gesamtentschädigung war auf einen Höchstbetrag von immerhin 12.000 DM begrenzt worden.

Kriegsgefangene mit dem gleichen Schicksal, die in die SBZ oder die spätere DDR entlassen worden sind, erhielten hingegen außer 50 Ostmark keinerlei Ent-schädigungszahlungen. Im Gegenteil, sie mussten für den verbrecherischen Krieg der braunen Diktatur doppelt und dreifach bezahlen.

Wir haben in der Anhörung erschütternde Berichte gehört, welchen Pressionen diese Menschen auch noch durch die rote Diktatur in der DDR ausgesetzt waren.

Vertreter der Regierungskoalition wiedersprechen dem Wunsch nach einer Ent-schädigung mit dem Argument, dass die Entschädigungsleistungen im Westen

lediglich eine Eingliederungshilfe in die deutsche Gesellschaft gewesen wäre.

Der Gesetzestext des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes von 1954 spricht allerdings eine andere Sprache: Hier heißt es in §3 wörtlich:

Für das Festhalten im ausländischen Gewahrsam wird eine Entschädigung gewährt.

Nun sagen Sie - nun ja das ist der Wortlaut des Gesetzes - aber vom Charakter war das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz eben doch nur eine Eingliederung in die westdeutsche Gesellschaft.

Aber liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Argumentation wird allein durch die puren Fakten wiederlegt. Das erste Gesetz wurde erst neun Jahre nach Kriegsende verabschiedet. Die zahlreichen Neufassungen wurden teilweise sogar mehr als 20 Jahre nach Kriegsende beschlossen.

Zum Zeitpunkt der finanziellen Leistung an die Betroffenen im Westen, war die Eingliederung allein durch Zeitverzug zumeist völlig abgeschlossen gewesen.

Diese Anhörung hat uns überhaupt in vielen Bereichen neue Erkenntnisse geliefert:

So zur Zahl der Berechtigten.

Die Zahlen die uns vorliegen, sind durch eine offizielle Mitteilung des Präsidenten des Statistischen Bundesamtes ermittelt worden. 1998 ging das Bundesamt noch von insgesamt 50.000 berechtigten Personen aus.

Aufgrund der hohen Sterblichkeitsquote aus den Statistiken des Heimkehrer-verbandes dürften jetzt nur noch 24.000 ehemalige Kriegsgefangene und nur noch 14.000 sogenannte Geltungskriegsgefangene, dass sind verschleppte Zivilpersonen, leben.

Damit würde dem Bund diese Entschädigungszahlung jetzt nur noch 22 Millionen Euro kosten. Es fällt schwer, unter dem Eindruck der immer mehr zurückgehenden Zahlen, nicht zynisch zu argumentieren.

Neue Erkenntnisse gab es scheinbar auch durch einen Beitrag unseres Kollegen Hans-Joachim Hacker, welcher darlegte, dass für die Zwangsdeportierten aus den früheren deutschen Ostgebieten längst eine Regelung gefunden worden sei.

Die Geltungskriegsgefangenen, wie die besonders bestialisch gequälte Frau Nowacki, hätten einen Anspruch auf Leistungen aus dem Fond der Stiftung für Politische Häftlinge.

Herr Hacker erweckte den Eindruck, durch Gesetzesänderungen und durch Aufstockung des Stiftungsbetrages hätte es bei etwas mehr Pfiffigkeit der Antragsteller längst zu einer Entschädigung kommen können.

Doch leider weit gefehlt. Welche Enttäuschung als wir feststellen mussten, dass uns im wesentlichen finanzielle Luftschlösser und Trugbilder als Alternativen vorge-gaukelt worden sind.

Realität ist: Derzeit warten über 800 anerkannte ehemalige politische DDR-Häftlinge auf eine Unterstützung - wie soll da eine Leistung für eine neue Gruppe wie die Geltungkriegsgefangenen noch zusätzlich finanziert werden?

