Volker
Kröning MdB
Unterwegs
zur Europäischen Armee: Einfache Einsichten
Es ist trivial
und dennoch muss leider immer wieder betont werden:
Europäische Streitkräfte haben nur dann einen Sinn, wenn
sie der EU und ihrer Außen- und Sicherheitspolitik
„kongenial“ sind. Zwar wird immer noch um die rechte
Außenpolitik Europas gerungen, doch soviel lässt sich
schon erkennen: Es dominiert das Bemühen um Ausgleich, um
Mäßigung und die Geltung des Rechts in den
internationalen Beziehungen. Hegemonialen Bestrebungen steht die
praktische Idee stabiler Multipolarität gegenüber.
Übrigens nicht ohne Resonanz - wird doch z. B. in
Südamerika und Teilen Afrikas und des Nahen Ostens die
Mittlerfunktion Europas zunehmend gewünscht.
Eine
Verteidigungspolitik, die dem entsprechen will, muss sich davor
hüten, mit der Militärmaschinerie der Vereinigten Staaten
in eine Statuskonkurrenz einzutreten, ja das große
atlantische Vorbild kopieren zu wollen - in der falschen Hoffnung,
irgendwann einmal echte Partnerschaft zu genießen. Es geht
nicht um eine weitere, sich zuvörderst militärisch
gerierende Weltmacht mit Bestrafungs- und Eroberungsoptionen,
sondern um Verteidigungsanstrengungen, die das Ziel haben, in
Krisenregionen zu politischer Stabilität beizutragen: vor
allem durch den Aufbau einer Kapazität zur aktiven, robusten
Friedensunterstützung ohne den Anspruch globaler
Machtprojektion.
Strategisch
geht es darum, dem Hegemon durch einen in sich stimmigen Verbund
ziviler und militärischer Mittel zur Bewältigung und
Prophylaxe von Krisen Gelegenheiten für das Eingreifen und
damit etwas von seiner selbsterteilten Interventionsberechtigung zu
nehmen. Die dazu erforderlichen Streitkräfte bedienen sich, wo
immer nötig, modernster Technologie, fetischisieren diese aber
nicht. Die in Krisenzonen anfallenden Schutzaufgaben verlangen
nämlich nach eher simplen, kosteneffektiven Strukturen. Zur
Ressourcenentlastung mag im übrigen auch beitragen, dass -
statt auf globale Reichweite - auf sicherheitspolitische Hilfe zur
Selbsthilfe in anderen Regionen gesetzt wird.
Eine
Europäische Armee, deren Wirkungsradius sich auf den alten
Kontinent und dessen Peripherie beschränkt - wobei besonders
begründungspflichtige Ausnahmen die Regel bestätigen -
und deren Struktur gut für die Friedensunterstützung,
aber nicht zu Bestrafungsfeldzügen taugt, wird den
Finanzministern keine allzu schlimmen Kopfschmerzen bereiten: Der
Aufwand erscheint erträglich und keinesfalls als - weitere -
Gefährdung sozialstaatlicher Sicherungen in Europa. Damit
würde ein Beitrag zur Bewahrung dessen geleistet, was im
Weltmaßstab einen wesentlichen komparativen Vorteil des
politischen Systems Europas ausmacht: nicht zuletzt auch
gegenüber den USA.
Die
Streitkräfte Europas sind freilich nicht für 'nen Appel
und ein Ei zu haben. Zu warnen ist insbesondere davor, sich aus
Kostengründen bei wesentlichen Einsätzen auf
NATO-Infrastruktur zu verlassen. Trotz aller Absprachen über
Kooperation und Arbeitsteilung, die zunächst als durchaus fair
erscheinen mögen, muss letztlich doch mit einer Einflussnahme
der USA gerechnet werden - einer Macht, deren Interessen mit den
europäischen mitunter konfligieren können. Würden
die Vereinigten Staaten in den militärischen Dingen der EU -
wie in der NATO - schließlich doch das letzte Wort haben,
wäre mangels Eigengewicht die tendenzielle Irrelevanz der
Europa-Armee die Folge.
Die
Europa-Armee würde übrigens auch dann bedeutungslos, wenn
die beteiligten Staaten sich vorbehalten könnten, gelegentlich
auch ohne Zustimmung der übrigen in „private“
Kriege zu ziehen. Die Partizipation an europäischen
Streitkräften kann also nicht beliebig sein. Um einem
Missverständnis vorzubeugen: Keineswegs geht es um die
Gründung eines exklusiven Clubs, sondern um die Minimalia von
Selbstachtung und politischer Handlungsfähigkeit. Jedes Land
in der EU kann beitreten, wenn es die Grundregel akzeptiert. Wer
heute noch zur Schärfung des nationalen Profils auf
Alleingänge setzt, mag mit wachsender Integration Europas
Solidarität für lohnend halten.
Last, but not
least: Wenn Europa sich auf seinen eigenen Weg besinnt und
Streitkräfte schafft, die sowohl handlungsfähig als auch
einer stabilitätsorientierten Außenpolitik kongenial
sind, wird man jenseits des Atlantiks beginnen, den alten Kontinent
- wieder - ernst zu nehmen. Echte Partnerschaft mit den USA,
für die ich trotz aller Querelen keine tragfähige
Alternative sehe, kann sich nur entwickeln, wenn wir mit der
Imitation eines Modells aufhören, vom dem wir letztlich nicht
überzeugt sind. Wenn wir, statt zu Höchstkosten
nachzuäffen, das in den Dialog einbringen, worauf wir mit
Recht stolz sein können: von Rechtsgrundsätzen geleitete
soziale und internationale Verantwortung.
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