Volker
Kröning
Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung
Ein Kampf um Recht und Geld
Seit
Jahrzehnten ist von „Unitarisierung“ des Bundesstaates
(Konrad Hesse) zum einen, zum anderen von
„Entflechtung“ der Beziehungen zwischen Bund und
Ländern (Fritz Scharpf) die Rede. Eine Korrekturstrategie, die
von den Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder vor
der Wiedervereinigung Deutschlands eingeleitet wurde (1989),
zeitigte mit der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag
und Bundesrat (1992/93) nur minimale Ergebnisse.(1)
Finanzauseinandersetzungen dominierten die Debatte - von den
Solidarpakten I (1993) bis II (2001) - und waren auch erst dann
politisch zu entscheiden, nachdem das Bundesverfassungsgericht
angerufen worden war und entschieden hatte
(„Haushaltsnotlagen“- und
„Maßstäbe“-Urteile von 1992 bzw. 1999).
Zwischen den Exekutiven blieben die Bund-/Länder-Verhandlungen
über die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung ohne
Ergebnis.
Darum wurde
2003 die Kommission von Bundestag und Bundesrat eingesetzt, diesmal
ergänzt um „Bänke“ der Bundesregierung, der
Landtage und zusätzlich um Vertreter der kommunalen
Spitzenverbände und um Sachverständige. Der Auftrag soll
2004 erfüllt sein. Dieses Zeitfenster erschien als die einzige
Chance, die Selbstblockade der politischen Institutionen der
Bundesrepublik durch Selbstreform zu überwinden.
Der Auftrag
ist so nüchtern wie der Name der Kommission. Sie heißt
nicht „Föderalismus“-Kommission, weil der Begriff
die Geister scheidet: Die einen reduzieren Föderalismus auf
die Länder, obgleich sie (mit den Gemeinden), was die
staatlichen Ressourcen angeht, in einem Verhältnis zum Bund
von etwa 1:1 stehen (ohne die Systeme der Sozialen Sicherung);
verdeckt wird mit dem viel zitierten Wettbewerbsföderalismus,
der sich allenfalls mit dem Konzept der „Einheit in
Vielfalt“ im Grundgesetz findet, auch ein Wettbewerb zwischen
Ländern und Bund intendiert . Die anderen sehen den Bund
längst als Schutzmacht der kleinen (bzw. - was nicht dasselbe
ist - schwachen) Länder und beschwören das vom
Bundesverfassungsgericht nach wie vor anerkannte
„bündische Prinzip“.
Dabei ist
klar, dass eine Grundgesetzänderung den Bundesstaat nicht
abschaffen kann (Artikel 79 Abs. 3), sondern nur - was die
Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung angeht - das
Verhältnis zwischen den Ebenen und Gliedern der föderalen
Gemeinschaft neu justieren kann (s. jedoch Artikel 146).
Daher fordert
der Auftrag der Kommission auch, das sich integrierende und
erweiternde Europa und die Kommunen als Lebens- und Arbeitsort der
Bürger zu beachten. Und deshalb hatte es keinen Zweck, die
Neugliederung des Bundesgebietes (Artikel 29) und den erst im
Zusammenhang mit dem Solidarpakt II neu geordneten Finanzausgleich
(vgl. Artikel 107) in die Arbeit einzubeziehen.(2)
Das
Zeitfenster zu nutzen, hieß: bei der Kommissionsarbeit war
konzentriert von der „Alltagspolitik“ (dem Wettbewerb
zwischen den Parteien und den unterschiedlichen Mehrheiten in
Bundestag und Bundesrat) abzusehen. Das ist ebenso schwierig wie
sich davon zu lösen, die Blockademöglichkeiten in der
bundesstaatlichen Praxis fallweise als Stöckchen gegen den
Gegner oder als Bemäntelung eigener Schwäche zu
nutzen.
Kann das
gelingen? Viele sind skeptisch, vor allem Teile der
veröffentlichten Meinung. Kenner - und dies sind nur
diejenigen, die sich kontinuierlich unterrichten - sehen die
Kommissionsvorsitzenden aus Bundestag (Franz Müntefering) und
Bundesrat (Edmund Stoiber) zum Erfolg verurteilt: Sie haben die
Aufgabe, zwischen Bundestag und Bundesrat Brücken für
einen Erfolg zu schlagen!
