Rede von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse zur Verleihung des Leipziger Buchpreises an Bora Cosic am 24. März 2002
Es gilt das gesprochene Wort
"Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung
würdigt Verdienste um die europäischen Werte:
würdigt Brückenbauer zwischen den verschiedenen
europäischen Kulturen und Traditionen, Verdienste um die
Verständigung insbesondere mit den Völkern Ost- und
Mitteleuropas.
Ich bin sehr froh, dass dieser Preis in diesem Jahr einem Serben
verliehen wird und ich finde es weise, dass dieser Serbe Bora Cosic
ist.
Serbien und die Serben gehören zu Europa; auf dem
Höhepunkt der schließlich militärischen
Auseinandersetzung mit dem Serbien Milosevics habe ich schon davor
gewarnt, sich einem dummen Feindbild "Serbien" hinzugeben. Und die
Serben stellen heute unter Beweis, dass sie europäische
Demokraten sind und bleiben wollen.
Bora Cosic verkörpert den Weg Serbiens zur europäischen
Demokratie. Sein Lebensweg ist - wenn auch nicht ganz freiwillig
und durchaus schmerzhaft - zu einem Abbild des serbischen Weges und
Irrwegs nach Europa geworden. Er hat nie zu denen gehört, die
Milosevics auch nur ansatzweise Sympathie entgegengebracht haben
und er musste für seinen Protest gegen die Diktatur mit dem
Exil bezahlen.
Bora Cosic, 1932 in Zagreb geboren, ist einer der bedeutendsten
Schriftsteller seiner Heimat. Er, der zunächst Anfang der
fünfziger Jahre russische Futuristen übersetzt und Verse
"futuristischer Art" geschrieben hat, gehört zur Avantgarde
der jugoslawischen Literatur, hat in über 30 Prosa- und
Essaybüchern vielfältig das Sinnlose, Groteske, Absurde
und Tragische der Geschichte seines Landes gezeichnet - bis hin zum
Schrecklichen der ethnischen Konflikte und Massenmorde.
Durch die - in Zukunft hoffentlich noch zahlreicheren - deutschen
Übersetzungen seines schriftstellerischen Werkes, aber auch
durch seine politischen Beiträge für deutsche
Zeitschriften, bringt er uns Südosteuropa näher.
Spielerische Ironie, philosophischer Aphorismus und bedrohliche
Verrücktheit liegen oftmals nah beisammen. Bei Bora Cosic, dem
bedeutenden europäischen Schriftsteller, dem Gelehrten, dessen
wissenschaftliche Methode die fröhliche Anarchie und dessen
Forschungsziel die heilsame Verwirrung ist, entsteht ein
facettenreiches kulturelles Bild des für die meisten Deutschen
geheimnisvoll, wenn nicht gar unverständlich gebliebenen
Balkans.
Spätestens durch das Exil - er lebt seit 10 Jahren in Berlin
und auf Istrien - ist Bora Cosic in mindestens zwei
europäischen Sprachen und Kulturen zu Hause. Und von solchen
Menschen braucht Europa viel mehr. Wir diskutieren ja derzeit
darüber, wie wir mit der Tatsache umgehen, dass Deutschland
ein Einwanderungsland ist. Dabei spielen befremdliche Emotionen
eine hintergründige Rolle. Es geht um die Begrenzung der
Zuwanderung und um die Integration der Einwanderer. Ich möchte
in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass das, was wir deutsche
Kultur nennen, eine Verbindung aus allen möglichen
europäischen, fremden, Einflüssen ist, dass wir das
Eigene nie durch Abschottung und Ausgrenzung auf zivilisatorische
Höhen entwickelt haben, sondern immer nur dann, wenn wir
offen, tolerant und schöpferisch mit den Einflüssen
anderer Kulturen umgegangen sind.
Solche Brücken zwischen den Kulturen entstehen durch Menschen,
die in mehreren Kulturen zu Hause sind. Mit Bora Cosic ehren wir
einen, der die Ahnenreihe der Grenzgänger in der
europäischen Kulturgeschichte in die Gegenwart
verlängert. Ich hoffe, er wird ein Vorbild, findet Nachfolger,
die wie er im Stande sind, sowohl die gemeinsamen Wurzeln, die
gemeinsamen Werte zu formulieren, als auch das jeweils Eigene nicht
nur zu behaupten, sondern mit den Anderen zu verbinden.