Wenn also die bisherigen klassischen Leistungen von dieser Stiftung nicht erbracht werden können, dann ist ihr Hinweis auf die 14.000 Zivilverschleppten reine Augenwischerei.

Zumal auch die Heimkehrerstiftung mit dem Rücken an der Wand steht und ihre ureigenen Aufgaben nicht finanzieren kann.

Selbst der Vertreter der Bundesregierung in der Anhörung, Herr Ministerialrat Kind sowie der Sachverständige Dr. Koch und Herr Oppermann von der Heimkehrer-stiftung führten aus, dass auch die finanzielle Ausstattung der Heimkehrerstiftung zu wünschen übrig lasse und das Stammvermögen in diesem Jahr aufgebraucht sei.

Bleibt also als dritter Pfeiler ihrer sehr dünnen Argumentation nur noch übrig, dass mit der Entschädigung für die Spätheimkehrer ein erneuter Präzedenzfall aufgerissen würde.

Auch das ist ein reines Scheinargument. Andere Gruppen aus den neuen Bundes-ländern haben sich nicht mit Entschädigungsforderungen als Kriegsfolgelasten gemeldet.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen,

Sie haben bereits vor zwei Jahren ein moralisches und politisches Armutszeugnis abgeliefert, in dem Sie damals einen Vorschlag, der auch von Abgeordneten ihrer Fraktion miterarbeitet worden ist, niedergestimmt.

Heute haben Sie die Chance, diese Fehlentscheidung zu korrigieren und zumindest etwas späte Gerechtigkeit in Deutschland zu schaffen.

Rehabilitierungsgesetzänderungsgesetz

Herr Präsident,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

der Deutsche Bundestag hat mit zahlreichen Initiativen und Gesetzen versucht, das von der SED-Diktatur zu verantwortende schreiende Unrecht aufzuarbeiten und wo es noch möglich war, die Folgen zumindest etwas zu mildern.

Kernstücke waren die beiden SED-Unrechtsbereinigungsgesetze vom 29.10.1992 und 23.6.1994. Diese Gesetze sind in den Folgejahren weiter verbessert worden.

Gerade wir Abgeordnete, die wir uns seit Jahren immer wieder für die Opfer der 2. Diktatur auf deutschem Boden einsetzen und engagieren, haben es als bitteren Schlag empfunden, daß ausgerechnet die ehemals systemnahen Personen - einschließlich der Stasimitarbeiter - rentenrechtlich durch ein Urteil besser gestellt werden mußten. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war vom Deutschen Bundestag umzusetzen. Der Gesetzgeber war aber frei in seinen Handlungsmöglichkeiten, auch den Rentenbezug der Opfer des SED-Regimes zu verbessern.

Die Fraktionen von SPD und Grünen in diesem Haus haben es zu verantworten, daß die Schere zwischen Tätern und Opfern jetzt weiter denn je auseinanderklafft. Unser Antrag, für die Haft- und Zersetzungsopfer eine monatliche Ehrenpension von 1.000 DM zu zahlen, wurde alternativlos abgelehnt. Damit wird das Gefühl der SED-Opfer und ihrer Verbände verstärkt, erneut zu den Verlierern der deutschen Geschichte zu gehören.

Wir sollten auch aus diesen Erfahrungen heraus einen Vorschlag aufgreifen, der uns von den Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehmaligen DDR bereits im Februar erreichte. Die fünf Landesbeauftragten von Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Berlin, Thüringen und Sachsen regten an, die am 31.12. diesen Jahres auslaufende Frist zur Antragstellung für die beiden SED-Unrechtsbereinigungsgesetze unbefristet zu verlängern.

Als Begründung wurde genannt, daß noch breite Kreise von Berechtigten von den rechtlichen Möglichkeiten der Rehabilitierung nichts erfahren hätten. Als Beleg wurden Aktionen der Landesbeauftragten in Thüringen und Sachsen-Anhalt genannt, nach denen zahlreiche Personen erstmals Anträge nach Vor-Ort-Beratungen gestellt haben. Die Landesbeauftragten waren selbst überrascht über das plötzliche zahlenmäßige Ansteigen der Antragstellungen nach den Aktionen. Auch 11 Jahre nach der Wiedervereinigung besteht immer noch ein Beratungsbedarf.

