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Josef-Thomas Göller
Divided we fall oder warum George Bush und
Gerhard Schröder sich brauchen
Bundeskanzler in Washington, Dresdner Barock in
Mississippi
Die drei Säulen einer jeden
Außenbeziehung sind Politik, Wirtschaft und Kultur. Letztere
kommt dabei allzu oft zu kurz. Nicht so beim nächsten Besuch
des Bundeskanzlers in den Vereinigten Staaten. Am 27. Februar wird
Schröder in Jackson, Mississippi eine ungewöhnliche
Kulturausstellung eröffnen. "The Glory of Baroque Dresden"
lautet der Titel. Gezeigt werden bis zum 6. September Kostbarkeiten
aus den acht Museen der Staatlichen Kunstsammlung Dresden, darunter
Ölgemälde von Velazquez und Vermeer, Meissner Porzellan
sowie Prunkgewänder von "August dem Starken".
Aus gut unterrichteten Kreisen war im Vorfeld
zu erfahren, dass ursprünglich auf deutscher Seite die
Hoffnung bestand, der Kanzler werde mit dem amerikanischen
Präsidenten zusammen diese einzigartige Kunstausstellung
eröffnen. Präsident Bush verspricht sich aber eine
höhere Medienwirksamkeit davon, wenn sein Antipode zu ihm in
die Hauptstadt kommt. Dabei können sich beide Seiten solch
protokollarische Kinkerlitzchen derzeit gar nicht
leisten.
"United we stand, divided we fall",
heißt es in John Dickinsons amerikanischem Freiheitslied von
1768. Dieser Vers, frei übersetzt "Einigkeit macht stark,
Uneinigkeit führt zum Fall" trifft wie kein anderer auf die
deutsch-amerikanischen Beziehungen zu. Oder besser noch: auf die
beiden Staatslenker Gerhard Schröder und George W.
Bush.
Der eine kommt am 27. Februar "nur" noch als
Bundeskanzler nach Washington, geschwächt um den Sessel des
SPD-Parteivorsitzenden. Der andere muss kleinlaut vor seinem Volk
einräumen: Es gab keine Massenvernichtungsmittel im Irak. Die
"unmittelbare Bedrohung für Amerika", mit der Präsident
Bush seinen Feldzug gegen Saddam begründete, gab es
nie.
Beiden, dem Kanzler wie dem Präsidenten,
bläst zuhause heftiger Gegenwind ins Gesicht. Bei
Schröder ist es die eigene Partei, bei Bush die demokratische
Opposition, die sich zunehmend formiert, um ihn im November aus dem
Amt zu wählen.
Schwieriges Verhältnis
Beide brauchen jetzt Erfolge. Die Chemie
zwischen Bush und Schröder hat noch nie gestimmt. Hinzu traten
von Anfang an tiefgreifende unterschiedliche Einschätzungen
und Ziele in der Weltpolitik. Umso bemerkenswerter, dass beide -
der Kanzler mehr, der Präsident weniger - über diesen
Schatten springen und nun der Öffentlichkeit beweisen
können, dass sie in der Lage sind, auf internationaler Ebene
Sachpolitik über persönliche Querelen zu
stellen.
Bundeskanzler Schröder wurde von der
deutschen Wirtschaft eingeheizt; dass der Euro so gut dasteht, ist
kein Verdienst der Bundesregierung, sondern liegt an der
derzeitigen überdehnten Machtpolitik der USA, der an den
internationalen Finanzmärkten misstraut wird. Schröders
notwendiges Reformpaket, das nach Sicht internationaler
Wirtschaftsexperten immer noch viel zu kurz greift, wird von
Parteitechnokraten in Deutschland torpediert. Deshalb sieht es um
die Arbeitsplätze und damit um die Kaufkraft und
Wirtschaftswachstum weiterhin eher düster aus. Zugegeben: Im
Vergleich zu den USA steht Deutschland immer noch glänzend da.
Echte Existenzarmut, Hunger und trostlose Aussichten für das
Alter gibt es in Deutschland nicht, wohl aber millionenfach im
"Land der unbegrenzten Möglichkeiten". Dennoch hält der
wirtschaftliche Trend nach unten in der Bundesrepublik nun schon
viel zu lange an. Hinzu kommt die Überalterung der
Bevölkerung, die in den USA zum Beispiel durch den
jährlichen Zuzug von mindestens einer Million Einwanderern
aufgefangen wird. In Deutschland aber gibt es immer noch kein
Einwanderungsgesetz; "Zuwanderungsgesetz" nennt man es
verschämt und versieht es mit viel zu vielen
bürokratischen Klauseln. Dabei steht Deutschland, was sein
Image anbelangt, sehr gut da. Wer reist, spürt dies
allerorten. Insbesondere in den USA spielt die Missstimmung auf
hoher politischer Ebene keine Rolle. Im Gegenteil: Es herrscht
geradezu Bewunderung für das selbstbewusste Auftreten eines
neuen Deutschlands. Nicht nur unter den oppositionellen Demokraten,
sondern auch unter weitsichtigen Republikanern wird anerkannt, dass
die USA von einem starken Deutschland eher profitieren können.
