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1990: Wiedervereinigung
Mit Glasnost und Perestroika ertönt nach dem Machtantritt Michael Gorbatschows ein neuer Klang aus dem Kreml. Die neue Politik dokumentiert sich auch international 1988 in erfolgreichen Verhandlungen über die Verschrottung von Mittel- und Kurzstreckenwaffen. Während die westlichen Staaten in Europa die Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union vereinbaren, testen die östlichen ihren zunehmenden Bewegungsspielraum aus.
Ab Mitte 1989 gewinnt diese Entwicklung über Bürgerrechtsbewegungen und immer machtvollere Demonstrationen eine ungeahnte Dynamik, in deren Verlauf das System der DDR und schließlich auch ihre staatliche Existenz zunehmend in Frage gestellt wird. Auch die Öffnung der Mauer am 9. November 1989 kann diesen Prozess nicht mehr stoppen. Im Plenum des Bundestages in Bonn erheben sich die Bundestagsabgeordneten und singen die Nationalhymne, während sich in Berlin die Menschen aus Ost und West vor Freude in den Armen liegen. Jahrzehntelang in scheinbar unerreichbare Ferne gerückt, wird die Wiedervereinigung nun von Woche zu Woche greifbarer.
„Wir haben täglich Neues erlebt“, erinnert sich Hermann Otto Solms (FDP) an die bewegenden Monate, in denen jeder spüren kann, „wie die Welt sich ändert“. Als der Kurs Richtung Einheit feststeht, beginnt „ein Jahr pausenlosen Agierens“. Die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, der Einigungsvertrag zum Beitritt mit seiner Fülle komplexer Regeln – alles muss intensiv diskutiert, innerhalb der Parteien, Fraktionen und der Koalition abgestimmt werden. „Ungeheuer arbeitsreich“, sagt Solms, ist diese Zeit, aber in der Empfindung derjenigen, die mitgestalten dürfen, gibt es zugleich immer wieder „ganz herausragende Momente“, deren historischer Rang jedem bewusst ist. Dazu gehört die erste gemeinsame Sitzung von Abgeordneten zweier frei gewählter deutscher Parlamente am 17. Juni 1990 in Berlin zum Gedenken an die Opfer des Volksaufstandes von 1953 in der DDR. Und dazu gehört natürlich die Feier der Wiedervereinigung am 3. Oktober auf und vor den Stufen des Berliner Reichstagsgebäudes und die Konstituierung des ersten gesamtdeutschen Bundestages einen Tag später mit 144 von der Volkskammer entsandten Abgeordneten.
Eine Konsequenz der Einheit ist der Umzug von Bundestag und Bundesregierung von Bonn nach Berlin. 1991 in Bonn getroffen, wird die Entscheidung nach dem Umbau des alten Reichstagsgebäudes 1999 vollzogen.
Text: Gregor Mayntz
Foto: picture-alliance
Erschienen am 14. Februar 2005
Beitritt: Das Grundgesetz
ließ zwei Wege zur Wiedervereinigung zu: über eine neue
Verfassung, die sich das deutsche Volk in freier Entscheidung gibt
und die nach Artikel 146 das Grundgesetz außer Kraft gesetzt
hätte. Oder über den Weg des damaligen Artikels 23 des
Grundgesetzes, das die Möglichkeit eröffnete, das
Grundgesetz in anderen Teilen Deutschlands nach deren Beitritt in
Kraft zu setzen. Dieser Weg des Beitritts ermöglichte es, die
Einheit schneller zu verwirklichen. Deshalb wurde er
gewählt.
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Volkskammer: Die ersten
freien Wahlen in der DDR haben am 18. März 1990 ein klares
Ergebnis: Die „Allianz für Deutschland“ (CDU, DSU,
DA) kommt auf 47,7 Prozent, die SPD auf 21,8, die in PDS umbenannte
frühere SED auf 16,4 und die Liberalen auf 5,2 Prozent. Die
Fraktionen bilden eine große Koalition ohne die PDS. Die
Abstimmung zwischen Bundestag und Volkskammer wird immer enger. So
unternehmen die Parlamentspräsidentinnen Rita Süssmuth
und Sabine Bergmann-Pohl im Juni 1990 demonstrativ eine gemeinsame
Israel-Reise.
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Umzüge: Umzug ist
für den Bundestag 1999 ein wichtiges Thema. Dem klassischen,
eher nüchternen Bonner Plenarsaal von 1949 bis 1986 ist der
Ersatzplenarsaal im benachbarten alten Wasserwerk mit seiner
freundlichen, intimen Atmosphäre gefolgt. Ab 1994 kann der
Bundestag dann eine ganze Wahlperiode im hellen, transparenten und
vor der Wiedervereinigung beschlossenen, neuen Plenarsaal am Rhein
tagen, bevor das umgebaute Reichstagsgebäude wieder zur Heimat
des Parlaments der Deutschen wird.
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