Nicht nur die
Textvorschläge, die vor Weihnachten vorliegen sollen, sondern
auch der Bericht und nicht zuletzt weitere einfachgesetzliche
Vorschläge und sonstige Vereinbarungen, die Gegenstand des
anschließenden und abschließenden Verfahrens in beiden
Häusern sein müssen, werden über den Erfolg
entscheiden. Ich setze auf ein Ergebnis von „50 +
X“.
An der
Schwelle zur Verhandlungsrunde von Mitte November bis Mitte
Dezember ist nur ein Zwischenstand zu geben. Daher noch einige
Worte zur Konstellation:
- Die
Bundesregierung und die Ministerpräsidenten hatten ihre
Positionen vor Beginn der Kommissionsarbeit abgesteckt, andere
Beteiligte zogen nach.(3)
- Der Bundestag
konnte sich nicht vergleichbar positionieren, vor allem nicht im
Sinne Bund vs. Länder (wie es gerne umgekehrt geschieht). Die
Parlamentarier, die - wie die Regierungschefs - aus kleinen
Mehrheiten große bilden müssen, tasteten stattdessen die
Positionen auf Einigungsmengen und -linien ab und ergriffen
Initiativen, um Bewegung zu schaffen und Kompromisse
vorzubereiten.
- Die
Beratungen der Kommission dauerten vom November 2003 bis November
2004; sie wurden begleitet von Sitzungen der Arbeitsgruppen I
(Gesetzgebungskompetenzen und Mitwirkungsrechte; vgl. Artikel 70
und 50) und II (Finanzbeziehungen; vgl. Abschnitt X und Artikel 91
a und b) und zwischen Juni und Oktober 2004 verdichtet durch sog.
Projektgruppen.
- Die
Arbeitgruppe der Koalition und der „A-Länder“,
geleitet von der SPD, steuerte (auf dieser Seite) den gesamten
Prozess und fundierte ihn in der Anfangsphase durch zwei Seminare
mit den Schwerpunkten Europa, Kommunen und
Bildung/Wissenschaft.
- Die sog.
Stiftungsallianz unter Leitung der Bertelsmann-Stiftung nahm
frühzeitig Verbindung mit der Kommission auf und stimulierte
die Arbeit mehrfach, z.B. durch die Auftaktveranstaltung der
Friedrich-Ebert-Stiftung im Berliner Abgeordnetenhaus mit
Bundespräsident Rau.
Was sind nun die
absehbaren Erträge? Dazu ein Zwischenresümee:
I. Gesetzgebungskompetenzen und Mitwirkungsrechte
Im Themenfeld
der Arbeitsgruppe I zeichnet sich eine Korrektur der Staatspraxis
(der Gesetzgebung und der Rechtsprechung) bei Artikel 84 Abs. 1,
dem Einfallstor der überhöhten (über die Zahl der
enumerierten Fälle der Verfassung hinausgehenden) Mitwirkungs-
(„Zustimmungs“-) Quote, durch Rückführung der
Vorschrift auf ihren Wortlaut und Sinn ab: nämlich dass im
Regelfall der Ausführung von Bundesgesetzen durch die
Länderverwaltung auch die Länder die Einrichtung der
Behörden und das Verwaltungsverfahren bestimmen; geschieht
dies ausnahmsweise - und legitimiert durch das gesamte
Gesetzgebungsverfahren (Artikel 76 und 77) - durch den Bund,
sollten die Länder insoweit ein Abweichungsrecht erhalten.
Dies war ein Vorschlag der Abgeordneten Stünker und Dr.