Wirtschaftlich und politisch schwache Verbündete hat die USA
genug. Was fehlt, ist ein echter gleichwertiger
Bündnispartner. Die vor einem Jahr von einigen Politikern des
rechten Spektrums angekündigten "Boykotte" gegen die
"starrsinnigen" Europäer sind zumindest auf Deutschland
bezogen nahezu ausgeblieben. Tom DeLay, republikanischer Hardliner
und Sprecher im Repräsentantenhaus, hat im Februar 2003
großmundig umfangreiche "Bestrafungen" Deutschlands und
Frankreichs angekündigt. Weil beide sich einer
militärischen Invasion des Irak verweigerten. Heute wird
Präsident Bush aus der gleichen Ecke, und viel lauter noch
seitens der Demokraten, aufgefordert, wieder mit genau jenen
Geächteten ins Gespräch zu kommen.
Die USA, nun selbst finanziell bis aufs
Äußerste angespannt, brauchen Partner, die Geld haben,
die ihr internationales Engagement selbst bezahlen können. Da
bleiben, weltweit betrachtet, nicht viele Länder übrig,
genau genommen nur die EU, und innerhalb dieser wiederum in erster
Linie Deutschland.
Diese amerikanische Erkenntnis versetzt
Bundeskanzler Gerhard Schröder in eine hervorragende
Verhandlungsposition am 27. Februar bei seinem Gespräch mit
Präsident Bush im Oval Office. Diesmal wollen die Amerikaner
nicht bedingungslose Nibelungentreue, sondern sind bereit, etwas
anzubieten: Geschäfte im und mit dem neuen Irak. Bundeskanzler
Schröder kann es sich angesichtes der heimischen
wirtschaftlichen Misere diesmal nicht leisten, persönliche
Abneigungen über Realpolitik zu stellen. Deutschland ist
Exportland. Es ist arm an Bodenschätzen bei gleichzeitig hohem
Energiebedarf. Der Aufbau des Irak zu einem modernen Industriestaat
bietet, auch aufgrund der relativen geografischen Nähe zu
Europa, Chancen für deutsche Arbeitskräfte und den
Handel, die man in der derzeitigen Situation nicht verspielen
sollte. Den Moralisten sei an dieser Stelle gesagt: Auch wenn
Deutschland von allen Nationen dieser Welt die besten Gründe
hatte, sich nicht an der Invasion im vergangenen Jahr zu
beteiligen, hat es jetzt vielleicht sogar eine moralische Pflicht,
dazu beizutragen, dass das "Demokratie-Projekt Irak" nicht
scheitert. Die Sicherung einer nachhaltigen Demokratie kann aber
nur bei gleichzeitig steigendem Wohlstand gelingen, das wissen die
Deutschen selbst am besten.
Der Preis, den Präsident Bush von
Bundeskanzler Schröder erwartet, sind deutsche "Peace Keeper",
sprich Bundeswehr im Süd-Irak. Es geht dabei nicht um
symbolische Kontingente von Bundeswehr-Sanitätszügen,
sondern um eine substantielle Beteiligung von mindestens 1.500
deutschen Friedenshütern, möglicherweise mit steigender
Tendenz, so wie in Bosnien, im Kosovo und in Afghanistan. Der
amerikanische Präsident, der die Unterstützung der
Deutschen dringend braucht, wäre allerdings gut beraten, wenn
er Schröder für solch eine "Kehrtwende" eine
diplomatische Brücke bauen würde, etwa einen NATO- oder
neuen UNO-Beschluss zur Entsendung von Friedenstruppen. Erst
muß der "hautgoût" beseitigt werden, die Bundeswehr gebe
sich als Hilfstruppen der Marines her.
Als weitere Gesprächsinhalte gaben beide
Regierungen ferner die Themen Nahost und Afghanistan bekannt, zwei
außenpolitische Felder, über die weitgehend Konsens
herrscht und wo das deutsche Engagement auch von amerikanischer
Seite gebührend gewürdigt wird. Es ist die
Unterstützung der Bundesregierung beim Wiederaufbau
Afghanistans, die die amerikanische Kritik an Schröders so
genanntem Anti-Kurs gedämpft hat. Jetzt können beide
Staatsmänner auf dieser Gemeinsamkeit aufbauen, um zu einer
Partnerschaft auf der Weltbühne
zurückzufinden.
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