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Nr. 07-08 / 16.02.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Gerlind Schaidt

Kopfzerbrechen bei Bund, Land und Gemeinden über ein schwieriges Erbe aus unseliger Zeit

Nordrhein-Westfalen: Streit über die künftige Nutzung der NS-Ordensburg Vogelsang in der Eifel

Noch ist nichts entschieden", wiegelt der SPD-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, Edgar Moron, ab. Aber dann sagt er auch: "Das Ding gehört uns doch gar nicht. Der Bund ist Eigentümer." Doch das "Ding" liegt mitten in Nordrhein-Westfalen, genauer, am Eingang zum gerade eröffneten ersten Nationalpark des Landes, 50 Kilometer süd-westlich von Köln und etwa 30 Kilometer süd-östlich von Aachen.

Bei dem "Ding" handelt es sich um die ehemalige Ordensburg Vogelsang, eine zwischen 1934 und 1936 von dem Kölner Architekten Clemens Klotz aus dem Boden gestampfte monströse Kaderschmiede für Hitlers Führungselite. Neben dem Parteitagsgelände in Nürnberg und dem Erholungsheim Prora auf Rügen gehört die Ordensburg heute zu den größten erhaltenen Bauwerken aus der NS-Zeit.

Außer auf Vogelsang wurde noch im bayrischen Sonthofen sowie in Crössinsee in Pommern (heute Polen) der NS-Nachwuchs geschult. Zusätzlich zur Kaderausbildung nutzten die NS-Größen die riesigen Burgbauwerke der Ordensburg Vogelsang auch für die Selbstdarstellung der NSDAP. Hitler, Göring und der Leiter der "Deutschen Arbeitsfront", Robert Ley, waren mehrfach auf Vogelsang.

Die Ordensburg in der Eifel wurde zwar nur 40 Monate als NS-Schulungsstätte genutzt, gilt aber dennoch als Kultstätte der Neonazis. Auf den Internetseiten wird die Burg von Rechtsextremen aller Couleur als Wallfahrtsort gefeiert. Monumental und düster erheben sich in reinster Nazi-Architektur die grauen Bruchsteinmauern über dem Urfttal. "Eine in ihrer grauen Kargheit beeindruckende, besonders schöne Natur", urteilte Ex-NRW-Innenminister Burkhard Hirsch unlängst bei einer Besichtigung über die Landschaft. Die Burg sei indes kein Grund, um "in Romantik" zu verfallen. NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn entfuhr es dagegen beim Anblick der Ordensburg: "Da läufts' einem schon mit den Rücken runter."

Der mit rund 70.000 Quadratmetern Nutzfläche riesige Komplex war bisher in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Er liegt im Sperrgebiet des belgischen Militärs, das dort mit NATO-Partnern Truppenübungen absolviert. Im Februar 1945 besetzten Soldaten der 9. US-Division die Burg. Danach wurden Teile der Gebäude zu Kasernen für die britische Besatzungsmacht umfunktioniert.

Ab 1950 nutzten die belgischen Streitkräfte dann die einstige Ordensburg als Truppenübungsplatz. 2001 kündigten die Belgier ihren Abzug für Ende 2005 an. "Bis Ende 2004 wird normal gearbeitet. Das Jahr 2005 wird zum Aufräumen genutzt, so dass wir am 31. Dezember 2005 die Anlage an die deutschen Autoritäten zurückgeben können", gab Capitaine-Commandant Chris Vinage die Entscheidung bekannt.

Seither basteln Bund, das Land NRW, betroffene Gemeinden, Regionalparlamente, Fördervereine und Bürgerinitiativen an Lösungsmöglichkeiten für eine Umnutzung des Geländes. Da das Bundesverteidigungsministerium eine weitere Nutzung durch die Bundeswehr ausgeschlossen hat, muss die Burg 60 Jahre nach Kriegsende einer zivilen Nutzung zugeführt werden. Das bereitet Probleme. Sie werden noch dadurch verschärft, dass die einstige Ordensburg 1989 - in einer umstrittenen Entscheidung - von der Bezirksregierung Köln unter Denkmalschutz gestellt wurde. Zusätzlich treibt die Politiker die Sorge um, die Ordensburg könnte zu einem Pilgerort für ewig Gestrige werden.

Die bisherigen Vorschläge sind teilweise bunt und oft abenteuerlich. Sie reichen vom Abriss über Verfallenlassen bis zum Wellness-Center oder einer Golfanlage. Anfang des Jahres heizte Michael Vesper, grüner Kultur- und Bauminister in Nordrhein-Westfalen, die Debatte mit dem bundesweit Aufsehen erregenden Vorschlag an, die umstrittene Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung als Dauerausstellung auf der Burg unterzubringen. Damit solle verhindert werden, dass sich auf der Burg ein "Wallfahrtsort der neuen und alten Rechten", herausbildet, so die Argumentation des Ministers.