Damit SED-Opfer am 2. Januar 2002 nicht eine weitere Enttäuschung ihrer Erfahrungen mit dem demokratischen Deutschland hinzufügen müssen, sollte der Deutsche Bundestag die Frist für die Antragstellung beider Gesetze verlängern.

Die Landesbeauftragten hatten sogar angeregt, die Fristen aus den Rehabilitierungsgesetzen ganz zu streichen. Die FDP-Fraktion schlägt eine Verlängerung um zwei Jahre vor. Von der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien hört man überhaupt nichts zu diesem Thema. Obwohl alle Fraktionen des Deutschen Bundestages zweimal im Februar und Oktober von den Landesbeauftragten und auch von den Opferverbänden VOS, BSV und Bürgerbüro im Juni angeschrieben worden sind, gab es von der Koalition bisher keinerlei Reaktion.

Sie, meine Damen und Herren, sollten die Gelegenheit jetzt nutzen, um sich in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages unseren Antrag zu eigen zu machen.

Wir werden in den Ausschüssen den Antrag stellen, die Antragsfrist für Leistungen nach dem strafrechtlichen-, verwaltungsrechtlichen und beruflichen Rehabilitierungsgesetz bis zum 31.12.2006 zu verlängern. Wir verbinden diesen Verlängerungsantrag mit dem Wunsch und der Aufforderung, daß diese fünf Jahre von allen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen, die sich mit der SED-Opfer-Thematik befassen, genutzt werden müssen, um die Betroffenen über die Rehabilitierungsmöglichkeiten zu beraten.

Neben den Opferverbänden sollten vor allem die Landesbeauftragten für die Stasi-Akten ihre Aktionen auch über die anderen Länder ausdehnen. Damit hätten wir einen Beitrag für mehr Rechtsfrieden und mehr Gerechtigkeit in Deutschland geleistet.

Extremismus

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

die Ungeister von gestern scheinen wieder auferstanden zu sein. Rechtsextremisten in Uniformen und Knobelbechern marschierten durch das Brandenburger Tor.

Ausländer und fremdartig erscheinende Menschen in unserem Land haben zunehmend Angst. Einige von ihnen wurden bedrängt, gejagt und sogar getötet.

Deutschland im Herbst 2000 scheint ein Land geworden zu sein, daß seine Weltoffenheit als Kultur-, Import- und Gastland einer großen Prüfung unterzieht.

Die Zahlen des Bundesamtes für Verfassungsschutz belegen, daß die Demokraten in Deutschland die Entwicklung des rechten Extremismus genau beobachten und ihnen klar entgegen treten müssen. Ende des letzten Jahres gab es immerhin 134 rechtsextremistische Organisationen und Zusammenschlüsse. 10.037 Straftaten wurden von Rechtsextremisten verübt, davon 746 Gewalttaten, darunter ein Tötungsdelikt. Im ersten Halbjahr dieses Jahres scheinen die Gewalttaten etwas rückläufig zu sein. Gegenüber 402 im Vorjahr reduzierten sie sich auf 330. Es wäre schön, wenn sich die Tendenz einer abnehmenden Gewaltanwendung auch im 2. Halbjahr fortsetzen würde. Ich warne aber vor eine vorschnelle Entwarnung. Fast drei Viertel der rechtsextremen Gewalttäter sind Jugendliche. Gerade in diesem Bereich ist es entscheidend, daß die staatliche Reaktion möglichst rasch erfolgt. Eine schnelle, konsequente und spürbare Ahndung der Straftat mit einer raschen Aburteilung, beeindrucken den jugendlichen Täter mehr, als eine Strafe die erst nach vielen Monaten verhängt wird. Deshalb sollten wir gemeinsam möglichst schnelle Gerichtsverfahren einfordern. Je schneller die Strafe der Tat tatsächlich auf dem Fuße folgt, um so eher wirkt die Strafe auch präventiv. Dabei sollten Deutschlands Richter gerade gegenüber jugendlichen Tätern das Instrumentarium um sogenannte pädagogische Strafen erweitern können. So fordere ich die Einführung eines Warnarrestes. Die zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe wird von vielen Jugendlichen kaum als Sanktion wahrgenommen. Die gleichzeitige Anordnung eines Jugendarrestes würde dem jungen Menschen nachdrücklich den Ernst der Lage vor Auge führen. Sollten hierzu gesetzliche Ergänzungen notwendig sein, ist meine Fraktion dazu bereit.

