Blickpunkt Bundestag
Dezember 06/1998
Wieder voller Lohn für Kranke Scheinselbständigkeit bekämpfen(as) Mit 375 Ja-Stimmen gegen 236 Nein-Stimmen hat der Bundestag am 10. September den Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte (14/45) in der vom Fachausschuß geänderten Fassung (14/151) angenommen. Ein Änderungsantrag der PDS (14/170) fand keine Mehrheit. In der gleichen Sitzung lehnte das Parlament einen Gesetzentwurf der F.D.P. zum Kündigungsschutz (14/44) ab. Das ab dem 1. Januar nächsten Jahres gültige Gesetz sorgt für Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), beim Kündigungsschutz, bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, im Betriebsverfassungsgesetz sowie beim Arbeitnehmer-Entsendegesetz.Festgelegt wurde unter anderem, den mit dem Rentenreformgesetz 1999 eingeführten demographischen Faktor in der Rentenformel für die Jahre 1999 und 2000 ebenso auszusetzen wie die Änderungen bei den Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten und die Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente für Schwerbehinderte, Berufs- und Erwerbsunfähige. Kriterien festgelegtDarüber hinaus wird die Erfassung scheinselbständiger Arbeitnehmer in der Sozialversicherung erleichtert, und arbeitnehmerähnliche Selbständige werden in der Rentenversicherung pflichtversichert. Dazu wird im Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), ein Kriterienkatalog für die Feststellung einer vermuteten Scheinselbständigkeit festgelegt, von dem mindestens zwei Kriterien erfüllt sein müssen. Als scheinselbständig gilt demnach, wer erwerbsmäßig tätig ist und im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen keine Angestellten hat, "regelmäßig und im wesentlichen" nur für einen Auftraggeber tätig ist, für Beschäftigte typische Arbeitsleistungen erbringt, insbesondere Weisungen des Auftraggebers unterliegt und in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert ist, oder nicht aufgrund unternehmerischer Tätigkeit am Markt auftritt. Von der Regelung nicht betroffen sind Handelsvertreter. Wer die Vermutung der Scheinselbständigkeit nicht widerlegen kann, muß Sozialversicherungsbeiträge einzahlen. Das Parlament beschloß ferner, den Beitragssatz in der Rentenversicherung zum 1. April nächsten Jahres von 20,3 auf 19,5 Prozent zu senken. Dies sei möglich durch Beiträge des Bundes für die Kindererziehung und Erstattung von Kosten der Deutschen Einheit ohne Anrechnung auf den zusätzlichen Bundeszuschuß, heißt es in dem Gesetz. Im Bereich des SGB 111 wird die freie Förderung für die Projektförderung geöffnet, um Projekte für schwervermittelbare Jugendliche finanzieren zu können. Zudem wird es eine Sonderregelung zur Finanzierung des Sofortprogramms der Regierung zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit durch die Arbeitsanstalt geben.Eine weitere Änderung betrifft den Kündigungsschutz. Der Schwellenwert, bis zu dem Betriebe dem Kündigungsschutzgesetz nicht unterliegen, wird von zehn Arbeitnehmern wieder auf fünf Arbeitnehmer herabgesetzt, und die Einschränkungen der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen werden weitgehend zurückgenommen. Der dazu von den Liberalen vorgelegte Gesetzentwurf (14/44) zielte darauf ab, den Schwellenwert von 10 auf 20 Arbeitnehmer anzuheben. Kuren nicht anrechnenDie rot-grüne Initiative bewirkt ferner, daß im Krankheitsfall und bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation eine Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 Prozent wieder für alle Arbeitnehmer sichergestellt wird. Auch ist es wieder unzulässig, Krankheitstage oder Kuren, bei denen ein gesetzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, auf den Erholungsurlaub anzurechnen. Darüber hinaus wird die Befristungsregelung für den Interessenausgleich im Betriebsverfassungsgesetz ebenso aufgehoben wie die bis zum 1. September 1999 geplante Befristung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Letzteres wird zudem um eine Rechtsverordnungsermächtigung für den Bundesarbeitsminister ergänzt, aufgrund derer bei Vorliegen eines Antrags auf Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages die Einhaltung tarifvertraglicher Arbeitsbedingungen "zwingend' vorgeschrieben werden kann. Damit wird der Mindestlohn auf Baustellen dauerhaft verankert. Eine verschuldensunabhängige Haftung des Generalunternehmers wird ebenfalls eingeführt.Tarifpartner hörenDurch die Beratung im Fachausschuß ergänzt wurde der Hinweis, daß vor Erlaß der Rechtsverordnung durch den Minister dieser den betroffenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie den Parteien des Tarifvertrages Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gibt, um sicherzustellen, daß die Interessen aller Betroffenen in das Verordnungsverfahren einbezogen werden. Zu den finanziellen Auswirkungen des Gesetzes heißt es in dem Bericht, die Maßnahmen im Bereich der Rentenversicherung belasteten den Bundeshaushalt 1999 im Nettoergebnis mit 9,25 Milliarden DM. Durch die Minderausgaben bei den Lohnersatzleistungen, die sich durch die Senkung des Rentenversicherungsbeitrages ergeben, werde der Bund 1999 um 500 Millionen DM entlastet. Die entstehenden Mehrausgaben sollen durch das Aufkommen aus dem Einstieg in die ökologische Steuer- und Ausgabenreform einschließlich der darauf entfallenden Mehrwertsteuer und aus den steuerlichen Folgewirkungen der Beitragssatzsenkung ausgeglichen werden. Die Finanzierung erfolge im Rahmen der weiteren Ausgestaltung der ökologischen Steuerreform. Die Kosten des Sofortprogramms zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit werden den Angaben zufolge vor allem durch Mittel gedeckt, die sonst für die Bezahlung der Jugendarbeitslosigkeit ausgegeben werden müßten. In ihrem abgelehnten Änderungsantrag (1 4/1 70) hatte sich die PDS für ein früheres Renteneintrittsalter von Frauen eingesetzt. |
Quelle:
http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9806/9806019