Bundestagspräsident Thierse weist Vorwürfe des Unionspolitikers Repnik zurück
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat Vorwürfe des
1. Parlamentarischen Geschäftsführers der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion Hans-Peter Repnik in der "Stuttgarter
Zeitung" wegen seiner Amtsführung zurückgewiesen. Der
Bundestagspräsident richtete heute nachfolgenden Brief an
Hans-Peter Repnik:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
seit der in den Medien sogenannten Spendenaffäre Ihrer Partei
hat es keinen großen Neuigkeitswert, dass aus Ihrer Fraktion
Vorwürfe an den Präsidenten des Deutschen Bundestages
gerichtet werden, er übe sein Amt parteilich aus.
Es ist offensichtlich, dass diese Vorwürfe nicht berechtigt
sind. Als Vorgesetzter der für die Einhaltung des
Parteiengesetzes zuständigen Verwaltung achte ich vielmehr
peinlich auf eine unbezweifelbare Gleichbehandlung aller Parteien
und aller Vorwürfe, die wegen des Finanzgebarens von Parteien
erhoben werden. Das trifft auch auf die Veröffentlichung des
"Stern" über die CSU zu. Mein korrektes Vorgehen wurde im
Ältestenrat bestätigt. Lediglich Ihre Fraktion schloss
sich dem nicht an.
Sie haben es nun für angemessen gehalten, den unberechtigten
und widerlegten Vorwurf der Parteilichkeit nicht nur zu
wiederholen, sondern mit Rücktrittsforderungen zu
verbinden.
Dazu haben Sie den parlamentarischen Streit der letzten Wochen
über die haushalts- und verfassungsrechtliche Behandlung des
von der Bundesregierung beabsichtigten Ankaufs von
Transportflugzeugen für die Bundeswehr herangezogen.
Das kann nur wider besseres Wissen erfolgt sein. Denn der
Bundestagspräsident hat nicht die Aufgabe, sich als Zensor von
Entscheidungen des Parlaments zu betätigen. Nach dem
Grundgesetz ist für die verfassungsrechtliche Würdigung
einer Parlamentsentscheidung alleine das Bundesverfassungsgericht
zuständig. Deshalb hat Ihre und eine weitere Fraktion das
Gericht in dieser Angelegenheit angerufen.
Der Vorsitzende Ihrer Fraktion hatte mir mit Schreiben vom 18.12.01
bereits zugemutet, Regierungshandeln rechtlich zu bewerten, noch
bevor der Deutsche Bundestag sich damit befasst hatte.
Tatsächlich habe ich die Bundesregierung von den Bedenken
Ihrer Fraktion in Kenntnis gesetzt und dies auch Ihrem
Fraktionsvorsitzenden mitgeteilt. Auf sein erneutes Schreiben habe
ich klargestellt, dass es Sache des gesamten Hauses und nicht meine
ist, darüber zu befinden, wie es sein Budgetrecht
wahrnimmt.
Ihr Verhalten ist darauf gerichtet, das Amt des
Bundestagspräsidenten - und nebenbei meine Person -
öffentlich zu beschädigen. Im Interesse des gesamten
Parlaments fordere ich Sie auf, diese durchsichtigen Manöver
zu unterlassen. In der Geschichte des Deutschen Bundestages war es
bisher immer möglich, in der politischen Auseinandersetzung
das Parlament insgesamt und seine Institutionen nicht zu
beschädigen. Ihre Äußerung ist unvereinbar mit
einer verantwortlichen Wahrnehmung Ihrer Ämter, insbesondere
im Ältestenrat des Bundestages.
Ich empfinde sie darüber hinaus menschlich als stillos.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Thierse
3.074 Zeichen