Röttgen, der rechtspolitischen Sprecher von SPD und CDU, ohne
den es wohl keine Aussicht auf einen Erfolg der Kommission gegeben
hätte.(4)
Die zweite
Änderung, die über Erfolg oder Misserfolg der Kommission
entscheiden wird, schien zunächst einfach, gestaltete sich mit
der Zeit jedoch extrem schwierig: Die Beratungen begannen mit dem
Entschluss, den Kompetenztyp Rahmengesetzgebung (Artikel 75)
abzuschaffen und dessen bisherige Materien vertikal (Abs. 1 Nrn. 1,
1a und 2 zu den Ländern) bzw. horizontal (Nrn. 3 und 4 sowie 5
und 6 nach Artikel 74) zu verlagern, und setzten sich fort in dem
Doppelversuch, den Typ ausschließlicher Gesetzgebung für
Länder (vgl. Artikel 70) wie Bund (Artikel 73) durch weitere
vertikale und horizontale Trennung der Materien der konkurrierenden
Gesetzgebung (Artikel 74) stärker als bisher auszuprägen
und in diesem Zuge Artikel 72 Abs. 2 zu korrigieren.
Dies folgte
zum einen dem Leitgedanken der Kommission, nämlich die
Effizienz und Transparenz der Gesetzgebung zu verbessern, besonders
bei der Umsetzung von EU-Recht. Doch im Verlauf der
Kommissionsarbeit wurde die Herausforderung bewusst, die in der
jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt
und mit dem „Altenpflege“-Urteil von 2002 eingesetzt
hatte und sich 2004 mit den„Kampfhunde“-,
“Ladenschluss“- und
„Juniorprofessur“-Urteile zuspitzte.
Zudem hatten
die Untersuchungen, die den Dezentralisierungsmöglichkeiten
sog. regionaler Aufgaben und Zuständigkeiten galten und von
den Ländern Baden-Württemberg und Berlin angeleitet
worden waren (5), gezeigt , dass eine überzeugende
Kompetenztrennung nicht nur sorgfältige fachliche Beratung
durch die Exekutiven von Ländern und Bund erfordert, sondern
auch weitsichtige politische Entscheidungen.
Damit trat
neben die Chance, in weiteren Feldern, als dem Öffentlichen
Dienst und dem Hochschulwesen einerseits, im Umweltrecht
andererseits Länder- ebenso wie Bundesgesetzgebung zu
stärken, das Risiko, die Kommissionsarbeit in eine Sackgasse
geraten oder sogar im letzten Moment scheitern zu lassen. Diese
Gefahr wurde von der SPD herausgearbeitet (6) und wäre ohne
die Führungsleistung der beiden Kommissionsvorsitzenden nicht
abgewendet worden.
Daraus
resultierten zusätzliche Anstrengungen zur Vorbereitung einer
mutigen (vertikalen und horizontalen) Kompetenztrennung (7) und ein
weiterer Vorschlag der Kollegen Stünker und Röttgen, der
eine Alternative zu dem von den Ländern geforderten (neuen, an
die Stelle der Rahmengesetzgebung tretenden) Typ einer
„Zugriffsgesetzgebung“ bietet.(8) Mit diesem Vorschlag
entstand - wenn auch unter beträchtlicher öffentlicher
Begleitmusik - Bewegung in der Kommission, die Bund und Länder
einander näherte.
Das Konzept
besagt, dass die Länder ein Recht auf Abweichung von
materiellem Bundesrecht erhalten, das auf einzelne Materien (bzw.
Teile von Materien) beschränkt ist. Ein Anwendungsfall - auf
der Basis einer vereinheitlichten Kompetenzgrundlage - könnte
das nationale Umweltgesetzbuch sein, wie es allseits gefordert
wird; freilich wird dies nur Sinn machen, wenn die Abweichung nicht
im Ansatz den Gedanken eines bundeseinheitlichen Gesetzbuches
unterläuft, d.h. wenn sie begrenzt bleibt.
Der
wesentliche Unterschied zu der - von den Ländern sogar einmal
so genannten - „Parallelgesetzgebung“ bestünde
darin, Artikel 31 („Bundesrecht bricht Landesrecht“)
ausdrücklich nicht einzuschränken, um sicher zu stellen,
dass der Bund abweichende Regelungen der Länder korrigieren
kann, wenn er die Einheit der Rechtsordnung gefährdet sieht.
Dies ist Kerninhalt der Leitnorm des Staatsaufbaus (Abschnitt II,
Artikel 20 Abs. 1: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein
demokratischer und sozialer Bundesstaat“).
