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Christoph Seils
Die Elite von morgen lernt Regieren
Zwei Schools of Governance in Berlin
gegründet
Regieren wird immer schwieriger, der Reformbedarf immer
größer, politische Entscheidungen immer komplexer. Doch
wenn die notwendigen Reform-Prozesse in Deutschland nicht voran
kommen, dann liegt dies nach Ansicht der Präsidentin der
Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), Gesine
Schwan, auch daran, dass in Politik, Verwaltung und
zivilgesellschaftlichen Organisationen Führungskräfte
fehlen, "die gezielt für die neuen Herausforderungen
ausgebildet werden".
Gleich zwei Projekte, die kürzlich in Berlin vorgestellt
wurden, versprechen Abhilfe. Auf den Schools of Governance sollen
die Führungskräfte von Morgen das Regieren, Verwalten und
Gestalten im öffentlichen Sektor lernen. Die eine wurde von
der Hertie-Stiftung initiiert, die andere von der Berliner
Humboldt-Universität und der Viadrina, die eine als private
Initiative, die andere als Public-Privat-Partnership. "Endlich
müssen deutsche Führungskräfte nicht mehr nach
Boston, London oder Paris ausweichen", jubelt Stephan Gutzeit,
Gründungsmanager der Humboldt Viadrina School of Governance,
und auch sein Amtskollege Bernhard Lorentz von der Hertie-School of
Governance ist voller Euphorie. "Wir machen etwas völlig
Neues", sagt er, "wir bieten eine praxisorientierte,
interdisziplinäre und internationale Ausbildung für den
Führungskräftenachwuchs." Nicht nur analytische
Kompetenzen sollen die Governance Schools lehren, sondern vor allem
so genannte ?skills', Fähigkeiten, wie
Gesprächsführung und Verhandlung. Nicht Theorie soll im
Mittelpunkt stehen sondern nach amerikanischem Vorbild
Case-Studies, Fallstudien.
Amerikanische Vorbilder
Die Konzepte der beiden Governance Schools sind sehr
ähnlich, die Ansprüche hoch. An bekannten amerikanischen
Vorbildern wie der Kennedy School of Government in Harvard oder der
Goldman School of Public Policy in Berkeley will man sich messen,
die besten Professoren sollen nach Berlin berufen werden, die
anerkanntesten Experten aus aller Welt sollen dort unterrichten. Im
Mittelpunkt beider Schulen sollen zweijährige
Master-Studiengänge stehen. Zunächst der Master of Public
Policy, später könnten Master auf Public Administration
oder Master of Non-Profit-Organisation-Administration hinzu kommen.
Berufsanfänger mit exzellenten Studienabschlüssen und
mehrjähriger Berufserfahrung sollen sich bewerben. Zwei Jahre
dauert der Studiengang, die Humboldt-Viadrina School will ihn auch
berufsbegleitend anbieten.
Im Herbst wird es los gehen. An der Humboldt Viadrina School of
Governance können sich dann die ersten 20 Studenten für
den Master-Studiengang einschreiben. In ein paar Jahren sollen an
der Schule 60 Studenten von zwölf Professoren betreut werden.
Die Hertie-School startet zur selben Zeit zunächst mit einem
siebentägigen Executive Seminars "zur systematischen
Einführung in Probleme moderner Governance". Erst ein Jahr
später kommen die ersten Studenten. Nach der derzeitigen
Planung werden im Jahr 2007 etwa 15 Professoren für rund 100
Studenten aus ganz Europa, vor allem auch aus Osteuropa, da sein.
Finanziert wird die Universität ausschließlich privat.
25,6 Millionen Euro hat die Hertie-Stiftung für den Aufbau der
Governance-School bereitgestellt. Die privaten Förderer, die
ein Wissenschaftsmanager im Auftrag der Humboldt-Universität
und der Viadrina für Spenden im insgesamt zweistelligen
Millionenbereich gewonnen hat, wollen ungenannt bleiben. Aber auch
die beteiligten Universitäten kostet das Projekt nichts, so
versichert Stephan Gutzeit. Doch vom Anspruch zur Realisierung ist
es noch ein weiter Weg, so manche ambitionierte private
Universität, wie etwa die Universität Witten-Herdecke
oder die International University Bremen, waren letztendlich doch
auf öffentliche Gelder angewiesen. Auch ein hohes
Ausbildungsniveau müssen beide Initiativen erst noch unter
Beweis stellen. Das weiß auch Stephan Gutzeit: "Wir haben den
Anspruch, Führungseliten auszubilden, ob wir eine
Eliteuniversität werden, das muss der Markt entscheiden."
