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Claudia Heine
Retter in der Not: Franz Müntefering
Ein Sonderparteitag der SPD im März soll
den neuen Vorsitz bestätigen
Dass die Partei "gut drauf" ist, wie es der künftige
SPD-Vorsitzende Franz Müntefering am 6. Februar zum Zustand
seiner Partei bemerkte, war nicht zu überhören. An jenem
Freitag verkündeten Bundeskanzler Gerhard Schröder und
Fraktionschef Franz Müntefering der überraschten
Öffentlichkeit den Führungswechsel, der Schröder
"nur" noch Kanzler sein lassen und Müntefering "auch" noch zum
Parteivorsitzenden machen soll. Viele SPD-Kollegen, die den Kurs
der rot-grünen Regierungsmannschaft oft kritisch begleitet
hatten, schienen von einem neuen Optimismus beflügelt und
kommentierten den Schritt entsprechend. Brandenburgs
Ministerpräsident Matthias Platzeck etwa würdigte den
Wechsel an der Parteispitze als verantwortungsvolle Entscheidung:
"Franz Müntefering ist der bestmögliche Nachfolger
für Gerhard Schröder im Amt des Parteivorsitzenden." Die
Sprecherin der SPD-Linken, Andrea Nahles, sprach von einer "guten
Entscheidung, weil sie Stabilität in die Partei bringt". Aus
Sicht des Führungsduos Schröder und Müntefering
mussten Teile der SPD jedoch als zu "gut drauf" erscheinen,
nämlich dann, wenn ihr neuer Optimismus sich an Hoffnungen
einer politischen Kurskorrektur knüpfte und in neue
Spekulationen um die inhaltliche und personelle Gestaltung der
angestrebten Reformen mündete. Genau das sollte mit dem
Wechsel an der Parteispitze nicht erreicht werden.
Die Entscheidung, das Amt des SPD-Vorsitzenden neu zu vergeben,
bedeute keineswegs, vom Weg der "Agenda 2010" abkommen zu wollen.
Schröder und Müntefering ließen bereits während
der entscheidenden Pressekonferenz am 6. Februar keine Zweifel
aufkommen: "Es wird eine Aufgabe sein, die das Jahrzehnt in
Anspruch nimmt", stellte der 64-jährige Fraktionsvorsitzende
die Perspektive klar. Und weiter: "Dazu möchte ich meinen
Beitrag leisten und möchte mithelfen, dass in der Partei und
in der Öffentlichkeit dieser Prozess in seiner Bedeutung
erkannt wird und auch die nötige Unterstützung gewinnt."
Auf diese Loyalität konnte sich Schröder bisher und kann
er sich wohl auch in Zukunft verlassen: "Es gibt eine nahtlose
Übereinstimmung, was die Notwendigkeit und die Inhalte des
Reformprozesses angeht, zwischen Franz Müntefering und mir",
verkündete der Bundeskanzler. Es gehe jetzt darum, durch die
neue Arbeitsteilung die Schwierigkeiten in der Vermittlungsarbeit
innerhalb der SPD zu überwinden.
Die ersehnte Ruhe wollte sich jedoch in den Tagen darauf nicht
so recht einstellen. Dafür sorgte unter anderem die zweite
Personalveränderung innerhalb der SPD-Spitze: Die
Ablösung des wenig erfolgreichen Generalsekretärs Olaf
Scholz durch den Berliner Bundestagsabgeordneten und Kanzler-Freund
Klaus Uwe Benneter. Allein dessen enge Beziehung zu Schröder,
die ihren Ursprung in der gemeinsamen Zeit bei den Jusos in den
70er-Jahren hat, macht aber keinen erfolgreichen
Generalsekretär. Im Gegenteil, manche Genossen bewerteten
gerade diesen Umstand als kritisch, sahen einen wirklichen
"Neuanfang" an der Spitze der Partei gefährdet. Abgesehen von
seiner schillernden Vergangenheit als "Benni Bürgerschreck",
dessen Sympathien für die DKP einen zeitweisen (1977-1983)
Parteiausschluss zu Folge hatten, ist Benneter eher ein
unbeschriebenes Blatt.
Auch die parteiinterne Kritik am Reformkurs ebbte zu Beginn der
vergangenen Woche, drei Tage nach dem überraschenden Coup,
noch nicht ab. Im Gegenteil, es schien, dass sie dadurch neuen
Aufwind bekommen hätte. Andrea Nahles forderte ein "klares
sozialdemokratisches Profil", und der jetzige Juso-Chef Niels Annen
verlangte, künftig bei den Reformen stärker auf soziale
Gerechtigkeit zu achten. Der nordrhein-westfälische
SPD-Vorsitzende Harald Schartau forderte Korrekturen bei den
Abgaben zur Krankenversicherung, und auch Stimmen, die nach einer
Kabinettsumbildung riefen, wollten nicht verstummen.
Bei den Fraktions- und Präsidiumssitzungen am Montag und
Dienstag letzter Woche wiederholten Schröder und
Müntefering energisch ihre Appelle zur Disziplin und
konsequenten Fortsetzung des Reformkurses und hatten dazu allen
Grund. Während zunächst noch Gerüchte um einen
Rückzug von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement aus der
Parteispitze auftauchten und sich dann zerschlugen, machte sich
danach Verkehrsminister Manfred Stolpe unbeliebt, als er vage von
Situationen sprach, die eine Kabinettsumbildung möglich machen
könnten. Nach dem erneuten Machtwort beruhigte sich die
öffentliche Debatte - zumindest vorläufig.
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