So lebhaft
diese Debatte auch in der Theorie ist, besonders was die Frage der
„Versteinerung“ der im Wege der konkurrierenden
Gesetzgebung ergangenen Bundesgesetze angeht (Peter M. Huber vs.
Hans Meyer), so sehr wird die praktisch-politische Bedeutung des
Themas am Ende davon abhängen, ob eine überzeugende,
für Bund und Länder tragbare Kompetenztrennung erreicht
werden kann.(9) Das Geben und Nehmen wird nicht ohne Schmerzen
gehen.
Dies ist die
Qualität, die die Arbeit der Kommission zur Modernisierung der
bundesstaatlichen Ordnung 2004 von der Gemeinsamen
Verfassungskommission 1994 unterscheidet. Gelingt die
Verständigung, könnten sich sowohl Föderalismus als
auch Parlamentarismus in Deutschland revitalisieren; gelingt sie
nicht, droht eine neuerliche Komplizierung des Rechtsrahmens und
der Verfahrensweisen staatlichen Handelns. Dies könnte letzten
Endes die ohnehin schon zu beobachtende Belastungsprobe der
repräsentativen Demokratie auf die Spitze treiben
könnte.
II. Finanzbeziehungen
Wird es auch
Erträge im Themenfeld II geben? Dies sah ursprünglich
negativ aus; inzwischen ist vorsichtiger Optimismus
angesagt.
Die
Länder hatten zu Anfang der Beratungen offenbar vor, den erst
2001 beschlossenen und 2005 in Kraft tretenden
(einnahmeorientierten; vgl. Artikel 106) Finanzausgleich um eine
zusätzliche, vorgelagerte (ausgabenseitige) Stufe zu
ergänzen. Das wohlklingende Angebot, die vielfach kritisierten
Mischfinanzierungen (Artikel 91 a und b sowie Artikel 104 a Abs. 4)
- zumindest teilweise - aufzugeben, war mit der Forderung
verknüpft, die entsprechenden Bundesmittel auf die Länder
zu transferieren - und zwar „dauerhaft und dynamisch“
und zusätzlich zu den Mitteln des Korbes II, die den
ostdeutschen Ländern im Zusammenhang mit dem Solidarpakt II
für die Zeit von 2005 bis 2019 zur Bewältigung der
teilungsbedingten, überproportionalen Lasten in Höhe von
51 Mrd. Euro zugesagt sind. (10)
Diese Absicht
blieb eine Zeit lang hinter dem Protest der Länder gegen einen
Vorschlag der SPD verborgen, der - in Übereinstimmung mit der
Bundesregierung - eine durchgreifende Modernisierung der
Mischfinanzierungen (Artikel 91a und b sowie Artikel 104a) durch
zwei neue Vorschriften („Artikel 104b“ und
„Artikel 125b“) vorsieht.(11) Dabei wurde nämlich
ein Element, das veraltete Institut „Bildungsplanung“,
durch ein Konzept der „Fortentwicklung des
Bildungswesens“ zu ersetzen, als Ausweitung und nicht
Einschränkung der Kompetenz des Bundes im Bildungswesen
wahrgenommen. Die Fronten waren über Monate erstarrt. Erst als
man sich darauf einigte, kein innerhalb des Auftrages der
Kommission berechtigtes Thema zu tabuisieren, kamen die Beratungen
wieder in Gang.
Zugleich
setzte sich die Einsicht durch, dass weder bis 2019 noch mittel-
und kurzfristig im föderalen Verhältnis mehr Finanzmasse
zur Verfügung - und bei sachgerechter Verlagerung von Aufgaben
vom Bund auf die Länder zur Verteilung - steht, als im
Solidarpakt II und in der Mittelfristigen Finanzplanung bis 2008
(bzw. im nächsten Jahr dann bis 2009) festgelegt ist. Eine
Neuordnung der Mischfinanzierungen - besonders eine
Entbürokratisierung und De-/Reregulierung - erscheint daher
bei gehörigem Realismus aller Seiten nicht
ausgeschlossen.