Die neu aufgeflammte Elite-Diskussion kommt den Initiatoren
allerdings gerade recht. Eine ganze Universität an die
Weltspitze zu führen, sei äußerst schwierig und
teuer, so Stephan Gutzeit, eher sei der Aufbau einzelner,
exzellenter Reformfakultäten zu schaffen. Nicht einmal die
Studiengebühren von bis zu 10.000 Euro pro Jahr sollen
potentielle Studenten abschrecken. Stipendien sollen dafür
sorgen, dass die Immatrikulation nicht vom Geldbeutel abhängt.
Auch die Hertie-Stiftung garantiert zunächst für
fünf Jahre, dass alle ausgewählten Bewerber, die die
"Notwendigkeit einer Unterstützung" nachweisen, ein Stipendium
für die Studiengebühren und den Lebensunterhalt
erhalten.
Natürlich sind solch ambitionierte Projekte nicht
unumstritten. Zumal sich die drei großen Berliner
Universitäten mit erheblichen Mittelkürzungen durch das
überschuldete Land Berlin konfrontiert sehen. 75 Millionen
Euro müssen diese bis zum Jahr 2009 in ihren Etats einsparen,
23,3 Millionen Euro davon betreffen die Freie Universität.
Zwischen 80 und 90 Professorenstellen muss die FU streichen, schon
warnt FU-Präsident Dieter Lenzen die Berliner Politik davor,
Universitäten der Stadt "kaputt zu sparen". Das
Otto-Suhr-Institut (OSI) der FU-Berlin, das mit etwa 3.000
Studenten größte Politikwissenschaftliche Institut
Deutschlands, muss in den kommenden Jahren vier seiner 18
Professorenstellen abbauen, dem Institut für Soziologie droht
gar die Schließung.
Dementsprechend polemisch kommentierte denn auch der
OSI-Professor Elmar Altvater in einem Zeitungsbeitrag die
Gründung beider Governance Schools. Nur weil an
öffentlicher Bildung gespart werde, hätten private
Anbieter eine Chance, so Altvater, dabei biete das Curriculum der
Hertie-School nur, "was ein Student der Politikwissenschaft in den
Grundsemestern zu lernen hat", spottet er und fragt sich, ob so
Studenten an die Hertie-School zu locken sind, "wenn doch an der
FU-Berlin mindestens so gut Fragen der Governance studiert werden
können, ohne derzeit dafür Studiengebühren
löhnen zu müssen". "Wir sind längst eine
Eliteuniversität", sagt dagegen der Direktor des
Otto-Suhr-Instituts, Bodo Zeuner. Tatsächlich erlebt die
Politikwissenschaft an der FU einen regelrechten Run, der Numerus
Clausus beträgt mittlerweile 1,3. Schon jetzt kann man dort
den Master "Internationale Beziehungen" anstreben, andere
Masterstudiengänge sollen in Zusammenarbeit mit anderen
Universitäten folgen. Die Reform des Otto-Suhr-Instituts
schreitet voran, der Bachelor als dreijähriger,
praxisorientierter Studiengang ist als Alternative zum
fünfjährigen Diplomstudiengang eingeführt. Dem so
genannten Bologna-Prozess zur Entwicklung eines gemeinsamen
Europäischen Hochschulraum zu Folge müssen alle deutschen
Universitäten bis zum Jahr 2010 das zweistufige System von
Bachelor- und Masterabschlüssen vollständig
einführen. Auf den Bachelor als dreijährigen
Grundlagenstudiengangs, kann dann ein bereits stark spezialisierter
Master folgen. Das Diplom hingegen wird irgendwann abgeschafft.
Der Dekan des FU-Fachbereichs für Politik- und
Sozialwissenschaften, Thomas Risse, sieht denn auch in den beiden
Governance-Schools keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung.
Risse schwebt eine Aufgabenteilung vor. Diejenigen Studenten, die
sich auf eine wissenschaftliche oder akademische Laufbahn hin
orientieren, machen ihren Master an der Universität,
diejenigen, die sich auf bestimmte Berufe vorbereiten wollen, gehen
an die neugegründeten Schools of Governance. Frei nach dem
Motto, so Thomas Risse, if you can't beat them, join them.
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