Antrag des Deutschen Bundestages auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD
Sperrfrist: 28. März, 12.45
Uhr
Es gilt das gesprochene Wort
Der Innenausschuss des Deutschen Bundestages hat heute den
NPD-Verbotsantrag des Bundestages abschließend behandelt. Der
Hauptberichterstatter des Ausschusses zu diesem Antrag, Dr. Michael
Bürsch, MdB, teilt dazu vor der Presse mit:
A. Stand des Verfahrens
Der Bundestag hat am 8. Dezember 2000 beschlossen, einen eigenen
Antrag auf Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht zu stellen.
Zu Prozessbevollmächtigten des Bundestages wurden Prof. Dr.
Günter Frankenberg (Frankfurt am Main) und Prof. Dr. Wolfgang
Löwer (Bonn) bestelllt.
Neben dem Bundestag beantragen bekanntlich auch Bundesregierung und
Bundesrat, die NPD zu verbieten. Die Bundesregierung hat ihren
Antrag bereits Ende Januar in Karlsruhe eingereicht. Durch
Koordinierung mit den anderen Verfassungsorganen ist
sichergestellt, dass sich die jeweiligen Begründungen und
Argumente der Anträge in sinnvoller Weise ergänzen.
Die Antragsschrift von rund 300 Seiten wird nach Erörterung im
Innenausschuss und Rechtsausschuss des Bundestages am 30. März
beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Zum selben
Zeitpunkt wird auch der Bundesrat seinen Antrag stellen.
B. Wesentlicher Inhalt der Antragsschrift
des Bundestages
Der Bundestag wird seinen Antrag vor allem mit der
Wesensverwandtschaft der NPD mit der NSDAP begründen. Damit
setzt er als Parlament einen neuen, eigenständigen Akzent
gegenüber Bundesregierung und Bundesrat und nimmt zugleich das
Wächteramt ernst, das die Verfassung dem Parlament über
die freiheitlich-demokratische Grundordnung zuweist: Einer Partei,
die dem Nationalsozialismus nacheifert, die Rassismus,
Kollektivismus und das Prinzip von Führung und unbedingtem
Gehorsam propagiert, stellt sich die streitbare Demokratie
entgegen. Der Nationalsozialismus ist der prototypische Gegner der
demokratischen Ordnung des Grundgesetzes, das gerade als Antwort
auf die Erfahrung der missbrauchten Weimarer Demokratie zu
verstehen ist. Daraus zieht unsere Verfassung die Konsequenz:
Wehret den Anfängen!
Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung werden die
Antragsberechtigung des Bundestages und die Parteieneigenschaft der
NPD dargelegt. Ferner wird Versuchen der NPD begegnet, die
Zulässigkeit des Antrages unter Berufung auf ihre Teilnahme an
Wahlen zum Europäischen Parlament zu bestreiten oder die
Streitigkeit auf europäische Ebene abzudrängen.
Den Anfang der Begründetheitsprüfung bildet die
Darstellung der Grundlagen der Verbotsnorm aus der Verfassung.
Neben der ausführlichen Erörterung der Rechtsgrundlagen
des Parteienverbots nach Art. 21 Abs. II GG und dessen
Anwendungsbedingungen wird herausgearbeitet, wie aktuell auch
fünfzig Jahre nach der Verkündung des Grundgesetzes das
Prinzip der streitbaren Demokratie ist.
Aus der Begründung der Prozessbevollmächtigten:
"Die Freiheit der geistigen und politischen Auseinandersetzung ist
dem Wandel gegenüber offen. Ein Verhalten jedoch, welches
diese Offenheit zu beseitigen trachtet, verliert seine Legitimation
aus der Idee der Freiheit. ‚Selbstzerstörung ist nicht
Sinn der Freiheit und gewiss auch kein Auslegungsprinzip
freiheitlichen Verfassungsrechts.' (H. Steinberger)."
"Das Verbot verfassungsfeindlicher Parteien schützt die vom
Demokratieprinzip gewollte Herrschaftsausübung des Volkes nach
Maßgabe der Verfassung. Die dahinter stehende Grundidee ist
ersichtlich zeitlos und nicht von konkreten Bedrohungsszenarien
abhängig. Deshalb gehört das Parteienverbot zu jenen
Sicherheitsvorkehrungen, ‚die auch durch langen Nichtgebrauch
keineswegs überflüssig werden' (Wilhelm Henke)."
Kernstück der Antragsbegründung bildet der Nachweis der
Wesensverwandtschaft der NPD mit der NSDAP. Hierzu wird eine
Vielzahl historischer Quellen zitiert und aufgezeigt, dass die NPD
eine klare Affinität zum Nationalsozialismus aufweist, und
zwar hinsichtlich
1. Politischer Programmatik (Ideologie des "Reichs" und der
"Volksgemeinschaft", Sozialdarwinismus, Rassismus und
Antisemitismus);
2. Strategie und Taktik (vor allem: nur taktisches Verhältnis
zur Legalität);
3. Rhetorik und Sprache (offene oder auch chiffrierte Nachahmung)
sowie
4. der Verherrlichung der NS-Zeit (Verharmlosung
nationalsozialistischer Verbrechen, nationalsozialistische
Traditionspflege).
Schließlich werden im letzten Teil konkret die
verfassungswidrigen Ziele und Verhaltensweisen der NPD und ihrer
Anhänger aufgezeigt und die erforderliche
aktiv-kämpferische Einstellung der NPD zur
freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie die Zusammenarbeit
mit gewaltbereiten Gruppen nachgewiesen. Diese Voraussetzungen des
Art. 21 Abs. II GG hat die Bundesregierung in ihrem Antrag bereits
in komprimierter Form dargelegt, der Bundesrat wird die
vorliegenden Materialien der Verfassungsschutzbehörden noch
vertieft auswerten.
Insgesamt ist die Beweislage eindeutig und erdrückend - die
NPD ist eine verfassungswidrige Partei, die durch ein planvolles,
aggressives Vorgehen unsere parlamentarische Demokratie
bekämpft. Deshalb ist es für den Deutschen Bundestag
nicht nur geboten, sondern zwingend erforderlich, einen eigenen
Verbotsantrag zu stellen.
Von großer politischer Bedeutung sind schließlich auch
die Konsequenzen, die sich aus dem Verbot ergeben. Nur ein Verbot
verhindert, dass die NPD Zugang zur öffentlichen Infrastruktur
hat, wie sie politischen Parteien nach Art. 21 GG zur
Verfügung steht: Das reicht von der Zuteilung von Sendezeiten
in Rundfunk und Fernsehen, vom Zugriff auf die Stadthallen und auf
den öffentlichen Straßenraum im Wahlkampf bis zur
staatlichen Parteienfinanzierung. Vor allem ist nicht vertretbar,
die verfassungsfeindlichen Aktivitäten der NPD auch noch aus
Steuermitteln zu finanzieren.
5787 Zeichen