Ein wichtiges
Thema war der Versuch, mehr Steuerautonomie und -wettbewerb
einzuführen, als das geltende System aufweist. Doch dieses
Thema brach sich früh an der Erkenntnis, dass in der
Kürze der Kommissionsarbeit die Querverbindungen mit dem
bundesstaatlichen Finanzausgleich nicht zu bewältigen waren;
im Verlauf der Beratungen wurde zudem deutlich, dass dieses Thema
bisher nicht genügend in europäischen Kontext
erörtert worden ist, um schon einer weiterreichenden
Entscheidung zugeführt werden zu können.
Am
„vorderen“ und „hinteren Rand“ der
Steuerverteilung (Artikel 106) und des Finanzausgleichs (Artikel
107) kann es jedoch zu kleinen Änderungen kommen, z.B. durch
einen Tausch des Aufkommens zwischen Ländern und Bund aus der
KFZ- und der Versicherungssteuer (Artikel 106 Abs. 2 Nr. 3 und Abs.
1 Nr. 4) und eine Verbesserung des Zusammenwirkens von Bundes- und
Landesfinanzbehörden , wie sie vor allem vom
Bundesrechnungshof angemahnt wird.(12) Dies könnte (und
sollte) auf Verfassungs- und einfachgesetzlicher Ebene geschehen
(Artikel 108 Abs. 4, Finanzverwaltungsgesetz).
Angestrebt
werden auch eine Klarstellung der Haftung für Nichtumsetzung
bzw. fehlerhafte Umsetzung von EU-Recht (in Artikel 104 a), wie sie
schon erreicht schien (13) und dann durch einen erneuten Ausbruch
der schon jahrzehntelangen Auseinandersetzung über die
Behandlung sog. Anlastungen in Frage gestellt wurde, und die
überfällige Regelung der innerstaatlichen Umsetzung des
europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes (in Artikel
109).
Im
Übrigen hatten die Ministerpräsidenten von vorneherein
dem Machtverzicht des Bundesrates bei Artikel 84 unter die
Bedingung gestellt, einen neuen Zustimmungstatbestand für
„Bundesgesetze mit erheblichen Kostenfolgen“
einzuführen. Die monatelangen Untersuchungen haben jedoch
ergeben, dass diese Norm weit weniger zur Geltendmachung von
Kostenfolgen von Bundesgesetzen als zum parteipolitisch motivierten
Wettbewerb zwischen Bundesrats- und Bundestagsmehrheit genutzt zu
werden pflegt. Alternativvorschläge liegen vor,
Einigungschancen gibt es auch durchaus.
Der Bund muss
jedoch dabei aufpassen, dass man nicht, was die
„Zustimmungsquote“ angeht, vom Regen in die Traufe
kommt. Nicht nur das Wie, sondern auch das Ob sollte bis zur
Endrunde der Verhandlungen - bis sachgerechte Teilpakete vorliegen
und das Gesamtpaket geschnürt wird - offen bleiben.
III. Kommunen und Europa
Was ist in
Bezug auf die „Sub“-Ebene Kommunen und die
„Supra“-Ebene Europa zu erwarten?
Die Kommunen
werden unbestritten durch die Trennung von materieller
Regelungskompetenz und Organisations- bzw. Verfahrenskompetenz
(Artikel 84) gestärkt werden, damit allerdings wieder mehr vom
Bundes- an den Landesgesetzgeber verwiesen. Dies wird, da das
Prinzip der Vollzugskonnexität (Artikel 104 a Abs. 1) nicht
durchbrochen werden soll, auch dann gelten, wenn ein - wie immer
gefasster - neuer Zustimmungstatbestand zur Bewältigung
erheblicher Kostenfolgen von Bundesgesetzen geschaffen werden
sollte.
Die
Europatauglichkeit des Grundgesetzes ist anhand des 1994 im
Zusammenhang mit der Ratifizierung des Vertrages von Maastricht
durch (die Notwendigkeit von) Zwei-Drittel-Mehrheiten von Bundestag
und Bundesrat eingeführten (neuen) Artikels 23 bis zur
Endrunde umstritten geblieben. Ministerpräsidenten und
Bundesregierung traten sich diametral gegenüber; die meisten
Sachverständigen halten den Artikel für mehr oder weniger
korrekturbedürftig.