Vespers Vorstoß stieß auf wenig Gegenliebe bei der Historiker-Gilde. Ihre Einwände: Die Wehrmachtsausstellung sei auf der Ordensburg deplaziert. Diese befasse sich mit dem Vernichtungsfeldzug im Osten, dagegen sei auf der NS-Burg in der Eifel der Führernachwuchs der Partei ausgebildet worden. Inzwischen ist der Grüne von seiner Vorstellung auch wieder abgerückt, die von ihm angestoßene Diskussion zieht jedoch immer neue Kreise.

Zuvor hatte schon der Vorschlag des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, Kritik erregt. Dieser hatte sich im NRW-Parlamentsblatt "landtag intern" dafür eingesetzt, "die Ordensburg bewusst verfallen" zu lassen und sie in diesem Zustand als "Lernort" zu nutzen. Die ehemalige NS-Kaderschmiede verfallen oder abzureißen zu lassen, wäre eine Katastrophe, argumentieren die NS-Experten. Dadurch würde ein Ort erst richtig zur Kultstätte der Neonazis. Es gäbe nichts, was für Nostalgiker so anziehend sei, wie eine Ruine.

Mittlerweile ist auch diese Idee vom Tisch. Alle, die sich mit der Zukunft der Ordensburg beschäftigen, sind mittlerweile darüber einig, dass es "keine Lösung mit der Abrissbirne" geben soll. Als Grundlage für kommende Überlegungen zur einvernehmlichen Umnutzung der NS-Hinterlassenschaft dienen das Nutzungskonzept des Arbeitskreises Vogelsang im höchst aktiven Fördervereins Eifel e. V., eine vom Kreis Euskirchen in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie und ein Symposium, zu dem Minister Vesper Anfang Januar 2004 eingeladen hatte.

In dem Papier des Arbeitskreises heißt es, die künftige Nutzung soll dem historischen Hintergrund gerecht werden, Denkmalschutzbestimmungen berücksichtigen, nationalparkverträglich sein, Zukunftsperspektiven eröffnen, im Interesse der Region liegen und zudem noch finanzierbar und möglichst wirtschaftlich zu sein. Vesper bilanzierte nach dem Symposium: "Wir wollen an diesem Ort - der besonders für jüngere Besucher erklärungsbedürftig ist - eine Lern- und Erinnerungsstätte schaffen."

Unbestritten scheint allerdings auch, dass zumindest ein Teil der Mammutanlage zurückgebaut, sprich abgerissen wird. Nach vorsichtigen bisherigen Schätzungen müssten für eine sinnvolle Nutzung rund 36 Millionen Euro aufgebracht werden. Der Landtagsabgeordnete und Euskirchener CDU-Kreisvorsitzende Clemens Pick, in dessen Wahlkreis die Burg liegt, strebt einen möglichst "perspektivischen" Nutzen an. Außerdem mahnt er den Bund als Besitzer der Riesenimmobilie, sich endlich zu erklären. Pick: "Die Entscheidung hätte schon gestern fallen müssen."

Auch der SPD-Fraktionschef, Edgar Moron, wünscht eine möglichst rasche Klärung der Eigentumsfrage. "Wir müssen wissen, ob und zu welchen Bedingungen der Bund uns die Burg geben kann und will." Grundsätzlich schließt Moron sich den Vorstellungen des grünen Vize-Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Reiner Priggen, an, der sich für eine Stiftung stark macht. Priggen gilt als einer der Architekten des Nationalparks in der Eifel, der am 1. Janaur 2004 eröffnet wurde. Für ihn ist eine Stiftung, die einzig sinnvolle Lösung. "Sie wird kommen. Es handelt sich hier um die größte Investition in der Eifel seit dem Bau des Nürburgrings", ist er überzeugt.

Franziskanerinnen

Indessen haben sich bereits erste Interessenten gemeldet, die künftig Gebäude der ehemaligen Ordensburg nutzen möchten. So will das Deutsche Jungendherbergswerk in einem Teil der Gebäude ein "Europa-Zentrum für Jugend und Zukunft" errichten. Das NRW-Umweltministerium plant, die Verwaltungszentrale für den Nationalpark in die Burg zu legen. Der Franziskanerinnen-Orden möchte dort ein "Kloster auf Zeit" einrichten und die Aachener Hochschule ein "Technologietransfer-Zentrum für Konversionstechnik". Außerdem soll ein "Zentrum für Zeit- und Regionalgeschichte" entstehen.

Der Bund muss interessiert sein, die Immobilie so schnell wie möglich los zu werden. Denn die Anlage ist ein Alptraum für jeden Investor. 2,5 Millionen Euro kostet die Instandhaltung pro Jahr. Allein die Energiekosten belaufen sich auf 750.000 Euro. Selbst im Sommer muss die Heizung laufen, denn hinter den dekorativen Bruchsteinfassaden verbergen sich 70 Jahre alte kalte Betonmauern. Nimmt man noch die Denkmalschutzauflagen sowie mögliche Munitionsrückstände hinzu, wird der Komplex noch unattraktiver. Jürgen Wichard, einer der Verantwortlichen bei der Bundesvermögensverwaltung, formuliert nicht gerade optimistisch: "Also ich könnte mir einen Investor vorstellen, der gerne kommt, wenn man ihm 50 Millionen Euro dazu gibt."

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