Natürlich muß der rechtsextremen Szene auch die Möglichkeit zu medienwirksamen Aufmärschen und Veranstaltungen genommen werden. Dabei wird es auch zu einer Änderung des Versammlungsrechts kommen müssen. Beschämende Bilder, wie am 29.Januar hier in Berlin, dürfen sich nicht wiederholen. Daß Neo-Nazis mit schwarz-weiß-roten Fahnen durch das Brandenburger Tor marschieren können, ist unerträglich. Solche Bilder beschädigen das Ansehen unseres Landes vor der ganzen Welt.

Diese öffentlichen Ereignisse und die zahlreichen Gewalttaten lassen selbst bei Politikern des linken politischen Lagers zunehmend nach einer stärkeren Rolle von Polizei und Justiz rufen.

Viele von ihnen haben sich in der Vergangenheit sehr zurückhaltend oder ablehnend gegenüber polizeilichem Handeln gezeigt und vor allem sozialpädagogischen Konzepten den Vorzug gegeben.

Auch die Rolle des Verfassungsschutzes wurde aus diesen Kreisen mehr als eine Gefahr für die innere Liberalität, als ein Eckstein der wehrhaften Demokratie angesehen. Traurigstes Beispiel ist für mich mein Heimatland Sachsen-Anhalt. Die frühere bürgerliche Koalition aus CDU und FDP hatte den Verfassungsschutz behutsam aufgebaut. Ca. 120 Mitarbeiter zählte der Verfassungsschutz beim Regierungswechsel 1994. Er sollte mittelfristig auf 150 Mitarbeiter ausgebaut werden. Seit dem Regierungswechsel zu einer PDS gestützten Minderheitsregierung, gab es hier auch einen totalen Kurswechsel. Unter dem Druck der PDS wurde der Verfassungsschutz auf 80 Personen reduziert. Mit der Hälfte der ursprünglich vorgesehenen Mitarbeiter, soll eine deutlich gestiegene Bedrohungslage beobachtet werden. Mein Heimatland hat sich leider zu einem Schwerpunktfeld rechtsextremistisch motivierter Straftaten entwickelt. Bezogen auf die Einwohnerzahl hatten wir sowohl 1998 als auch 1999 die meisten Gewalttaten mit rechtsextremen Hintergrund aller 16 deutschen Bundesländer. Auf dem Altar des unsäglichen Magdeburger Modells wurden die Sicherheitsinteressen unserer Mitbürger geopfert.

Aber auch einige andere Länder, wie z. B. Niedersachsen, haben nicht anders gehandelt. Niedersachsen reduzierte während der Amtszeit des Ministerpräsidenten Gerhard Schröder seinen Verfassungsschutz um nahezu die Hälfte. Damit haben Sie dem Rechtsstaat die Mittel genommen, die Totengräber unseres Gemeinwesens von rechts und links zumindest wirkungsvoll beobachten zu können.