Die Tragödie Jugoslawiens in den 90er Jahren bewirkte, dass
West- und Mitteleuropa mit dem Balkan eher durch Exil, Flucht,
Vertreibung und Asyl verbunden wurde als durch freiwillige,
neugierige Mobilität. Alte Verbindungen, die sehr gut und
problemlos waren zwischen Westdeutschland und Jugoslawien:
Arbeiter, die von Gästen zu Mitbürgern geworden waren,
jugoslawische Restaurants, die Urlaubserinnerungen an die Adria
wach hielten, wurden verschüttet.
Gott sei dank, wachsen jetzt wirtschaftliche Kooperation, Tourismus
und politische Beziehungen Deutschlands und Europas zu den jungen
Demokratien wieder.
Die europäische Stabilisierungs- und Präventionspolitik
unterstützt die demokratische und friedliche Entwicklung
grenzüberschreitender Kooperation. Das können aber -
zugespitzt formuliert - der Euro und die Bundeswehr nicht alleine
leisten. Es kommt jetzt darauf an, auch in der Breite unserer
Bevölkerungen wieder an die alte Offenheit anzuknüpfen.
Ich spüre, die gegenseitige kulturelle Neugier ist wieder da.
Die Preisverleihung an Bora Cosic verstehe ich so auch als ein
Signal, für einen neuen Stellenwert des kulturellen
Austauschs.
Aber, sehr geehrter Preisträger, ich will Sie nicht auf ein
Symbol verkürzen und zurechtstutzen für hoffnungsvolle
politische und kulturelle Neuanfänge. Sie sind doch vor allem
ein Mann der Sprache, ein Schriftsteller. Seit 1937 lebten Sie in
Belgrad und haben erst einmal Philosophie studiert. Das merkt man
Ihrem Werk bis heute an. Sie haben selbst Ihre Erzählungen
einmal als "Scherbensammeln" bezeichnet. In der Tat scheinen dem
Erzähler Cosic nicht die Handlungsabläufe wesentlich,
sondern die Inspirationen, die Versatzstücke, manche
Quintessenz aus Ideologie, Religion, Politik, Ästhetik und
Mythologie , die mit ungeheurer Sprachlust gesammelt,
zusammengestellt und dekonstruiert werden. Der Leser wird auf
Abschweifungen vom Hundertsten ins Tausendste mitgenommen,
erfährt überraschende Wendungen, Tiraden, bis er auf
verblüffende neue Erkenntnisse gestoßen wird. Das ist
schon wunderbar, und da es mit oft ätzendem Witz verbunden
ist, wird es auch noch herrlich.
Anfang der 50er Jahre schloss sich Bora Cosic den Dichtern und
Künstlern der serbischen Avantgarde an, von denen einige, wie
Marko Ristic, Vasko Popa, Miodrag Pavlovic, Oskar Davico und Leonid
Sejka zumindest Eingeweihten auch bei uns bekannt geworden sind.
Nach drei frühen surrealistischen Romanen publizierte er in
den sechziger Jahren von der Pop Art inspiriert,
Collagenbücher mit kurzen Essays über Kitsch, Kunst und
die Mythen des Alltags, so "Sodom und Gomorra" 1963 und "mixed
media" 1970.
