Thilo Castner
Generationenkrieg ist vermeidbar
Vorschläge für eine neue
Gesellschafts- und Familienpolitik
Der bekannte Zukunftswissenschaftler und Freizeitforscher
beschreibt ausführlich die "demographische Zeitenwende" -
immer mehr langlebige Alte und immer weniger arbeitsfähige
Junge - und die damit verbundenen Probleme und Belastungen in den
Industrieländern. Dennoch ist er überzeugt, dass es zu
keinem ernsthaften Konflikt zwischen Jung und Alt kommen wird, wenn
Politik und Öffentlichkeit den objektiven Schwierigkeiten
ehrlich ins Auge schauen und zu echter Solidarität finden.
Ansätze dazu sieht der Autor allenthalben. Wo drei und vier
Generationen nebeneinander leben, zwar nicht mehr unter einem Dach,
aber verbunden durch Telephon und regelmäßige Besuche,
hilft man sich sehr viel intensiver als in früheren Zeiten.
Gerade weil sich die Generationen meist nicht mehr auf der Pelle
sitzen, sondern nur noch "multilokal" vernetzt sind, fühlt man
sich für einander verantwortlich und leistet erstaunliche
materielle und soziale Hilfe.
Die Zukunft, so Opaschowskis Vision, wird aus drei Säulen
bestehen: Der Staat garantiert Dienstleistungen in Form einer
Mindestrente und einer Grundsicherung für Krankheit und
Pflege. Dazu kommen zweitens kommerzielle Leistungen des Einzelnen
in Form von Zusatzversicherungen und drittens die erwähnten
sozialen Dienstleistungen von Familie und Freunden. Dieses
dreistufige Modell ersetzt, so die Kernaussage, den bisherigen
Generationenvertrag durch einen neuen Generationenpakt.
Hauptproblem ist dabei in der Bundesrepublik die
rückläufige Geburtenzahl. Wäre weltweit wie in
Deutschland jede dritte Frau lebenslang kinderlos und läge die
Geburtenrate bei 1,3 Kinder pro Frau, wäre in 120 Jahren die
Menschheit so gut wie ausgestorben. Darum plädiert Opaschowski
geradezu händeringend dafür, allen Frauen in Deutschland
zu ermöglichen, Kinder zu bekommen und trotzdem
berufstätig zu sein. Nötig sind genügend
Kinderkrippen und Horte, eine achtstündige Betreuung der
Kinder in Ganztagschulen und steuerliche Honorierung von
Erziehungsleistungen. "Eine tendenziell kinderlose Gesellschaft
kann keine Zukunft haben".
Politik und Wirtschaft haben den gravierenden gesellschaftlichen
Veränderungen zu lange zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Insofern kann man nur hoffen, dass die aufgezeigten Anregungen und
Modelle aufgegriffen werden. Geschieht das nicht, sind soziale
Brüche langfristig sicherlich unvermeidlich.
Kritisch sei angemerkt, dass "Mister Zukunft" die Bereitschaft
zu solidarischem Engagement ein wenig überschätzt. Ein
Teil der gesellschaftlichen Probleme liegt auch in der enormen und
ständig wachsenden Einkommens- und
Vermögensungerechtigkeit. Solange eine Minderheit
Millionenbeträge bedenkenlos einstreicht und Millionen am oder
unter dem Existenzminimum leben müssen, ist eine
übergreifende Solidarität, selbst unter den betroffenen
Familien, nur schwer vorstellbar.
Horst W. Opaschowsky
Der Generationenvertrag.
Das soziale Netz der Zukunft.
W. Buchgesellschaft, Darmstadt 2004; 253 S., 9,80 Euro
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