In einem Expertengespräch des Innenausschusses im März 1998 zum Thema Rechtsextremismus in Deutschland stellten wir bereits große Unterschiede auch zwischen den ostdeutschen Bundesländern bei Maßnahmen gegen den rechten Extremismus fest. Es war das christlich-demokratisch regierte Sachsen, welches mit der Sonderkommission Rechtsextremismus konsequent gegen die Gefahren von rechts vorging. Auch im CDU-regierten Thüringen wird die gleiche Entschlossenheit gegen den Extremismus angewandt. Gerade die schnelle Aufklärung des verbrecherischen Brandanschlages auf die Erfurter Synagoge im April diesen Jahres ist ein weiteres positives Beispiel aus Ostdeutschland. Nicht zuletzt die rasche Verurteilung und Bestrafung der Täter hat die rechtsradikale Szene deutlich beeindruckt. Der Inspekteur der sächsischen Polizei stellte in unserer Anhörung dar, daß eine unnachsichtige Verfolgung die einzige Sprache sei, die Rechtsextreme verstehen würden.

Lange, fast zu lange hat es gedauert, bis diese Auffassung auch im linken und grünen Lager mehr und mehr an Boden gewinnt.

Die besondere Anfälligkeit von Menschen aus den neuen Bundesländern für den rechten Ungeist ist bereits mannigfaltig analysiert worden.

Dr. Rainer Erb vom Zentrum für Antisemitismusforschung sieht die Wurzeln in der mangelhaften Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in der DDR. Die DDR hatte einen selbstausgestellten Persilschein, garantiert faschismusfrei zu sein.

Trotzdem gab es auch in der DDR rechtsextremistische Tendenzen, die natürlich alle unter der Decke gehalten wurden.

Gewalttätiger Höhepunkt war ein Skinheadüberfall auf die Ost-Berliner Zionskirche 1987. Die Haltung von Skinhead-Gruppen, die in Cottbus, Dresden, Halle, Magdeburg, Erfurt und Leipzig auffällig geworden waren, charakterisierte die FDJ als durch „Brutalität, Gewalt, Neofaschismus, Antisemitismus und Ausländerhaß gekennzeichnet. Dokumente über diese Vorfälle kann man in der Gauckbehörde umfassend nachlesen.

Frau Kahane von der Arbeitsstelle für Ausländerfragen und Jugendaustausch sieht in einem Mix aus fehlenden demokratischen Erfahrungen, Unkenntnis im Zusammenleben mit Ausländern, einer Ablehnung des Schutzes von Minderheiten und sozialer Unsicherheit die Hauptursachen für die stärkere Bedeutung des Rechtsextremismus in den neuen Ländern.

Aber ich möchte davor warnen, daß das Thema Rechtsextremismus so einfach als ostdeutsche Besonderheit dargestellt wird. Ich bin dem Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland Michael Friedmann dankbar, daß er klarstellte, man dürfe den Rechtsextremismus nicht in Ostdeutschland „entsorgen“.

Es war ein ermutigendes Zeichen, daß sich nach den Geschehnissen in Lübeck so viele Menschen in Deutschland empört haben. Es darf jetzt nicht heißen, „das ist eben Ostdeutschland“.

Wir haben in ganz Deutschland diese Probleme. Nur bei uns in den neuen Ländern hat der Rechtsextremismus eine besondere Dimension. Die Rechtsextremen setzen dabei neuerdings auch auf ein „Erbe des wahrhaften nationalen Sozialismus.“ Die NPD präsentiert sich klar als Partei mit sozialistisch-antikapitalistischen Inhalten. Als Chefideologe des sächsischen NPD-Landesverbandes, macht der Verfassungsschutz mit Prof. Dr. Nier, einen ehemaligen Professor für Dialektischen und Historischen Materialismus aus. Im Mai vergangenen Jahres gründete sich in der Partei eine Arbeitsgruppe „Sozialisten in der NPD“.

Meine Damen und Herren von der PDS. Ihre Unruhe und Besorgnis ist durchaus begründet. Bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt kandidierte die rechtsextreme DVU nur mit einer Landesliste. Keine andere rechtsextremistische Partei war im Angebot im Wettbewerb um die Erststimme. Die meisten Erststimmen der DVU-Wähler, erhielt mit 23 % die PDS. Dieses Wahlergebnis wird auch durch eine im „Spiegel“ veröffentlichte neuere Umfrage bestätigt. 17 % der PDS-Wähler könnten sich vorstellen, auch eine rechte Partei zu wählen. Soviel rechtsradikales Potential zählen Meinungsforscher bei keiner Anhängerschaft einer anderen Partei.

