Christel Riemann-Hanewinckel zu Expertenanhörung
Die Vorsitzende des Auschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend, Christel Riemann-Hanewinckel, MdB, erklärt
zu der Anhörung von Expertinnen und Experten zum Thema "PID
und PND aus frauenspezifischer Sicht", die am 17.Oktober 2001 vor
dem Ausschuss stattfand:
Früher bezeichnete man eine schwangere Frau als in "guter
Hoffnung". Ein Kind zu erwarten, war damit in jedem Fall positiv
belegt, und nicht etwa vergleichbar mit einer Krankheit. Die
Anhörung hat - nicht nur bei mir - den Eindruck
bestätigt, dass die Vorteile der medizinischen
Möglichkeiten der vorgeburtlichen Kontrolle sich immer mehr
ins Gegenteil verkehren - sozusagen vom Segen zum Fluch werden. Die
Sachverständigen haben bestätigt, dass die pränatale
Diagnostik ursprünglich für sogenannte "Risikoschwangere"
gedacht war und sich zum Normalfall entwickelt hat. Den Schwangeren
wird dieses "Standardpaket" geradezu aufgedrängt. Der
Diagnose, der keinerlei Therapiemöglichkeiten folgen kann,
sondern nur eine Entscheidung zur Selektion befördert, setzt
werdende Mütter damit auch unter den Zwang, ein Kind nur dann
auszutragen, wenn die Gesundheit des werdenden Kindes im Hinblick
auf einige wenige Krankheiten medizinisch positiv besiegelt ist.
Sie erleben deshalb bis zu diesem Punkt ihre Schwangerschaft
zunehmend mit Ängsten. Gleichzeitig werden falsche
Sicherheiten suggeriert - die Mutter, die sich vor einem
behinderten Kind "sicher fühlt", weil sie alle Untersuchungen
absolviert hat, weiß vielleicht nicht, dass die meisten
Behinderungen während oder nach der Geburt entstehen. Deshalb
gibt es keine Garantien für ein gesundes Kind. Auf der anderen
Seite gibt es genügend Belege dafür, dass gerade bei dem
TripleX Test Embryos zu Unrecht als wahrscheinlich behindert
eingestuft werden. Aber eine solche Diagnose führt in 98%
aller Fälle zum Abbruch. Nicht abzusehen sind bis jetzt auch
die innerfamiliären Folgen, z. B. unter Geschwisterkindern,
wenn das nach PID geborene, nicht behinderte Kind, das behinderte
Geschwisterkind als Wesen erlebt, um dessen Vermeidung willen die
Methode gewählt wurde. Zusätzlich erhöht sich der
Druck auf Eltern und Kind, nun "perfekt" zu sein und all das zu
leisten, was einem beeinträchtigten bezw. behinderten Kind
nicht möglich ist. Damit verändert die präntatale
Diagnostik letztlich das Bild vom Menschen: aus dem Geschöpf
wird ein Produkt, weil durch die technisch mögliche Selektion
Normen aufgestellt werden, denen es zu entsprechen gilt.
Kritisiert wurde in der Anhörung zu Recht auch die
Konkurrenzsituation zwischen den Ärzten, den Hebammen und den
Beratungsstellen. Frauen werden über ihren Rechtsanspruch auf
Beratung, den sie nach dem Schwangeren-und Familienhilfegesetz
haben, nicht informiert. Nicht einmal im Mutterpass wird ein
solcher Hinweis gegeben. Durch diese fehlende psychosoziale
Beratung wird der Frau eine wichtige Unterstützung
vorenthalten bei der Entscheidung, ob zum Beispiel eine
Schwangerschaft trotz möglicher Behinderung des Kindes
fortgesetzt werden soll.
In dieser Legislaturperiode wird dieses Thema voraussichtlich nicht
abschließend geregelt. Bis zu den Empfehlungen der
zuständigen Enquetekommission und des Nationalen Ethikrates
bleibt aber zu hoffen, daß dieses Thema in der
Bevölkerung breit und ausführlich diskutiert wird und
Anstöße für die politische Diskussion und
Entscheidung gegeben werden.
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