1966-69 entstand der Band mit grotesken Szenen aus dem Leben einer
Belgrader Kleinbürgerfamilie "Wie unser Klavier repariert
wurde. Satiren". Seinen größten Erfolg hatte er mit dem
kurz danach entstandenen Roman "Die Rolle meiner Familie in der
Weltrevolution", der in Jugoslawien in den achtziger Jahren zu
einem echten Kultbuch wurde. Diesen in acht Sprachen
übersetzten Band kann man zu Recht einen Klassiker der
europäischen Literatur nennen: Es wird aus der Perspektive
eines Kindes - unschuldig bis zur Idiotie - in kaum zu
überbietender Knappheit vorgeführt, wie Krieg, Faschismus
und Kommunismus den Mikrokosmos einer heruntergekommenen Familie im
Belgrad der vierziger Jahre heimsuchen. "Die unheimliche Lakonie
des Erzählers, der irrsinnige Witz und der melancholische
Humor des Buches machen es zu einem Meisterwerk der Subversion" -
so bringt es der Klappentext der hier zur Leipziger Buchmessse
gerade erschienenen Neuausgabe auf den Punkt. Die Folge war Anfang
der siebziger Jahre ein mehrjähriges Publikationsverbot, waren
aber auch Erfolge der Theaterfassung und der Verfilmung.
1972-1976 entstand Cosic' umfangreiches Hauptwerk "Die Tutoren",
für das er den Ehrentitel eines "Rabelais vom Balkan" erhielt.
Das Buch ist auf den ersten Blick eine Familienchronik über
fünf Generationen, die in virtuoser Weise von achtzehn
nicht-literarischen Textgattungen und Sprachformen Gebrauch macht,
vom Bauernkalender zum Gebetsrevier, vom Kochbuch zum Schundroman.
In direkter Nachfolge der "Rolle meiner Familie in der
Weltrevolution" steht "Bel tempo", 1982 geschrieben, 1998 als
"Jahrhundertroman" bei Rowohlt Berlin auf Deutsch erschienen. Ein
fast vierhundertseitiger, virtuoser, ungemein komischer Monolog
einer alten Frau, die vor dem Fernseher sitzt und das 20.
Jahrhundert kommentiert. In wildem Tempo ergießt sich ein
nicht enden wollender Schwall aus Bildern und Gedanken. Lachen und
Entsetzen sind in der Rede ohne Absätze vereint. Zitieren wir
den Autor selbst: "Wir sind Teil eines allgemeinen Redens, und das
ist alles. Was ‚wessen' ist, verliert an Bedeutung. In diesem
riesigen Umwälzen, das wir mit Büchern veranstalten, mit
den fremden und den eigenen, werden ganz neue Dinge entdeckt, die
es nie gegeben hat".
Seit Ende der 80er Jahre arbeitet Cosic an einem umfangreichen, bis
heute nicht abgeschlossenen Projekt mit dem Arbeitstitel "Bergottes
Witwe". Mittels einer Umwertung von Prousts Kategorie der
unwillkürlichen Erinnerung analysiert er die reaktionäre
Geschichtspolitik der jugoslawischen Machthaber, die eine neue Art
des Vergessens in das öffentliche Bewusstsein eingeführt
haben. Passagen aus dem letzten Band der "Recherche" bilden auch
die Folie für Cosic' Wahrnehmungen eines zerfallenden, bereits
in Verbrechen verstrickten Landes ("Tagebuch eines Apatriden"
1993).
Dies alles gilt es in Deutschland erst noch zu entdecken. 1998
erschien im unabhängigen Verlag B 92 in Belgrad eine
sechsbändige Ausgabe seiner in Berlin entstandenen
essayistischen Werke, darunter "Der neue Mieter. Berliner Tagebuch"
und "Das barocke Auge". Cosic, der anlässlich einer
Präsentation in dem legendären Untergrundkino "Rex"
erstmals wieder nach Belgrad gekommen war, wurde gefeiert - in
Berichten findet sich der Vergleich zum heimkehrenden Thomas Mann
in Deutschland nach dem Krieg.
In den letzten Jahren hat Bora Cosic sich immer wieder in Artikeln
und Essays gegen Nationalismus und die serbische
Großmachtpolitik gewandt. So in den seit 1992
regelmäßig veröffentlichten "Lettre International",
das "Schreibheft" brachte mehrere literarische Dossiers. Wir sehen
den Grenzgänger der europäischen Verständigung in
den gleichzeitigen Publikationen von Kolumnen in der Neuen
Züricher Zeitung, in deutschen Tages- und Wochenzeitungen, in
der Federal Tribune in Split und in einer neu gegründeten
Zeitung in Pristina/Kosovo.