PDS-Vordenker Andree Brie sagte auch warum: "Im Staat des real existierenden Sozialismus seien die Menschen zu Autoritätshörigkeit, Hierarchiedenken und Harmoniesucht erzogen worden, die wörtlich - einen Nährboden für die Neonazis bilden."

Wie überhaupt die extremistischen Ideologien von rechts und links sich im Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung häufig einig sind. Die Grenzlinien zwischen rechts und links verschwimmen bei den Nationalrevolutionären von rechts und Nationalkommunisten von links immer mehr.

Für uns als Demokraten sollte auch deshalb nicht die ideologische Ausrichtung der Extremisten von Bedeutung sein, sondern allein ihr Kampf gegen unser demokratisches Gemeinwesen. Denn bei den Gewalttaten liegen rechts und links nicht weit auseinander. 1999 standen 746 rechtsextreme Gewalttaten 711 linksextremen Gewalttaten gegenüber. In dieser Frage sollten sich die Union, die SPD, die Grünen und die FDP einig sein.

Die frühere Bundesregierung aus Union und FDP hatte auf diesem Feld bereits eindeutige Eckpunkte gesetzt:

13 Verbotsverfügungen gegen rechtsextremistische Vereinigungen in Bund und Ländern

eine personelle Verstärkung der Abteilung Rechtsextremismus des Bundesamtes für Verfassungsschutz

Die öffentliche Kampagne „Fairständnis- Menschenwürde achten - gegen Fremdenhaß"

Die Verwendung auch von verfremdeten oder verzerrten Symbolen nationalsozialistischer oder anderer verbotener Organisationen wurden unter Strafe gestellt.

Im Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994 gab es einen ganzen Katalog von Maßnahmen um den Rechtsextremismus einzudämmen.

In unserem heute vorliegenden Antrag fordern wir diesen Weg konsequent fortzusetzen. Neben Maßnahmen der Polizei und der Justiz, muß vor allem eine umfassende Präventionsarbeit vor Ort dem Extremismus das Wasser abgraben. Wir haben eine ganze Reihe von Vorschlägen erarbeitet, wie die Erziehungskraft der Familien gefördert, die Schulen bei ihrer Erziehungsaufgabe unterstützt und letztlich die Bürgergesellschaft hierbei gestärkt werden kann. Wir wollen eine nachhaltige Bekämpfung des Extremismus aller Schattierungen. Solche Parteien, die durch mangelnde Trennschärfe selbst Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes sind, fallen für uns dabei als Bündnispartner aus. Nach dem Verfassungsschutzbericht von Baden Württemberg haben sich so besonders die westlichen Landesverbände der PDS - ich zitiere wörtlich- zum Tummelplatz von Linksextremisten verschiedener Herkunft entwickelt.

Wir schauen geschärft auf die gesamte extreme Szene, denn die Union ist nicht auf einem Auge blind. Ich würde mir wünschen, daß wir nach zehn Jahren Deutscher Einheit in diesem Bundestag damit nicht allein bleiben.

Einsatz von Bildauswertungssystemen

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

in den letzten Tagen der DDR, als sich abzeichnete, daß die 2. deutsche Diktatur zu Ende gehen wird, ergriff die damaligen Machthaber und ihre Vasallen die Panik.

Alles an belastendem Material sollte vernichtet werden, was zu vernichten ging.

Dies war gar nicht so einfach. Die SED-Diktatur und ihr Schwert und Schild:

Die Stasi - ist nicht zuletzt an den Massen von Papier erstickt. Zwischen Wichtigem, sehr Wichtigem und Banalem, blickte bei den Unmengen von Akten kaum noch jemand durch.

Die Hoffnung, möglichst alles an Belastungsmaterial verbrannt oder zerrissen zu haben, war ein wenig trügerisch. Und deshalb müssen bis heute viele kleine und große Täter zittern, ob denn nicht tatsächlich noch irgendwo Akten herumschwirren.

