JAHRESWIRTSCHAFTSBERICHT 1999 Regierung rechnet mit zwei Prozent Wachstum(fi) Die in Deutschland in den letzten 16 Jahren um 50 Prozent gestiegene Arbeitsproduktivität ist seit vielen Jahren "an den Lohntüten vorbeigegangen". Dies betonte Bundeswirtschaftsminister Dr. Werner Müller am 10. Februar im Ausschuß für Wirtschaft und Technologie. Aus dieser "Gerechtigkeitslücke" sei zu folgern, daß Arbeit im Portemonnaie wiedererkennbar sein müsse. Eine Regierung, die angetreten sei, um Arbeitslosigkeit abzubauen, muß sich nach den Worten Müllers um die Kosten des Produktionsfaktors Arbeit kümmern. Höhere Steuern und Abgaben hätten vor allem bei Familien mit Kindern zu Buche geschlagen. Nun müßten auch Ansprüche der Gesellschaft an den Staat gestrichen werden. Nach Angaben des Deutschen Industrie und Handelstages gebe es 135 Milliarden DM an Subventionen. Wenn man dort begänne, so der Minister, könnte der Sozialstaat effizienter gestaltet werden. Müller bezeichnete sich anläßlich der Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1999 der Bundesregierung (14/334) sowie des Jahresgutachtens 1998/1999 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (14/73) im Ausschuß als Anhänger nachfragetheoretischer Überlegungen. Der Jahreswirtschaftsbericht sei kein Dokument der reinen Nachfragetheorie, sondern eine ausgewogene Mischung von Nachfrage und Angebotspolitik. Er habe viel Sympathie für Angebotspolitik, doch müsse man nach ihren Grenzen fragen. Nachfragepolitik dürfe die Arbeit nicht weiter verteuern. "Realistische Zahlen" Die F.D.P.Fraktion erklärte, es gehe nicht darum, den Sozialstaat umzufinanzieren, sondern neu zu gestalten. Die Bündnisgrünen meinten, man habe es im Jahreswirtschaftsbericht mit annähernd realistischen Wachstumszahlen zu tun. Die CDU/CSU hielt die Wachstumsannahmen des Berichts eher für zu hoch als zu niedrig. Die Sozialdemokraten sahen in dem Bericht eine nüchterne Einschätzung der Wachstumsraten. Zur Stabilisierung der Finanzmärkte seien hohe Anstrengungen erforderlich. Die PDS vermißte Maßnahmen zur Beseitigung der strukturellen Arbeitslosigkeit. Die Bundesregierung rechnet in dem Bericht mit dem Titel "Neue Wege zu mehr Beschäftigung" für 1999 mit einem realen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von rund 2 Prozent - nach 2,8 Prozent im letzten Jahr. Für die alten Länder wird ein Anstieg in ähnlicher Größenordnung vorausgeschätzt; in den neuen Ländern dürfte mit der erwarteten Abschwächung der Baurezession wieder ein überdurchschnittlicher realer Zuwachs von 2 bis 2,5 Prozent erzielbar sein. Wie im vergangenen Jahr werde die Preisentwicklung auch 1999 in "sehr ruhigen Bahnen" verlaufen, prognositiziert die Regierung. Die erste Stufe der ökologischen Steuer und Abgabenreform werde das Verbraucherpreisniveau nur um rund ein Prozent erhöhen. Dem direkten Preisimpuls aufgrund höherer Energiesteuern ständen preisdämpfende Effekte durch die gleichzeitige Senkung der Arbeitgeber und Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung gegenüber. Weniger Arbeitslose Auf dem Arbeitsmarkt rechnet die Regierung damit, daß die Zahl der Erwerbstätigen in Westdeutschland im Jahresdurchschnitt um rund 100.000 gegenüber 1998 ansteigt. Wie im Vorjahr soll die Zahl der Arbeitslosen mit rund 150.000 bis 200.000 stärker zurückgehen als die Erwerbstätigenzahl zunimmt. Insgesamt seien im Jahresdurchschnitt 4,1 Millionen Arbeitslose zu erwarten. Dies entspräche einer Quote von 10,5 Prozent aller Erwerbspersonen, nach 11,1 Prozent im vergangenen Jahr. Dabei soll die Quote im Westen bei 9 Prozent (1998: 9,4 Prozent) und im Osten bei rund 17,5 Prozent (18,2 Prozent) liegen. Wichtigstes Ziel bleibt nach dem Bericht der Abbau der Arbeitslosigkeit. Die Bundesregierung werde sich dabei am Leitbild einer sozial und ökologisch verantwortlichen Marktwirtschaft orientieren. Dazu müsse unter anderem auch die Rolle des Staates neu definiert werden. Wichtig sei nicht nur die Rückführung staatlicher Interventionen, sondern auch ein motivierender Staat, der die Kreativität und die Leistungsfähigkeit der Menschen stärkt, betont die Regierung. |