Worauf beruht Demokratie? Gewiss zunächst auf der
Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger. Vor allem aber
steht auch vor dem Volk: "Die Würde des Menschen ist
unantastbar." Darum heißt es in der Verfassung: "Alle Menschen
sind vor dem Gesetz gleich", und darum heißt es dort auch,
dass die Kunst frei ist.
Vor allen Wahlen und Abstimmungen beruht Demokratie also
zunächst darauf, anzuerkennen, dass es nicht Abstimmbares
gibt. Bislang galt bei uns die Überzeugung und der Konsens,
dass über Kunst nicht abgestimmt werden kann.
(Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)
Dies und nichts anderes war auch der Grund, dass der Bundestag sich
einen Kunstbeirat geschaffen hat. Ich sehe voraus: Sollte es hier
eine Mehrheit gegen die Entscheidung des Kunstbeirates geben, dann
wird dieser Kunstbeirat nicht mehr weiterleben können!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Zurufe von der CDU/CSU und der
F.D.P.: Oh!)
Dann werden Sie sich die Frage stellen müssen, ob in dem Fall
nicht der Bundestag, das Plenum, jede einzelne Kunstentscheidung
selbst vornehmen muss. Das hielte ich für fatal. Wir brauchen
diesen Kunstbeirat.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)
Wer entscheidet, kann irren; selbstverständlich. Das gilt aber
auch für den Bundestag. Es geht hier um etwas anderes. Es geht
nicht darum, ob Mehrheiten irren, sondern um die Chance, dass es
ein Modell zwischen Kunstsachverständigen und dem Bundestag
gibt und dass dieses Modell leben kann. Wir haben
Sachverständige, die hervorragendsten, die es in Deutschland
gibt, die uns beraten und die uns einstimmig gebeten haben, diesem
Kunstwerk hier im Lichthof einen Platz zu geben. Wir haben uns in
langen Diskussionen - fragen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen, die
im Kunstbeirat Mitglied sind - intensiv damit befasst und
auseinander gesetzt und uns - zwar nicht ohne Zweifel, aber dann
nachher doch - mit einer deutlichen Mehrheit dazu
durchgerungen.
Was sagt das uns? Es besagt, dass Kunst und Demokratie
natürlich eine schwierige Beziehungskiste ist. Der
Künstler ist autonom. Sein Werk darf stören, ja es muss
sogar stören und Eingeschliffenes aufbrechen. Sein Werk muss
neues Sehen möglich machen. Er braucht nicht auf Mehrheiten
Rücksicht zu nehmen. Er braucht nicht auf Sehweisen, die
eingeschliffen sind, Rücksicht zu nehmen. Wir müssen das.
Das ist der Unterschied. Die Demokratie darf in der Sphäre des
Abstimmbaren die Mehrheitsregeln und übrigens auch den Schutz
von Minderheiten nicht verletzen.
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