Menschenrechtsausschuss fordert Putin zur Einhaltung der Menschenrechte auf
Anlässlich des Besuchs des russischen Präsidenten
Wladimir Putin am 9. Februar 2003 in Deutschland hat der Ausschuss
für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe in einer
Sondersitzung heute einstimmig folgende Erklärung
verabschiedet:
?Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
ist tief besorgt über die anhaltenden schweren
Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien, für die beide
Konfliktparteien - das russische Militär und die
tschetschenischen Kämpfer - verantwortlich sind. Der aktuelle
Bericht einer Delegation des Europarates, die sich vor wenigen
Tagen in Tschetschenien ein Bild von der Situation vor Ort gemacht
hat, hat diese Sorge noch verstärkt. Um so mehr fordert der
Ausschuss die Kollegen im russischen Parlament auf, alles zu
unternehmen, damit ihre Weihnachtsbotschaft, 2003 zu einem Jahr des
Friedens und des Wiederaufbaus in Tschetschenien machen zu wollen,
umgesetzt wird.
Die Gegenwart sieht allerdings düster aus: Mitglieder der
russischen Armee tragen den Konflikt rücksichtslos auf dem
Rücken der tschetschenischen Zivilbevölkerung aus. Terror
und Einschüchterung sind allgegenwärtig; bei
"Säuberungsaktionen" finden Plünderungen,
Vergewaltigungen und extralegale Tötungen statt, und fast
täglich berichten Nichtregierungsorganisationen, dass Menschen
verschwinden, nachdem sie von Armeekräften verhaftet worden
sind. Häufig werden später ihre Körper
verstümmelt aufgefunden. Auch der "Kampf gegen den
Terrorismus" rechtfertigt solche Taten nicht.
Das Leid der Zivilbevölkerung ist der Weltöffentlichkeit
kaum bekannt. Journalisten und Vertreter internationaler
Organisationen erhalten nur selten eine Einreisegenehmigung
für Tschetschenien, und die Weigerung Russlands, das
auslaufende Mandat der OSZE zu verlängern, wird Tschetschenien
noch weiter von der Welt isolieren.
Offenbar kann oder will die russische Administration die
Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien nicht beenden. Ebenso
greift die Staatsanwaltschaft bisher nicht wirkungsvoll ein. Seit
Jahren dokumentierte Verbrechen, ja sogar Massaker mit vielen
Toten, sind nicht aufgeklärt, die Schuldigen nicht zur
Rechenschaft gezogen. In einem solchen "Klima der Straflosigkeit"
werden die Täter geradezu ermutigt, Terror und Gewalt
fortzusetzen.
Auch aus humanitärer Sicht ist für die tschetschenische
Bevölkerung ein "normales" Leben nicht mehr möglich,
insbesondere im Winter. Infrastruktur, Gesundheitswesen und
Versorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Energie sind im Laufe
des Krieges fast völlig zusammengebrochen. Russische
Bemühungen, Tschetschenien wieder aufzubauen, sind bislang nur
in Ansätzen erkennbar. Die von der russischen Administration
zum Teil mit Druck geförderte Rückkehr tschetschenischer
Flüchtlinge aus Inguschetien ist deshalb nicht nur
unmenschlich, sondern auch gesellschaftlich kontraproduktiv. Durch
die Rückkehrer verschärft sich die Situation vor Ort nur
noch mehr.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
fordert Präsident Putin mit allem Nachdruck auf,
- sich für eine dauerhafte politische Lösung in Tschetschenien unter Einbeziehung authentischer tschetschenischer Repräsentanten - gegebenenfalls unter internationaler Vermittlung - einzusetzen,
- das humanitäre Völkerrecht zu achten und den Menschenrechtsverletzungen durch Mitglieder der russischen Armee Einhalt zu gebieten,
- das Mandat der OSZE für Tschetschenien zu verlängern,
- konsequent Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, die Täter zu bestrafen und eine effektive Verwaltung und Justiz zu schaffen,
- die humanitäre Situation der tschetschenischen Bevölkerung zu verbessern und den Wiederaufbau des Landes voranzutreiben.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe bittet die Bundesregierung, diese Forderungen in ihren Gesprächen mit dem russischen Präsidenten zu vertreten. Der Ausschuss ist der festen Überzeugung, dass eine friedliche Nachkriegsordnung in Tschetschenien nur geschaffen werden kann, wenn auch jetzt schon während der schwierigen Suche nach einer politischen Lösung konsequent menschenrechtliche und humanitäre Aspekte beachtet werden.'
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