Denn das MfS war neben aller Unmenschlichkeit, eine bürokratische und typisch deutsche Behörde. Neben dem Original, gab es immer wenigstens einen Durchschlag. Meist sogar mehrere. Von der Kreisbehörde, zum Bezirk bis Ost-Berlin und sogar Moskau reichte die Kopierwut der DDR-Bürokraten. Der Durchschlag ist vielen, die Menschenrechte verletzt und die Diktatur durch ihr Tun am Leben gehalten haben, in den letzten Jahren zum oft einzigen Beleg für ihr schändliches Tun geworden. Neben dem intakten Durchschlag waren es aber auch immer wieder zusammengesetzte Schnipsel von vorvernichtetem Material, die den Tätern von gestern zum Verhängnis wurden.

So wurde beispielsweise durch dieses Material Professor Bress aus Kassel enttarnt.

Bress hatte mehr als 30 Jahre lang für das Agentenhonorar von 350.000 DM im Westen für die Stasi spioniert. Ebenso fanden sich entscheidende Beweise gegen den Thüringer Landesbischof Ingo Braeklein oder den Literaten Sascha Anderson unter den zusammengesetzten Schnipseln. Aber auch wichtige Materialien von ausgespähten Stasi-Opfern wurden entdeckt. So wurden wichtige Akten über Bärbel Bohley oder Werner Fischer gefunden.

Immerhin gelang es in den letzten Jahren einer Projektgruppe mit 40 Mitarbeitern in Zirndorf, ca. 350.000 Einzelblätter wieder zusammenzusetzen. Diese Puzzlearbeit ist wie das Ausschöpfen des Ozeans mit einem Teelöffel. Wenn die Geschwindigkeit von heute beibehalten wird, dann haben wir die Chance in 375 Jahren mit dieser Arbeit fertig zu werden.

Es gibt jetzt allerdings neue technische Möglichkeiten. Mittels einer modernen Bildverarbeitung ist es möglich, die Rekonstruktionszeit erheblich abzukürzen. Wegen des Neuheitsgrades der angestrebten Lösungen, sollte in einem mehrstufigen Ausschreibungsverfahren, das Projekt schrittweise präzisiert und letztlich an den günstigsten Anbieter vergeben werden. Maßgebliche Kriterien sollen vor allem die Rekonstruktionszeit, Qualität, Zuverlässigkeit und nicht zuletzt der Preis sein.

Gemeinsam mit der Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR wollen wir, daß der Deutsche Bundestag dieses Verfahren vorantreibt. Die Behörde der Bundesbeauftragten ist bisher als Gauck-Behörde bekannt geworden. Ob diese Behörde bald genau so kurz Birthler-Behörde genannt werden kann, wird sich in den nächsten Monaten und Jahren erweisen. Ein Kriterium hierfür ist sicherlich die Weiterführung des Aufarbeitungsprozesses.

Hierbei müssen wir jetzt bald entscheiden, ob wir die Arbeit in Zirndorf ganz einstellen, oder die neuen Verfahren anwenden wollen. Die andere mögliche Alternative - noch mehr als 300 Jahre warten zu wollen - wird wohl niemand in diesem Haus als eine solche ansehen wollen.

Wir sollten bei dieser Frage, wie bei allen Einzelfragen die den Stasi-Bereich betreffen, die Zusammenarbeit von Union und FDP mit den heutigen Regierungsparteien weiterführen. Ich möchte Sie, von der SPD, den Grünen und der FDP herzlich einladen, um die Umsetzung unserer Initiative gemeinsam zu gestalten.

Die PDS hatte in allen Fragen der Stasiproblematik aus guten Gründen nicht mitgewirkt.

Die großartige Akzeptanz des Stasi-Unterlagen-Gesetzes bei den Menschen in den neuen Bundesländern, ist gerade auf die Zusammenarbeit der großen Mehrheit des Deutschen Bundestages zurückzuführen.

Wir sollten es bei dieser aktuellen Frage genau so halten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.