Logo Deutscher Bundestag Blickpunkt Bundestag online

> Parlament > Kontrollfunktion des Bundestags


zurück

Politik auf Herz und Nieren prüfen

Bild: Fernsehschirm im Plenarsaal des Bundestages
Kanzler unter Beobachtung: Der Bundestag kontrolliert die Regierungspolitik.

Kontrollfunktion des Bundestages

Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser. Nach dieser alten Weisheit ist auch die Entscheidungsfindung in der deutschen Politik aufgebaut. Gerade dem Bundestag kommt bei der Kontrolle der Regierungsarbeit eine Schlüsselfunktion zu. In der Öffentlichkeit tritt zwar meist die Opposition mit Kritik hervor. Doch alle Gremien des Bundestages wirken an der parlamentarischen Kontrolle mit.

Natürlich wollen die Fraktionen, die Kraft ihrer Mehrheit die Regierung stellen, deren Arbeit positiv darstellen. Daher werden die Mehrheitsfraktionen in der Öffentlichkeit die Regierungspolitik gewöhnlich nicht kritisieren. Um so größer ist ihr Einfluss im Vorfeld der öffentlichen Debatte. Regierungskonzepte, die in den internen Beratungen der Mehrheitsfraktionen auf Widerstand stoßen, haben kaum Chancen auf Verwirklichung; sie werden dann regelmäßig umformuliert.

Die Fachausschüsse des Bundestages prüfen die Regierungsentwürfe ebenfalls auf Herz und Nieren. Dann schlägt die Stunde der Experten, deren Kritik meistens ebenfalls zu Veränderungen bei den ursprünglichen Entwürfen führt. Diese Art der Kontrolle ist zwar unspektakulär, aber wirkungsvoll.

Akzeptanz bei der Bevölkerung

Nicht zu unterschätzen ist zudem der Einfluss der öffentlichen Debatte auf Gesetzesvorhaben. Regierungskonzepte müssen vermittelbar sein, müssen sich in aller Öffentlichkeit an den Argumenten der Opposition messen lassen und gegen diese vor den Bürgerinnen und Bürgern bestehen können, wenn sie langfristige Akzeptanz in der Bevölkerung gewinnen wollen.

Diese zweistufige Kontrolle ist grundsätzlich in allen Politikbereichen wirksam. Denn jeder Fachausschuss des Bundestages hat die Möglichkeit (und macht auch stets davon Gebrauch), sich mit Fragen aus seinem Fachgebiet zu befassen, und zwar völlig unabhängig davon, ob er formal eingeschaltet ist. Dann müssen die Vertreter der Regierung Rede und Antwort für ihre Politik stehen.

Instrumente der Kontrolle

Im Bundestag existieren eine ganze Reihe spezieller Kontrollgremien: So beobachten die Parlamentarier zum Beispiel intensiv die Arbeit der Nachrichtendienste und achten darauf, dass Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis in den engen verfassungsrechtlichen Grenzen bleiben. Wenn der Verdacht auf gravierende Mängel oder Fehler im politischen Raum besteht, muss der Bundestag einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ins Leben rufen, sobald ein Viertel der Abgeordneten dieses fordert. Ein Hilfsorgan der parlamentarischen Kontrolle ist schließlich der Wehrbeauftragte des Bundestages, der kritisch die Entwicklungen in der Bundeswehr verfolgt.

Um die Regierungsarbeit effektiv zu kontrollieren, sind die Rechte der Abgeordneten zur Information und zur Aussprache über Streitfragen unverzichtbar: So können die Fraktionen Kleine und Große Anfragen an die Regierung richten. Kleine Anfragen beantwortet die Regierung schriftlich, bei der Großen Anfrage kann eine Debatte im Parlament verlangt werden. Fragestunden ermöglichen es jedem Abgeordneten, an die Bundesregierung zwei Fragen zu richten. Der offenen Debatte dient schließlich die Aktuelle Stunde, bei der Abgeordnete in fünfminütigen Beiträgen ihre Positionen darlegen und Regierungsvertreter ihrerseits den Standpunkt der Exekutive ausführen.

Ratifizierung internationaler Abkommen

In der Außenpolitik ist es besonders wichtig, dass Regierung und Parlament Hand in Hand arbeiten. Beispielsweise werden internationale Verträge laut Verfassung zwar vom Bundespräsidenten geschlossen und von der Bundesregierung ausgehandelt. Doch die ist gut beraten, den Bundestag dabei ständig mit zu beteiligen – denn am Ende, wenn Außenpolitik in Verträgen verbindlich werden soll, läuft nichts ohne parlamentarische „Genehmigung“, die so genannte Ratifizierung. Durch regelmäßige intensive Information des Auswärtigen Ausschusses erhält die Regierung vor der Vertragsunterzeichnung einen Eindruck davon, welche Verabredungen mit anderen Staaten von Deutschland ratifiziert werden können – und welche Formulierungen nicht mitgetragen werden.

Dabei kommt es auch auf die Opposition im Bundestag an. Vor allem dann, wenn die Parteifreunde der Bundestagsminderheit im Bundesrat die Mehrheit stellen – denn auch der Bundesrat wirkt bei der Ratifizierung mit. Wenn etwa die Bundesregierung völkerrechtliche Verträge abschließen will, braucht sie dafür nicht nur die Zustimmung im Bundestag, sondern auch im Bundesrat.

Eine Regierung, die in bestimmten Fragen, wie etwa bei der Aufhebung des Waffenembargos gegen China, von ihrem eigenen Parlament nicht unterstützt wird, hat es schwerer, sich auf europäischer Ebene durchzusetzen. Zwar können die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten in bestimmten Fragen allein entscheiden. Aber sie müssen dafür eine Einstimmigkeit erreichen. Und die rückt in weite Ferne, wenn nationale Parlamente anderer Ansicht sind und dann auch noch das Europäische Parlament dagegen votiert. So sprachen sich beim Waffenembargo die Volksvertreter auf EU-Ebene mit der Mehrheit von 431 zu 85 gegen eine Aufhebung aus.

Text: Gregor Mayntz
Fotos: Picture-Alliance
Erschienen am 12. Mai 2005


Artikelanfang Leserbrief schreiben Druckansicht