Während der Ära Milosevic war Bora Cosic in Belgrad
persona non grata. Er gehörte zu den wenigen serbischen
Intellektuellen, die schon früh auf die explosive Situation im
Kosovo hinwiesen und sie zu Recht als Apartheid gebrandmarkt haben.
Doch auch wir hatten nicht gut genug hingehört und viel zu
lange weggesehen. Die blutigen drei Balkankriege, der Terror gegen
die jeweils ethnisch "falschen" Bevölkerungsteile, die
Flüchtlingskatastrophen, die Massenmorde wie von Srebrenica,
und dass schließlich nichts anderes übrig blieb, als im
Kosovo-Krieg 1999 mit Bomben Menschenrechte durchzusetzen - das
alles war kein Ruhmesblatt internationaler, besonders
europäischer Politik. Immerhin gibt es Hinweise, dass wir
gelernt haben: Europäische Verantwortung bedeutet frühe
Einmischung: zivile Krisenprävention, Konfliktlösung,
Friedenskonsolidierung und rechtzeitige Terrorbekämpfung -
also bevor es zu spät ist.
Heute ehren wir auch ein bestimmtes Buch: "Die Zollerklärung".
Die deutsche Übersetzung ist letztes Jahr bei der Edition
Suhrkamp erschienen und seitdem wissen wir, es handelt sich um die
schärfste und bewegendste Auseinandersetzung mit der
Zerstörung Jugoslawiens, mit dem Verlust der Sprache und der
Kultur, mit dem mentalen Irrsinn der Serben während der
Milosevics-Diktatur und - mit der erzwungenen Emigration.
Es scheint ein ziemlich verrückter Einfall aus der frühen
Nähe des Autors zu Dadaismus und Surrealismus zu sein, aber
die erzählte Geschichte eines kafkaesken Albtraumes ist
tatsächlich autobiographisch, datiert wohl um 1995 herum: Die
Zöllner verlangen vom Exilanten ein Verzeichnis aller seiner
Bücher, die bereits verpackt und geschnürt sind, aber
noch in Belgrad darauf warten, die Grenze zu passieren. Eine
Aufgabe, die der Erzähler, bereits in Berlin, aus dem
Gedächtnis erledigen soll.
Im literarischen Werk weitet sich die verlangte Inventur aus - auf
alles, was das Dasein ausmacht. An einer Art existenzieller
Zollstation wird die ganze Biographie deklariert. Während die
materiellen und immateriellen Dinge des Lebens immer zahlreicher
werden, steigen die Zweifel, was eigentlich ausgeführt werden
darf. Ich zitiere: "Ich denke, dass ich meine Schwächen
mitnehmen muss, weil sie mir gehören. Doch vielleicht hat mein
Land Schwächen nötiger als ich. Weil es ein stolzes Land
ist, das so sehr auf seine Stärke hält. Wo die
Schwäche vielleicht ein notwendiges Korrektiv
wäre".
Das Ergebnis der radikalen Selbstbefragung, was sich lohnt,
mitgenommen und erinnert zu werden, ist - am Ende eines
schreckensreichen Jahrhunderts, während neuer Kriege und am
Ende eines individuellen Lebens - desillusionierend. Vom
"Müllberg des Daseins" ist die Rede, und davon, dass Belgrad,
eine europäische Stadt, jetzt leergefegt ist von ihren
Traditionen und von allem Leben.