Allerdings hat
sich aus der Mitte des Bundestages durch einen mit der
Bundesregierung erarbeiteten Vorschlag der Kollegen Dr. Angelica
Schwall-Düren (SPD), Rainder Steenblock (Bündnis 90/Die
Grünen) und Rainer Funke (FDP) eine Chance eröffnet, ein
Mehr an Geschlossenheit nach außen für ein Mehr an
Beteiligung (vor allem des Bundesrates) im Inneren zu
erreichen.
IV. Ausblick
Zusammengefasst: Im Feld I ist eine mittlere bis große
Reform möglich; im Feld II steht eine Vertagung der Kernfragen
bis 2019 zu erwarten, da zu diesem Zeitpunkt das
Finanzausgleichsgesetz (ebenso wie das Maßstäbegesetz)
ausläuft - es sei denn, der Gesetzgeber ist früher
gefordert, weil die Entwicklung der Lebensverhältnisse in
Deutschland zwischen Ost und West (oder auch zwischen Nord und
Süd) stagniert, statt die mit dem Solidarpakt II angestrebten
Fortschritte zu machen.
Doch die
Bewährungsprobe der Reform kommt erst nach der Verabschiedung
- nämlich für die 4-Ebenen-Struktur, die die Verfassung
Deutschlands charakterisiert, ebenso wie für die Gliederung
der Bundesrepublik in 16 Länder. Beides wird nur
funktionieren, wenn die Handlungs- und Leistungsfähigkeit der
Politik für die Bürger spürbar gewinnt.
„Einheit in Vielfalt“ muss in beiden Richtungen
funktionieren - doch sie ist kein Selbstzweck!
Die
„Selbstreform“ der bundesstaatlichen Ordnung kann nur
gelingen, wenn die politische Klasse sich auf den Kampf um Recht
und Geld beschränkt - und sich nicht im Kampf um die Macht
demontiert!
Volker
Kröning MdB ist Mitglied des Rechts- und des
Haushaltsausschusses und Sprecher der SPD in der Kommission zur
Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung
(1)
Materialien zur Verfassungsdiskussion und zur
Grundgesetzänderung in der Folge der Deutschen Einigung
(Hrsg.: Deutscher Bundestag), Bd. 1: Bericht und Sitzungsprotokolle
1996
(2) Die Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs.
Maßstäbegesetz und Solidarpaktfortführungsgesetz
(Hrsg.: Bundesministerium der Finanzen), Bd. 73, 2003
(3) Vgl. Verzeichnis der Kommissionsdrucksachen unter
www.bundesrat.de Stand:28.Oktober 2004
(4) Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der
bundesstaatlichen Ordnung, Stenografischer Bericht, 8. Sitzung, 11.
Juli 2004, S. 165
(5) Die Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung
der bundesstaatlichen Ordnung, Stenografischer Bericht, 9. Sitzung
(nicht öffentlich), 14. Oktober 2004, S.230-236
(6) Kommissionsdrucksache 77 vom 20. September 2004
(7) Kommissionsdrucksache 85 vom 27. Oktober 2004 im Anschluss an
die Kommissionsdrucksachen 71 neu sowie 71a bis k
(8) Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der
bundesstaatlichen Ordnung, Stenografischer Bericht, 9. Sitzung
(nicht öffentlich), 14. Oktober 2004, S. 205
(9) Dazu - zum Auftakt der Verhandlungsrunde - das Papier der
Bundesregierung zur "Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung"
vom 7. November 2004
(10) Kommissionsdrucksache 45 vom 17. Mai 2004
(11) Kommissionsdrucksache 57(neu); im einzelnen: Volker
Kröning, Der Bildungsföderalismus am Scheideweg, in:
politik und kultur. Zeitung des Deutschen Kulturrates, Nr. 5/04, S.
3
(12) Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, hier: Föderales
Steuersystem in Deutschland, Bericht vom 26. Oktober 2004
(13) Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der
bundesstaatlichen Ordnung, Stenografischer Bericht, 6. Sitzung, 14.
Mai 2004, S. 157; vgl. auch Kommissionsdrucksache 54 vom 08. Juni
2004
|