Das Kunstprojekt "Der Bevölkerung"
von Hans Haacke
Der Künstler Hans Haacke entwickelte auf Bitten des Deutschen Bundestages ein Kunstprojekt für den nördlichen Innenhof des Reichstagsgebäudes. Das Ergebnis seiner Arbeit, das Kunstprojekt "Der Bevölkerung", wird am 12. September 2000 seiner Bestimmung übergeben. Anbei Daten zum zeitlichen Ablauf und technische Informationen über das Projekt:
Zeittafel zum Verlauf des Kunstprojektes
17.05.1998: Hans Haacke wird vom Deutschen Bundestag gebeten, ein Konzept zur künstlerischen Gestaltung des nördlichen Lichthofs des Reichstagsgebäudes zu entwickeln.
22.06.1998: Der Künstler nimmt die Einladung an. Beginn der Erarbeitung des Konzeptes.
03.06.1999: Unterzeichnung des Vertrags zwischen Hans Haacke und der im Auftrag des Deutschen Bundestages agierenden Bundesbaugesellschaft.
02.11.1999: Der Kunstbeirat, das zuständige Gremium des Bundestages, stimmt der Realisation seines Entwurfes für das Projekt "DER BEVÖLKERUNG" mit großer Mehrheit zu.
25.01.2000: Auf Empfehlung des Ältestenrates kommt das Projekt noch einmal auf die Tagesordnung des Kunstbeirates. Der Kunstbeirat bekräftigt sein positives Votum vom 02.11.1999 erneut mit großer Mehrheit.
07.03.2000: Ein fraktionsübergreifender Gruppenantrag mit 142 Unterschriften zur Ablehnung des Projektes wird eingereicht. Drucksache 14/2867 (neu).
05.04.2000: Bundestagsdebatte und Abstimmung über das Projekt. Entscheidung für die Realisierung mit 260 zu 258 Stimmen bei 30 Enthaltungen.
10.04.2000: Beauftragung von Firmen mit der Ausführung.
03.07.2000: Schriftliche Einladung an die Abgeordneten zur Teilnahme am Projekt und Versand der vom Künstler gestalteten Jutesäcke für den Transport von Erde aus den Wahlkreisen.
11.07.2000: Beginn der Installation im nördlichen Lichthof während der parlamentarischen Sommerpause
31.07.2000 Abschluß der Bauarbeiten
12.09.2000 Bundestagspräsident Wolfgang Thierse gibt den Auftakt zur Ausstreuung der Wahlkreiserde
Technische Daten zum Kunstprojekt
Erdfläche und EinfassungVegetationsfläche
Die Erdfläche wird durch ein Dachbegrünungssystem aus
verschiedenen technischen Isolier- und Drainageschichten seitlich
und nach unten eingefasst. Der äußere umlaufende
Stütz- bzw. Sichtrahmen der Erdeinfassung besteht aus
Rubinienholz.
Lage und Maße
Auf den Bodenplatten im nördlichen Lichthof des
Reichstagsgebäudes Außenmaße: 20,8m x 6,8m / 28cm
hoch
Be- und Endwässerung
Es erfolgt keine künstliche Bewässerung. Die
Endwässerung bei übermäßigen Niederschlag
regelt sich kontinuierlich und automatisch über eine Drainage
im Bodenbereich. Das überschüssige Wasser mündet
innerhalb der Erdschicht in sechs sogenannte "Anstaugarnituren".
Das Wasser wird hier von Erdpartikeln gefiltert und in die
bestehende Abflussschicht (Kiesschicht) unter den Bodenplatten des
Innenhofes zu den bestehenden Hofabflüssen geführt.
Rahmenkonstruktion
Er wird durch Stapelung von zwei jeweils 2m langen und 14cm x 14cm
dicken Kanthölzern zusammengesetzt. Durch die
witterungsbedingte Alterung des Rubinienholzes wird der Rahmen bald
eine neutrale Farbe annehmen.