Deshalb kann schließlich ein "Schattenmann" in der leeren
Belgrader Wohnung in die Rolle dessen schlüpfen, der sein Land
verlassen hat. Dieser Interpret des Gegangenen tut alles das, was
der Ich-Erzähler tun würde, wäre er dort geblieben -
bis sich der Kreis schließt und auch der Schattenmann
einbricht "ins schwarze Loch darunter" und die Gründe,
dafür versteht, zu gehen. Aus der vielleicht
bedrückendste Passage der "Zollerklärung" sei hier, auch
als Beispiel für Cosic' Stil zu schreiben, zitiert:
"Manchmal habe ich etwas Angst um meinen Helden. Ich stelle mir
vor, daß die Polizei oder ein paar betrunkene Soldaten dort
einbrechen könnten. Oder was noch das gefährlichste
wäre, eine gewöhnliche Horde von Leuten, die gar keine
Soldaten sind. Sondern nur Stangen in den Händen und ein Band
um den Hut haben. Ich frage mich deshalb, was ich mit meinem Mann
tun soll, der dort, ziemlich lethargisch, durch die leeren
Räume wandelt. Wenn sie ihm zufällig die Fenster
einschlagen und die Tür aufbrechen. An die Wände
urinieren und in den Zimmerecken ihre Därme entleeren. Jeden
Schalter zerstören und die Drähte aus den Wänden
ziehen. Ich weiß, daß unsere Leute, dort unten, das
sehr oft machen. Das habe ich in vielen Filmen gesehen. Wie auch
andere Dinge, die mit Menschen gemacht werden. Was bliebe von
meinem relativ gesitteten Helden übrig? Will ich etwa nicht
begreifen, daß sie ihm zuerst die Schnürsenkel, den
Gürtel und die Krawatte abnehmen würden Alles unter dem
Vorwand, sie wünschten nicht, daß er sich, nach allem,
erhänge. Das ist ein uralter Vorwand jeder Polizei. Die sich
nicht im geringsten für das Leben des Verhafteten
interessiert. Sondern nur sehen will, wie er geht, wenn er mit der
Hand die Hose festhält. Und schwer mit den aufgeschnürten
Schuhen zu kämpfen hat. Bei alldem steht gleich sein Hemd
offen, und vielleicht hat er starke Bartstoppeln im Gesicht. Es
gibt eine konstante Gruppe von diesen Leuten mit Stangen und jenen
Bändchen um den Hut. Die nichts anderes tut, als in fremde
Häuser einzubrechen, nachdem sie zuerst die Tür mit dem
Fuß eingetreten hat".
So werden die Verletzung der Menschenwürde, der Druck des
serbischen und kroatischen Nationalismus, die Entführungen und
Vertreibungen in erschreckender Weise anschaulich. Wir verstehen,
warum der Autor geflohen ist - und wer kann ihm jetzt noch
verdenken, dass er nicht zurückkehren will. Cosic, der
übermütige Ironiker von einst, hat ein bedrückendes,
ja geradezu verzweifeltes Buch von großem Ernst geschrieben.
Wohin ihn der Tito-Kommunismus nicht treiben konnte, haben die
bestialischen neunziger Jahre gebracht: zu einem Alterswerk, das
sich hoffentlich nicht als sein pessimistisches Vermächtnis
erweisen wird.
Wie hat Günter Grass am Ende seiner neuen Novelle "Im
Krebsgang" - gegen den rechten Hass - formuliert: "Das hört
nicht auf. Nie hört das auf". "Der Schoß ist fruchtbar
noch", hieß es bei Bert Brecht. Dem Diktator wird in Den Haag
vor dem Gerichtshof der Vereinten Nationen der Prozeß
gemacht. Doch klickt man das Internet an, stößt man auf
zahlreiche Solidaritätserklärungen und in fast allen
europäischen Ländern auf Unterstützerkomitees
für Slobodan Milosevic. Es heißt dort: Die
Kosovo-Albaner flohen nicht vor den Serben, sondern vor der Nato.
Jugoslawische Truppen halfen nur den Flüchtlingen aus der
Gefahrenzone. Und kam es doch einmal zu Erschießungen durch
serbische Einheiten, dann geschah das im Kampf gegen den
Terrorismus.
Gegen eine solche Umdeutung dessen, was geschehen ist, braucht es
Aufklärung, braucht es auch Literatur wie die von Cosic. "An
seinen neuen Büchern zeigt seine neue Umgebung vornehmes
Desinteresse" hieß es letzten Dezember in der FAZ.
Dafür, dass das anders wird, wollen wir uns einsetzen: deshalb
- und nicht nur (aber natürlich auch) aus ästhetischen
Gründen - hat Bora Cosic den Leipziger Buchpreis zur
europäischen Verständigung wirklich verdient."
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