AUSSPRACHE IM WIRTSCHAFTSAUSSCHUSS
"Globalisierungsdebatte hat einen anderen Akzent bekommen"
(wi) Die Globalisierungsdebatte hat nach Auffassung der Bundesregierung nach dem G-8-Gipfel in Genua und nach den Terroranschlägen vom 11. September einen anderen Akzent bekommen. Im Wirtschaftsausschuss sagte sie am 7. November, die Nichtregierungsorganisationen sähen, dass ihr Anliegen berechtigt sein könne. Es komme aber darauf an, wie ein Diskussionsprozess geführt werde. Bei der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Doha (Katar) seien 647 Vertreter von Nichtregierungsorganisationen zugelassen.
Der Ausschuss stimmte mit der Mehrheit von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der PDS für einen Antrag der Koalitionsfraktionen (14/7143), einen fairen und nachhaltigen Handel durch eine umfassende Welthandelsrunde zu sichern. Nur mit den Gegenstimmen der Unionsfraktion nahm der Ausschuss einen weiteren Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (14/5805) an, den Zugang der "Zivilgesellschaft" zur WTO-Ministerkonferenz zu gewährleisten.
"Kritische Situation"
Die Mehrheit von Koalition und PDS lehnte einen Antrag der CDU/CSU (14/5755) ab, den freien Welthandel durch eine WTO-Runde zu stärken, und wies mit großer Mehrheit darüber hinaus einen Antrag der PDS (14/6889) zurück, in dem eine "neoliberale Globalisierung" nicht als Sachzwang gesehen wird.
Die SPD sah die Weltwirtschaft in einer "kritischen Situation". 80 Prozent des Welthandels fänden zwischen 20 Prozent der Weltbevölkerung statt. Im Antrag der Unionsfraktion kämen die neuen Anforderungen an eine Welthandelspolitik allerdings zu kurz. Im eigenen Antrag werde gefordert, dass sich die WTO für neue Themen öffnen und Rücksicht auf Entwicklungsländer nehmen solle.
Die CDU/CSU hielt es für wichtig, dass eine neue Welthandelsrunde eingeleitet wird. Die Alternativen, nämlich Bilateralismus, Regionalismus und Freihandelszonen, könnten nicht attraktiv sein. Es sei ermutigend, dass der Deutsche Bauernverband sich nicht als "Hardliner" beim Abbau von Agrarexportsubventionen erweise. Nicht alles, was den Europäern vorgehalten werde, sei berechtigt, so die Union. Es gebe noch größere "Subventionstäter". Für hoch entwickelte Staaten sei das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS-Abkommen) wichtig und gleichzeitig eine "heikle Angelegenheit". Die Regierung stimmte dem zu, da für hoch entwickelte Volkswirtschaften die Frage der Patente und Urheberrechte eine Schlüsselfrage sei.
Im Übrigen sprach sich die Union dafür aus, die WTO nicht zu überlasten, sondern handlungsfähig zu halten. Durch eigene Marktöffnung könne nichts erreicht werden, wenn Probleme mit undemokratischen Strukturen und mit Korruption nicht angegangen würden. Laut FDP ist es kontraproduktiv, die WTO mit Sozial- und Umweltstandards zu belasten.
Studie zur Tobin-Steuer
Anlässlich der Beratung eines Berichts des Bundeswirtschaftsministeriums über die wirtschaftspolitischen Strategien und Aktivitäten der Bundesregierung in den Vereinten Nationen, bei der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) und im Rahmen der Nord-Süd-Wirtschaftsbeziehungen stellte die SPD klar, dass das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine Machbarkeitsstudie über die Einführung einer Spekulationssteuer (so genannte Tobin-Steuer) in Auftrag gegeben, diese Steuer aber nicht gefordert habe.