Erdschicht
Die Zugabe der Erde kann direkt durch die am Projekt beteiligten
Abgeordneten bzw. einen durch sie beauftragten Mitarbeiter
erfolgen. Die Höhe der Erdschicht ist entsprechend des
künstlerischen Gesamtkonzeptes abhängig von der Anzahl
der sich beteiligenden Abgeordneten. Ab einer 15 cm hohen
Erdschicht ist die Entstehung einer Vegetation gewährleistet.
Die Erdschichthöhe wird maximal 25cm betragen.
Vegetation
Die durch Beteiligung der Abgeordneten entstehende Erdmischung wird
unterschiedlichste Samen in sich tragen; hinzu kommen Flugsamen aus
der Umgebung. Es entfaltet sich ein nicht zu planender vegetativer
Prozeß, der nicht durch formende Gartenarbeiten beeinflusst
werden darf.
Erde und Vegetation
Gärtnerische Pflege ist nicht notwendig, damit sich die
Wachstumsprozesse weitestgehend unbeeinflußt entfalten
können. Seitens des Hauses ist lediglich zu
gewährleisten, daß neue Bundestagsabgeordnete mit dem
partizipatorischen Charakter des Kunstwerkes vertraut gemacht
werden. Beim Ausscheiden von Parlamentariern die zuvor Ihren
Beitrag zum Projekt geleistet hatten, ist wiederum dafür zu
sorgen, daß eine Erdmenge von ca. 50 kg dem Erdreich
entnommen wird.
Buchstabenkonstruktion
Der Schriftzug setzt sich aus einzelnen Leuchtbuchstaben zusammen.
Diese sind in der Mitte der Erdeinfassung auf einem eingebetteten
Trägergestell montiert. Aus der Erdoberfläche ragen die
einzelnen Buchstaben ca. 40cm heraus, wodurch sie auch bei
Entfaltung der angrenzenden Vegetation lesbar bleiben sollen. Die
Buchstaben leuchten weiß nach oben. Seitenwände der
Buchstaben sind lichtundurchlässig aus
witterungsbeständigem, schwarz lackiertem Metall.
Buchstabenmaße
Schrifthöhe: 1,2 m
Gesamtlänge: 18,5 m
Buchstabentiefe: 50 cm (Leuchtoberfläche bis Boden)
Stromversorgung der
Leuchtschrift
Die Stromzuleitung erfolgt von den Stromanschlüssen im
Innenhof durch das Kiesbett unter den Bodenplatten. Die
Leuchtzeiten - korrespondierend mit Besucher bzw. parlamentarischen
Sitzungszeiten - könnten entweder über eine zentrale
Zeitschaltuhr oder manuell vom Hauspersonal gewährt
werden.
Wartung der Leuchtschrift
Die Neonröhren haben im Normalfall eine Lebensdauer von bis zu
zehn Jahren. Wegen der Abschwächung der Leuchtintensität
ist nach einem Zeitraum von mindestens 6 - 7 Jahren entweder eine
Auffrischung der Röhren oder ein kompletter Ersatz der
Röhren ratsam.
Statik der Hofdecken
Die Gewichtssumme aus den einzelnen Komponenten des Projektes
liegen bei maximal 350 Kg / qm und damit 150 Kg/ qm unter der
zugelassenen Maximalbelastung der Bodenplatten.
Webcam, Website und Informationstafeln
Geplante Informationstafeln auf dem
Besucherdach
An den beiden Stirnseiten des Glasgeländers auf dem
Besucherdach sollen zwei vom Künstler gestaltete, gravierte
Metalltafeln über das Projekt informieren.
Inhalte und Funktionen der Website
Projektdarstellung und relevanteZusatzinformationen in Wort, Bild und Bewegtbild
Webcam
Auf einem Sandsteinsims im nördlichen Lichthof wurde eine
Einzelbildkamera angebracht und statisch auf die Erdfläche im
Innenhof gerichtet. In regelmäßigem Abstand wird
automatisch eine Aufnahme der Erdfläche in das Archiv der
Website übertragen. Über Wochen, Monate und Jahre
entsteht somit ein Internet-Bildarchiv welches im Zeitraffer den
vegetativen Wandlungsprozess in eindrücklicher Weise
veranschaulicht.