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Gerlind Schaidt
Kopfzerbrechen bei Bund, Land und Gemeinden
über ein schwieriges Erbe aus unseliger Zeit
Nordrhein-Westfalen: Streit über die
künftige Nutzung der NS-Ordensburg Vogelsang in der
Eifel
Noch ist nichts entschieden", wiegelt der SPD-Fraktionschef im
Düsseldorfer Landtag, Edgar Moron, ab. Aber dann sagt er auch:
"Das Ding gehört uns doch gar nicht. Der Bund ist
Eigentümer." Doch das "Ding" liegt mitten in
Nordrhein-Westfalen, genauer, am Eingang zum gerade eröffneten
ersten Nationalpark des Landes, 50 Kilometer süd-westlich von
Köln und etwa 30 Kilometer süd-östlich von
Aachen.
Bei dem "Ding" handelt es sich um die ehemalige Ordensburg
Vogelsang, eine zwischen 1934 und 1936 von dem Kölner
Architekten Clemens Klotz aus dem Boden gestampfte monströse
Kaderschmiede für Hitlers Führungselite. Neben dem
Parteitagsgelände in Nürnberg und dem Erholungsheim Prora
auf Rügen gehört die Ordensburg heute zu den
größten erhaltenen Bauwerken aus der NS-Zeit.
Außer auf Vogelsang wurde noch im bayrischen Sonthofen
sowie in Crössinsee in Pommern (heute Polen) der NS-Nachwuchs
geschult. Zusätzlich zur Kaderausbildung nutzten die
NS-Größen die riesigen Burgbauwerke der Ordensburg
Vogelsang auch für die Selbstdarstellung der NSDAP. Hitler,
Göring und der Leiter der "Deutschen Arbeitsfront", Robert
Ley, waren mehrfach auf Vogelsang.
Die Ordensburg in der Eifel wurde zwar nur 40 Monate als
NS-Schulungsstätte genutzt, gilt aber dennoch als
Kultstätte der Neonazis. Auf den Internetseiten wird die Burg
von Rechtsextremen aller Couleur als Wallfahrtsort gefeiert.
Monumental und düster erheben sich in reinster
Nazi-Architektur die grauen Bruchsteinmauern über dem Urfttal.
"Eine in ihrer grauen Kargheit beeindruckende, besonders
schöne Natur", urteilte Ex-NRW-Innenminister Burkhard Hirsch
unlängst bei einer Besichtigung über die Landschaft. Die
Burg sei indes kein Grund, um "in Romantik" zu verfallen.
NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn entfuhr es dagegen beim
Anblick der Ordensburg: "Da läufts' einem schon mit den
Rücken runter."
Der mit rund 70.000 Quadratmetern Nutzfläche riesige
Komplex war bisher in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt.
Er liegt im Sperrgebiet des belgischen Militärs, das dort mit
NATO-Partnern Truppenübungen absolviert. Im Februar 1945
besetzten Soldaten der 9. US-Division die Burg. Danach wurden Teile
der Gebäude zu Kasernen für die britische Besatzungsmacht
umfunktioniert.
Ab 1950 nutzten die belgischen Streitkräfte dann die
einstige Ordensburg als Truppenübungsplatz. 2001
kündigten die Belgier ihren Abzug für Ende 2005 an. "Bis
Ende 2004 wird normal gearbeitet. Das Jahr 2005 wird zum
Aufräumen genutzt, so dass wir am 31. Dezember 2005 die Anlage
an die deutschen Autoritäten zurückgeben können",
gab Capitaine-Commandant Chris Vinage die Entscheidung bekannt.
Seither basteln Bund, das Land NRW, betroffene Gemeinden,
Regionalparlamente, Fördervereine und Bürgerinitiativen
an Lösungsmöglichkeiten für eine Umnutzung des
Geländes. Da das Bundesverteidigungsministerium eine weitere
Nutzung durch die Bundeswehr ausgeschlossen hat, muss die Burg 60
Jahre nach Kriegsende einer zivilen Nutzung zugeführt werden.
Das bereitet Probleme. Sie werden noch dadurch verschärft,
dass die einstige Ordensburg 1989 - in einer umstrittenen
Entscheidung - von der Bezirksregierung Köln unter
Denkmalschutz gestellt wurde. Zusätzlich treibt die Politiker
die Sorge um, die Ordensburg könnte zu einem Pilgerort
für ewig Gestrige werden.
Die bisherigen Vorschläge sind teilweise bunt und oft
abenteuerlich. Sie reichen vom Abriss über Verfallenlassen bis
zum Wellness-Center oder einer Golfanlage. Anfang des Jahres heizte
Michael Vesper, grüner Kultur- und Bauminister in
Nordrhein-Westfalen, die Debatte mit dem bundesweit Aufsehen
erregenden Vorschlag an, die umstrittene Wehrmachtsausstellung des
Hamburger Instituts für Sozialforschung als Dauerausstellung
auf der Burg unterzubringen. Damit solle verhindert werden, dass
sich auf der Burg ein "Wallfahrtsort der neuen und alten Rechten",
herausbildet, so die Argumentation des Ministers.
Vespers Vorstoß stieß auf wenig Gegenliebe bei der
Historiker-Gilde. Ihre Einwände: Die Wehrmachtsausstellung sei
auf der Ordensburg deplaziert. Diese befasse sich mit dem
Vernichtungsfeldzug im Osten, dagegen sei auf der NS-Burg in der
Eifel der Führernachwuchs der Partei ausgebildet worden.
Inzwischen ist der Grüne von seiner Vorstellung auch wieder
abgerückt, die von ihm angestoßene Diskussion zieht
jedoch immer neue Kreise.
Zuvor hatte schon der Vorschlag des Präsidenten des
Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, Kritik erregt.
Dieser hatte sich im NRW-Parlamentsblatt "landtag intern"
dafür eingesetzt, "die Ordensburg bewusst verfallen" zu lassen
und sie in diesem Zustand als "Lernort" zu nutzen. Die ehemalige
NS-Kaderschmiede verfallen oder abzureißen zu lassen,
wäre eine Katastrophe, argumentieren die NS-Experten. Dadurch
würde ein Ort erst richtig zur Kultstätte der Neonazis.
Es gäbe nichts, was für Nostalgiker so anziehend sei, wie
eine Ruine.
Mittlerweile ist auch diese Idee vom Tisch. Alle, die sich mit
der Zukunft der Ordensburg beschäftigen, sind mittlerweile
darüber einig, dass es "keine Lösung mit der Abrissbirne"
geben soll. Als Grundlage für kommende Überlegungen zur
einvernehmlichen Umnutzung der NS-Hinterlassenschaft dienen das
Nutzungskonzept des Arbeitskreises Vogelsang im höchst aktiven
Fördervereins Eifel e. V., eine vom Kreis Euskirchen in
Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie und ein Symposium, zu dem
Minister Vesper Anfang Januar 2004 eingeladen hatte.
In dem Papier des Arbeitskreises heißt es, die
künftige Nutzung soll dem historischen Hintergrund gerecht
werden, Denkmalschutzbestimmungen berücksichtigen,
nationalparkverträglich sein, Zukunftsperspektiven
eröffnen, im Interesse der Region liegen und zudem noch
finanzierbar und möglichst wirtschaftlich zu sein. Vesper
bilanzierte nach dem Symposium: "Wir wollen an diesem Ort - der
besonders für jüngere Besucher
erklärungsbedürftig ist - eine Lern- und
Erinnerungsstätte schaffen."
Unbestritten scheint allerdings auch, dass zumindest ein Teil
der Mammutanlage zurückgebaut, sprich abgerissen wird. Nach
vorsichtigen bisherigen Schätzungen müssten für eine
sinnvolle Nutzung rund 36 Millionen Euro aufgebracht werden. Der
Landtagsabgeordnete und Euskirchener CDU-Kreisvorsitzende Clemens
Pick, in dessen Wahlkreis die Burg liegt, strebt einen
möglichst "perspektivischen" Nutzen an. Außerdem mahnt er
den Bund als Besitzer der Riesenimmobilie, sich endlich zu
erklären. Pick: "Die Entscheidung hätte schon gestern
fallen müssen."
Auch der SPD-Fraktionschef, Edgar Moron, wünscht eine
möglichst rasche Klärung der Eigentumsfrage. "Wir
müssen wissen, ob und zu welchen Bedingungen der Bund uns die
Burg geben kann und will." Grundsätzlich schließt Moron
sich den Vorstellungen des grünen Vize-Fraktionsvorsitzenden
im Landtag, Reiner Priggen, an, der sich für eine Stiftung
stark macht. Priggen gilt als einer der Architekten des
Nationalparks in der Eifel, der am 1. Janaur 2004 eröffnet
wurde. Für ihn ist eine Stiftung, die einzig sinnvolle
Lösung. "Sie wird kommen. Es handelt sich hier um die
größte Investition in der Eifel seit dem Bau des
Nürburgrings", ist er überzeugt.
Franziskanerinnen
Indessen haben sich bereits erste Interessenten gemeldet, die
künftig Gebäude der ehemaligen Ordensburg nutzen
möchten. So will das Deutsche Jungendherbergswerk in einem
Teil der Gebäude ein "Europa-Zentrum für Jugend und
Zukunft" errichten. Das NRW-Umweltministerium plant, die
Verwaltungszentrale für den Nationalpark in die Burg zu legen.
Der Franziskanerinnen-Orden möchte dort ein "Kloster auf Zeit"
einrichten und die Aachener Hochschule ein
"Technologietransfer-Zentrum für Konversionstechnik".
Außerdem soll ein "Zentrum für Zeit- und
Regionalgeschichte" entstehen.
Der Bund muss interessiert sein, die Immobilie so schnell wie
möglich los zu werden. Denn die Anlage ist ein Alptraum
für jeden Investor. 2,5 Millionen Euro kostet die
Instandhaltung pro Jahr. Allein die Energiekosten belaufen sich auf
750.000 Euro. Selbst im Sommer muss die Heizung laufen, denn hinter
den dekorativen Bruchsteinfassaden verbergen sich 70 Jahre alte
kalte Betonmauern. Nimmt man noch die Denkmalschutzauflagen sowie
mögliche Munitionsrückstände hinzu, wird der Komplex
noch unattraktiver. Jürgen Wichard, einer der Verantwortlichen
bei der Bundesvermögensverwaltung, formuliert nicht gerade
optimistisch: "Also ich könnte mir einen Investor vorstellen,
der gerne kommt, wenn man ihm 50 Millionen Euro dazu gibt."
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